UKW-Radio wird 70 „Die Radioindustrie ist ohne UKW tot“

Skala eines Kofferradios zeigt Mittelwelle (MW), Kurzwelle (engl. short wave-SW) und die Ultrakurzwelle an. Vor 70 Jahren nahm in München-Freimann der erste deutsche UKW-Sender seinen Betrieb auf. Quelle: dpa

Vor 70 Jahren ging der erste deutsche UKW-Sender in München-Freimann „on air“. Damals revolutionierte die Technik die Radiolandschaft. Doch die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch.

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Vor 70 Jahren begann eine Erfolgsgeschichte für das Radio in Deutschland: Auf dem Gelände des Bayerischen Rundfunks in München-Freimann startete 1949 der erste deutsche UKW-Sender - gesendet wurde aus einer Baracke. „In Freimann wurde der erste UKW-FM-Sender der US-Zone am 28. Februar um 16.30 Uhr in Betrieb genommen. Der Sender arbeitet auf 90,1 Mhz.“, schrieb der Bayerische Rundfunk (BR) in seinem Wochen-Sendebericht.

„UKW war zu Beginn eher eine Notlösung“, sagt Helwin Lesch, Leiter der BR-Hauptabteilung Verbreitung und Controlling. „Aber die Technik setzte sich durch, weil sie störungssicherer und die Bandbreite größer war. Darum konnte es mehr Programme geben. Wir hätten nicht diese Vielfalt gehabt, wenn wir weiterhin auf Mittel- oder Langwelle gesendet hätten.“

Heute sind alle verfügbaren Frequenzen mit hunderten Radioprogrammen belegt. Zwischen 250 und 350 sind es nach Leschs Angaben bundesweit. Doch die Ultrakurzwelle in Deutschland hat wohl ein absehbares Ende. Als Zeitraum für den Ausstieg rechnen Fachleute mit 2025 bis 2028.

Ein Grund dafür: Das Digitalradio ist auf dem Vormarsch. Rund 12,7 Millionen Menschen in Deutschland verfügen über einen Zugang zu DAB+, wie aus dem Digitalisierungsbericht der Medienanstalten vom September 2018 hervorgeht. Das sind 1,8 Millionen mehr als in 2017. „Die Zukunft des Radios ist digital“, sagte der Intendant des Deutschlandradios, Stefan Raue, damals.

Ein Digitalradio passt in mancher Hinsicht besser zur medialen Lebenswelt von heute. „Heute sind die Menschen in ihrem Musikgeschmack deutlich selektiver“, sagt Lesch. „Ein Radioprogramm, das verschiedenste Musikgenres verbunden hat, hat heute nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit wie früher.“

So ähnlich sieht das auch der Journalistik-Professor Klaus Meier von der Katholischen Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt: „Die Nutzung der linearen Hörfunkprogramme hat gerade bei jungen Leuten abgenommen“, sagt er. Vor 20 Jahren hätten noch 80 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Radio gehört. Heute seien es noch rund zwei Drittel. „Das heißt nicht, dass junge Menschen überhaupt kein Radio hören. Zwei Drittel sind immer noch zwei Drittel. Aber sie finden eher über digitale Kanäle zum Live-Radio.“

Inzwischen spielten da auch vernetzte Lautsprecher eine Rolle, die mit Siri, Alexa oder dem Google Assistent laufen. Meier glaubt, dass Radiosender künftig noch mehr auf Kooperationen mit den Anbietern setzen müssen - ebenso wie mit Automobilherstellern. „Nach wie vor hören viele Menschen im Auto Radio.“

Für die öffentlich-rechtlichen Sender ist die veränderte Mediennutzung nur ein Grund dafür, sich langsam aber sicher von der Ultrakurzwelle zu verabschieden und in eine digitale Zukunft aufzubrechen. Dazu kommt, dass DAB-Sender mit einem Hundertstel der Energie von UKW-Sendern auskämen. „Weniger Energieverbrauch, mehr Vielfalt“, betont Lesch.

Nach Angaben der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) kann heute jeder Hörer in Deutschland im Schnitt rund 20 Programme über UKW empfangen. Beim Digitalradio wären es rund 100. Die größere Konkurrenz ist wohl ein Grund dafür, dass einige Sender, die jetzt einen Platz im limitierten UKW-Bereich haben, der Sache eher kritisch gegenüber stehen und am UKW-Empfang festhalten wollen.

„Die Radioindustrie ist ohne UKW tot“, sagte Michael Tenbusch von der Vereinigung Bayerischer Rundfunkanbieter im Herbst 2018 bei den Medientagen München. „Der Versuch, ein Abschaltdatum für UKW zu finden, ist aus meiner Sicht ein Anschlag auf die Radioindustrie. Wir verdienen unser Geld mit UKW.“

UKW abschalten oder nicht? „Das ist eine der schwierigsten Fragen, die man medienpolitisch diskutiert“, sagt Helwin Lesch. Aus Sicht des Journalistik-Professors Klaus Meier ist DAB+ bei aller Diskussion inzwischen eine gute Alternative zur UKW-Ausstrahlung. Denn so wichtig UKW auch war für die Entwicklung der Radiolandschaft - die ultrakurze Welle hat auch Schwächen: „Es gibt auch heute noch UKW-Funklöcher in Bayern - in Tälern wie bei uns in Eichstätt.“

Neue Technik hin oder her - Programme müssen sich Meier zufolge weiterhin von der Landesmedienanstalt lizenzieren lassen. „Das bedeutet in Zeiten der Digitalisierung aber natürlich auch, dass in Bayern ansässige Sender eine Erlaubnis brauchen - ein Sender, der in den USA oder China sitzt und übers Internet in Bayern zu hören ist, aber nicht.“

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