Interview mit Uber-Deutschlandchef Christoph Weigler
Rechts einordnen, ein paar Meter vorrücken, dann in die linke Spur wechseln: Der Verkehr in Düsseldorf ist zäh. Am Steuer unseres Carsharing-Minis sitzt Christoph Weigler, der neue Deutschlandchef von Uber, dem Taxivermittlungsdienst aus San Francisco. Weigler, seit einem Monat im Amt, soll für das derzeit wertvollste Start-up der Welt eine Strategie im härtesten Markt finden, den Uber erobern will.
Zwei Vorgänger sind an der Aufgabe schon gescheitert, nachdem im vergangenen Jahr deutsche Gerichte den Dienst stoppten. Ohne Personenbeförderungsschein geht hierzulande nichts. Uber hat seither seine Dependancen in Frankfurt und Hamburg geschlossen und ist nur noch in Berlin und München als Taxi- und als Mietwagenvermittler aktiv. Mit Weigler probieren wir alternative Fortbewegungsmittel aus, als Teil derer sich Uber sieht.
WirtschaftsWoche: Herr Weigler, was lief schief?
Christoph Weigler: Wir waren von der Uber-Euphorie in den USA getrieben. Wir sahen, dass Fahrer und Nutzer begeistert waren von UberPOP, der Vermittlung von Privatfahrern, und gingen davon aus, dass diese mit deutschem Recht vereinbar sei. Rückblickend betrachtet war das etwas naiv. Mittlerweile haben wir gelernt, mit allen Beteiligten zu sprechen, bevor wir einen neuen Dienst anbieten. Als ich letztes Jahr zu Uber kam, war bereits allen klar, dass die Vermittlung an Privatleute nicht der Weg für uns in Deutschland ist.
Zur Person
Christoph Weigler, 33, ist seit August Deutschlandchef von Uber. Bevor er zu dem US-Start-up kam, arbeitete er für die Unternehmensberatung Bain & Company.
Nach dem Verbot haben Sie versucht, aus Hobbyfahrern Profichauffeure zu machen. Warum hat das auch nicht geklappt?
Die Gesetze kommen zum großen Teil aus den Sechzigerjahren. Der technologische Wandel macht einige Zutrittsvoraussetzungen aus unserer Sicht überflüssig. Eine Ortskenntnisprüfung etwa ist in Zeiten der Satellitennavigation nicht sinnvoll. Trotzdem muss jeder, der einen Personenbeförderungsschein in einer Stadt macht, alle Straßen auswendig lernen. Und wer Mietwagenunternehmer werden will, muss eine IHK-Prüfung ablegen, die unverhältnismäßig anspruchsvoll ist. Die Quote derer, die beim ersten Versuch durchfallen, liegt bei 70 Prozent.
Das Wichtigste zu Uber
Uber, eigentlich Uber Technologies Inc, gegründet im März 2009, startete seinen Service 2011 in San Francisco. Zunächst beschränkte sich das Angebot auf einen Chauffeur-Service („UberBlack“), der für einen etwas höheren Preis Limousinen als Alternative zu den im Silicon Valley damals notorisch knappen Taxis bot. Das Unternehmen expandierte aber schnell in andere US-Metropolen, von 2012 an auch international, und erweiterte auch seine Dienste. In vielen US-Metropolen und seit November 2015 auch in London können Uber-Fahrer mehrere Fahrgäste unterwegs aufnehmen und eine Art Sammeltaxi auf Zeit bilden; die Kunden teilen sich den Preis („UberPool“). Der bei Kunden erfolgreichste, aber auch mit Abstand kontroverseste Service ist UberX (In Deutschland bis April 2015 als „UberPop“ im Angebot). Dabei kann der Kunde über sein Smartphone in der Nähe befindliche Privatleute anheuern, die ihn gegen Geld mit ihrem Auto befördern, von Uber vermittelt. In der Regel unterbietet Uber so den Preis einer vergleichbaren Taxifahrt um 25 bis 40 Prozent. Uber gilt als das am höchsten bewertete Start-up der Welt- Der Umsatz soll schnell wachsen, allerdings schreibt Uber noch hohe Verluste.
Der Kunde gibt auf seinem Handy den gewünschten Abholort ein. Nach der Eingabe des Zielorts erscheinen die verfügbaren Uber-Fahrer in der Nähe seines Standortes als kleine Auto-Symbole in der App. Auf Wunsch kann nun der voraussichtliche Fahrpreis angezeigt werden. Nachdem der Kunde die Fahrt verbindlich bestellt hat, bekommen die Uber-Fahrer den Fahrwunsch samt Strecke auf ihrer App angezeigt. Nimmt ein Fahrer an, sieht der Fahrgast dessen Bewertung durch frühere Kunden, den Autotyp und Namen des Fahrers.
Das Kernprodukt ist, technisch gesehen, das Routing der Fahrer zum möglichst attraktivsten und nächsten Kunden. Da das System mit GPS arbeitet, kann der Fahrtpreis grob vorausberechnet werden und ein Taxameter ist nicht nötig. Nach der Fahrt wird der Kunde seinerseits aufgefordert, den Fahrer zu bewerten. Um die Bezahlung muss er sich nicht kümmern; die Abbuchung erfolgt automatisch von der bei der ersten Anmeldung hinterlegten Kreditkarte oder PayPal.
Vor allem der Peer-to-Peer-Dienst, bei dem Privatpersonen andere Privatleute gegen Geld befördern, ist es, der von Taxiunternehmen heftig bekämpft wird. In Deutschland ist er seit Frühjahr 2015 sogar ganz untersagt, seit Gerichte den Argumenten der Taxibranche folgten. Die argumentierten mit unlauterem Wettbewerb: Bei UberPop (in anderen Ländern UberX) werden die oft nebenberuflichen Fahrer lediglich auf ihr Verkehrspunktekonto und auf ein Polizeiliches Führungszeugnis überprüft, während Taxifahrer einen Personenbeförderungsschein, Gesundheitsprüfungen, besondere Versicherungen und (wenn sie ihr eigenes Unternehmen gründen wollen) in vielen Städten eine teure Lizenz benötigen. Das Uber-Auto muss lediglich jünger als zehn Jahre sein, vier Türen und Kofferraum aufweisen und natürlich verkehrssicher sein, während Taxis speziell geprüft werden.
Was ist daran so schwierig?
Sie müssen etwa Sondermüllvorschriften pauken, damit sie wissen, wie eine Autobatterie entsorgt wird. Und die Texte sind in schwer verständlichem Behördendeutsch geschrieben. Das macht es für Menschen mit Migrationshintergrund schwer. Dabei ist das die Bevölkerungsgruppe, die traditionell gern ins Beförderungsgewerbe will.
2017 soll UberEats in München und Berlin starten
Ihr Chef Travis Kalanick hatte mal Tausende Jobs für Europa versprochen.
Davon sind wir nicht weit entfernt. In Paris, wo es wesentlich einfacher ist, professioneller Fahrer zu werden, verdienen mittlerweile mehr als 15.000 Fahrer durch Uber ihren Lebensunterhalt. Meist sind das Menschen aus den Vorstädten, die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben. Für viele ist Uber die erste Möglichkeit, einem Job nachzugehen. Auch in Deutschland hätten wir die Chance, Jobs etwa für Flüchtlinge zu schaffen. Und eine bessere Deutschschule gibt es kaum, als mit Menschen in Kontakt zu treten, sie durch die Stadt zu fahren und mit ihnen zu reden.
Wir wechseln die Perspektive und suchen Leihfahrräder, auf denen wir unser Gespräch fortsetzen. Uber setze jetzt in den USA Fahrradkuriere ein, erzählt Weigler. UberRUSH heißt das Angebot, mit dem Uber-Chauffeure Waren auf Bestellung von lokalen Läden an Kunden in der Umgebung ausfahren.
Wann kommt dieses Angebot zu uns?
Wir haben zunächst anderes vor: Unsere Nutzer werden bald Essen bei örtlichen Restaurants bestellen können, und Fahrer in Autos oder auch auf dem Fahrrad liefern es dann aus. Wir suchen uns gerade ein Team zusammen und werden, wenn alles klappt, 2017 UberEats in München und Berlin starten.
Wow – Pizzabringdienst. Klingt nicht so innovativ. Die Konkurrenz hat in dem Geschäft doch schon einen riesigen Vorsprung.
Wir glauben, dass der Markt groß genug für alle ist. In den USA und London haben wir den Service schon erfolgreich getestet. Zudem geht es uns ja auch darum, die Mietwagenflotte, die ohnehin auf den Straßen unterwegs ist, besser auszulasten.
Wann wird sich Uber in Deutschland wieder an den lukrativen Dienst mit Privatfahrern wagen und in neue Städte expandieren?
Natürlich verfolgen wir das Ziel, zu expandieren und neue Dienste anzubieten. Großstädte wie Düsseldorf, Frankfurt oder Hamburg bieten da viel Potenzial. Für die Vermittlung von Privatfahrern gibt es aber keine Pläne mehr.