Umbruch in der Logistikbranche „Schiere Größe heißt noch nicht, dass man die Digitalisierung meistert“

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Freighthub: „Wollen zu den Top 20 Spielern gehören“ 

Was das bedeuten kann, zeigte sich vor einigen Jahren bei DHL. In seiner Frachtsparte wollte der Konzern international eine einheitliche Software einführen und damit gleichzeitig Prozesse erneuern. „New Forwarding Enviroment“, nannte der Konzern das ehrgeizige Projekt. Eine halbe Milliarde Euro soll hineingeflossen sein. Doch in den Pilotländern klagten die Mitarbeiter über massive Probleme. 2015 trennte sich DHL vom zuständigen Vorstand und stampfte das Projekt ein. Kosten: 345 Millionen Euro.

Seitdem geht DHL einen neuen Weg, mit einem konzerninternen Start-up namens Saloodo. Das ist im Vergleich zu „New Forwarding Environment“ winzig. Gerade mal 40 Mitarbeiter hat Saloodo, das sich bisher auch voll auf den Straßenverkehr beschränkt. Die Mission des Start-ups ist es auch nicht, den Konzern zu verändern. Es soll das Geschäftsmodell weiter austesten und mehr über die Digitalisierung der Prozesse lernen. Dafür können Kunden dort auch andere Anbieter als DHL auswählen.

Auch Kühne und Nagel, der weltgrößte Spezialist für Seefracht, arbeitet an der Digitalisierung. Mit KN Freightnet bietet der Konzern seinen Kunden an, alle Prozesse und Buchungen digital zu verwalten. Außerdem hat das Unternehmen aus der Schweiz eine Prognose-Software entwickelt, die 60 Tage in die Zukunft schauen kann. Sie vergleicht Wetterdaten, Streik- und Staumeldungen und die Informationen aus den tausenden eigenen Frachtbriefen. So will Kühne und Nagel den Kunden erklären, wo und wie Engpässe entstehen – und ihnen die Daten für eigene Zwecke zur Verfügung stellen. So können zum Beispiel Kreuzfahrtschiffe ihre Ankünfte in bestimmten Häfen besser planen.

Der Druck steigt. Die Start-ups haben die Branche bereits verändert. Dazu zähle nicht nur Freighthub, sondern auch tausende kleine Frachtbörsen, die zwar keine eigenen Routen anbieten – aber versuchen, möglichst viele Kapazitäten transparent zu machen. Früher hatten Kunden noch langfristige Lieferverträge mit einzelnen Logistikern. Heute wollen sie mehr Flexibilität und schnellere Reaktionen.

Und das Angebot, aus dem sie wählen können, ist groß. „Der Markt ist extrem zersplittert“, sagt Heilemann. Die zehn größten Unternehmen in Deutschland haben gemeinsam nicht mehr als 40 Prozent Marktanteil. Im Ausland sieht es ähnlich aus. Heilemann sieht das als Chance: Es ist genug Platz für weitere Spieler im Markt. Erst Recht, wenn diese die Digitalisierung besser verstehen.

Allerdings bekommt Freighthub gewaltige Konkurrenz aus den USA. In San Francisco gründete sich dort 2013 das Start-up Flexport. Mittlerweile haben die Amerikaner mehr als 204 Millionen Dollar eingetrieben – unter anderem bei Paypal-Gründer Peter Thiel oder Google Ventures. Und mittlerweile macht sich Flexport auch in Deutschland breit: Im April öffnete das Unternehmen ein Büro in Hamburg und verkündete kampfeslustig: "Wir wollen in den kommenden fünf Jahren weltweit unter die Top fünf kommen." Eine halbe Milliarde Dollar Umsatz will der Konzern in diesem Jahr machen.

Freighthub hat da bescheidenere Ziele. Fragt man Ferry Heilemann, wo das Unternehmen in fünf Jahren stehen sollen, sagt er: „Wir wollen zu den Top 20 Spielern im Markt gehören.“ 

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