Im ACS- und Hochtief-Reich müssten jetzt alle an einem Strang und in dieselbe Richtung ziehen. Doch davon ist Hochtief weit entfernt. Denn die negativen Folgen der Übernahme sind nicht ausgestanden. Selbst Top-Manager reden offen darüber.
Bernd Romanski, Vorstand und Arbeitsdirektor der fürs europäische Bau- und Dienstleistungsgeschäft zuständigen Hochtief Solutions, beschrieb in der März-Ausgabe der Hochtief-Mitarbeiterzeitschrift „Baubude“ die miese Stimmung: „Durch die Personalabgänge auf Vorstandsebene ist in Teilen die Verunsicherung bei den Mitarbeitern nach wie vor groß.“ Es falle vielen schwer, „die Schockstarre zu überwinden und zur Tagesordnung zurückzukehren“. Alle früheren Konzernvorstände und zwei hoch angesehene Solutions-Chefs haben 2011 gekündigt.
Wer Hochtief bereits verlassen hat
Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Vorstandschef Marcelino Fernández den Geschäftsführer der Hochtief-Solutions-Sparte Energie und Infrastruktur, Stephan Hebgen, von seinen Aufgaben freigestellt. Ende Oktober 2013 verabschiedete sich Hebgen, der zudem Mitglied im Solutions-Aufsichtsrat war und dort die Leitenden Angestellten vertrat, in einer E-Mail von den Mitarbeitern.
Die spanische Mutter ACS setzt Hochtief-Chef Frank Stieler Ende November 2011 vor die Tür. Er hatte sein Amt erst im Mai 2011 angetreten. Insider vermuten, Stieler haben den Spaniern die Probleme der Tochter nicht schnell genug gelöst und Verkaufspläne nicht entschieden genug vorangetrieben.
Schränkler, 48, leitet als Vorstandsvorsitzender die Sparte Concessions und war Chef der Flughafensparte. Die Sparte hat Chef Stieler zum Teil schon auf andere Manager übertragen, die Flughafensparte steht zum Verkauf. Schränkler muss sich "neuen beruflichen Herausforderungen stellen". Seine Aufgaben übernehmen die beiden verbliebenen Geschäftsführer Holger Linkweiler und Gerhard Schroeder.
Im September 2011 wird Personalchef Gerhard Peters entmachtet. Brisant ist die Entmachtung, weil Peters im Hochtief-Aufsichtsrat sitzt und dort zu den Gegnern der Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS zählte.
Auch Bernward Kulle, Vorstand der Tochter Concessions und Spezialist fürs Geschäft mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), reichte kurz nach der Übernahme die Kündigung ein.
Rocksien, 49, Cheflobbyist in Berlin und Leiter der Abteilung Politik und Verbände der Hochtief AG, verkündete Mitte Dezember 2011 seinen Abschied. Rocksien hatte seit September 2010 vergebens versucht, Bundesregierung und Abgeordnete zu einer schnellen Änderung des Wertpapierübernahmegesetzes zu bewegen, um die feindliche Übernahme von Hochtief durch ACS zu verhindern.
Rohr verlässt den Konzern Ende Dezember 2011. Er war 15 Jahre im Konzern und leitete das Amerika-Geschäft und die Flughafensparte. Rohr war der letzte Konzernvorstands der Lütkestratkötter-Ära und zu diesem Zeitpunkt der achte Top-Abgang seit Stielers Amtsantritt.
Die Leiterin der Konzernkommunikation, Jutta Hobbiebrunken, verlässt ebenfalls nach der verlorenen Übernahmeschlacht Mitte Mai 2011 das Unternehmen. Hobbiebrunken galt als enge Vertraute des früheren Vorstandschefs Herbert Lütkestratkötter. Sie war seit 1994 bei Hochtief und baute die Konzernkommunikation im In- und Ausland auf.
Vorstandsmitglied Peter Noé wollte nach dem Einstieg der Spanier nicht länger für Hochtief tätig sein, er verabschiedete sich kurz nach der feindlichen Übernahme im Mai 2011.
Finanzvorstand Burkhard Lohr tritt kurz nach der Übernahme durch ACS ab. Lohr mochte sich nicht mit dem neuen Mehrheitseigner abfinden. Er wird durch vom ehemaligen Ferrostaal-Manager Peter Sassenfeld ersetzt.
Ende Oktober 2011 wirft der Vorstandschef der Bausparte Hochtief Solutions, Henner Mahlstedt, den Bettel hin.
Der Finanzvorstand der Sparte Solutions, Heiner Helbig, 54, wirft im Herbst 2011 das Handtuch, gemeinsam mit seinem Kollegen Henner Mahlstedt.
Romanski, der seine Lehre bei Hochtief machte und 2004 als Manager für Facility Management zurückkehrte, blieb an Bord. Den schon acht hochrangigen und spektakulären Abgängen folgen untere Chargen. „Solche Eigenkündigungen sind für Hochtief eine relativ neue Erfahrung“, sagt Romanski der „Baubude“ und fürchtet: „Wenn mehrere Headhunter im Unternehmen einmal erfolgreich waren, dann bohren sie es weiter auf.“ Romanski weiß, dass es „schwer gebeutelte Bereiche gibt, bei denen ich ein hohes Maß an Verständnis habe, wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen“. Und er bekennt, dass Rekrutierer des Arbeitgebers Hochtief heute „auf dem Markt teilweise Schwierigkeiten haben, neue Leute zu bekommen“.
Erst Prinz, dann Frosch
Zur „allgemeinen Unsicherheit“ (Romanski) tragen verschlechterte Geschäftsaussichten bei. Rund 100 Jobs hat Romanski 2011 gestrichen. Weiterer Abbau sei bei Hochtief Solutions 2012 auch in Deutschland „leider unvermeidbar“, sagt er. Denn „fast sicher geglaubte Aufträge“ im Ausland, im Facility Management und bei öffentlichen Projekten seien Solutions entgangen. Nach Romanskis Einschätzung haben dabei „Presseberichte über mögliche Pläne von ACS eine Rolle gespielt“.
ACS habe Hochtief bisher nicht genutzt, resümiert ein Aufsichtsrat: „Es ist nichts besser, sicherer, aussichtsreicher geworden.“ Umgekehrt hat Hochtief nicht annähernd die Erwartungen von ACS erfüllt. Es war wie im Märchen, nur umgekehrt: Als die Spanier ihren deutschen Bau-Prinzen endlich küssten, wurde er zum Frosch.
2011 machte Hochtief Verlust und zahlte keine Dividende, mit der ACS aber gerechnet hatte. Die früher glänzende Hochtief-Ertragsperle, der australische Bauriese Leighton, gab in diesem Frühjahr wie schon 2011 eine Gewinnwarnung heraus, die die Gewinnaussichten von Hochtief erneut verschlechtert. Eine Selbstanzeige des Leighton-Konzerns wegen Korruption im Irak verunsichert die Investoren zusätzlich.