Umstrittener 5-Punkte-Plan Wie Spohr Eurowings auf den Kopf stellt

Quelle: REUTERS

Der dritte Umbau in fünf Jahren soll Eurowings endlich zum echten Billigflieger machen – ohne Langstrecke und aufwändige Strukturen, dafür mehr Zuzahlungen für Passagiere. Doch der Plan könnte scheitern.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Kapitalmarkttag eines Großunternehmens ist normalerweise so öde, wie es der Name andeutet. Viele Zahlen, PowerPoint-Präsentationen mit mehr als 100 Seiten und ein Frage-Antwortspiel mit Abkürzungen, die außerhalb der Analystengemeinde eigentlich keiner versteht.

Das heutige Investorentreffen der Lufthansa war da anders. Schon eine halbe Stunde, bevor heute um elf Uhr Konzernchef Carsten Spohr in Frankfurt ans Rednerpult trat, ließ er eine Liste mit Veränderungen verschicken und trat damit eine spürbare Welle los. Denn nach Standardpunkten wie Eigenlob und dem Bekenntnis zu mehr Innovation oder besserem Service folgte ab dem 14. von 23 Tagesordnungspunkten ein Paukenschlag: der Komplettumbau der Billigtochter Eurowings.

Im dritten Umbau binnen fünf Jahren soll Eurowings endlich ein echter Billigflieger werden. Der Konzern-Discounter verzichtet mehr oder weniger auf die Langstrecke, entrümpelt Flugplan und Flotte und will bis 2022 unterm Strich mehr als 20 Prozent der Kosten sparen. „Wir wollen nicht nur für Kunden und Mitarbeiter die Nummer Eins sein, sondern auch für unsere Aktionäre die erste Wahl“, begründete Spohr die Radikal-Renovierung. Das wird seine Billigtochter zwar weder in diesem, noch im nächsten Jahr aus der Verlustzone holen. „Aber danach schaffen wir sieben Prozent Marge“, verspracht Eurowings-Chef Thorsten Dirks heute Mittag in seinem Vortrag nach dem Mittagessen.

Das ist auch bitter nötig. Zwar hat die Flugbranche derzeit fast ideale Bedingungen durch eine starke Konjunktur, vergleichsweise günstigen Sprit, hohe Einkommen der Kunden und eine kräftige Konsolidierung durch das Ausscheiden notorischer Preisbrecher wie Air Berlin oder der isländischen Wow Air. Trotzdem musste Spohr in den vergangenen Monaten gleich zwei Mal die Gewinnprognose kappen. Prompt sackte die Aktie um bis zu 40 Prozent. Und die Hauptschuld hat Eurowings. Bei der Kölner Tochter kletterten nicht nur die Kosten mehrere hundert Millionen über Vorjahr. Im Schnitt zahlt derzeit jeder der knapp 40 Millionen Passagiere vier Euro weniger für sein Ticket als noch 2018. Also muss Eurowings nach 231 Millionen Euro operativem Verlust im vergangenen Jahr für 2019 einen wahrscheinlich sogar noch höheren Fehlbetrag ankündigen.

Das weltweite Luftfahrtbündnis Star Alliance unter Führung der Lufthansa galt lange als Erfolgsgarant – mittlerweile verkommt es zum Auslaufmodell. Was dahintersteckt und welche Folgen sich abzeichnen.
von Rüdiger Kiani-Kreß

An den Ticketpreisen kann Spohr wenig ändern. Also braucht er nun für seine Billigtochter ein neues Betriebssystem - eine Art Eurowings 3.0 in fünf Schritten.

1. Nur noch Europaflüge mit Eurowings
Die sichtbarste Änderung ist der „Abschied aus dem Langstrecken-Geschäft“, wie Dirk in seiner Präsentation schreibt. Alle Flüge zu Zielen außerhalb Europas haben zwar weiterhin die Türkis-Brombeer-Lackierung und Personal in den gleichen Farbtönen in Cockpit oder Kabine. Doch die Flüge starten künftig kaum noch in der Provinz, sondern fast ausschließlich von den Lufthansa-Drehkreuzen Frankfurt und München. „Das sorgt für hohe Einsparungen“, so Dirks. Über Flugplan, Service und Preise entscheidet statt der Eurowings Schnellbauzentrale am Flughafen Köln das Lufthansa Aviation Center in Frankfurt. „Langstreckenbetrieb – Ablenkung und Mehrkosten“, so Dierk Schlagwort heute.

Doch das ist nur der halbe Schritt. Zugleich verliert Eurowings die Hoheit über die gerade erst eingegliederte belgische Konzernschwester Brussels Airlines. Sie wird künftig von einer Art besserem Billigflieger zur Netzwerklinie wie Swiss oder Austrian Airlines geadelt. Gleichzeitig soll sich die besonders in Afrika starke Linie neu aufstellen. Wie genau das gehen soll, steht noch nicht fest. „Ein Plan folgt bis Ende September“, heißt es in Dirks Präsentation.

Flugreisende erinnern sich noch an etliche Verzögerungen und Ausfälle im vergangenen Sommer. Geht es nach den Lufthansa-Flugbegleitern, kann es diesmal noch schlimmer werden.

2. Mehr Kosten raus
Auch die verbliebene Kurzstrecken-Eurowings bekommt ein Sparprogramm, und zwar das wohl bisher ambitionierteste. Im Vergleich zu 2018 sollen die Kosten bis 2022 um fast ein Viertel sinken. Gut ein Drittel liefern bereits angelaufene Maßnahmen wie der Abschied von der Propellerflotte oder der Rückzug aus einigen Verluststrecken. Fast ebenso viel sollen die Arbeitskosten bringen.

Dabei sollen nicht nur möglichst viele der verbliebenen Piloten mit einem alten und besser bezahlten Tarifvertrag auf dem Niveau der Konzernmutter die Eurowings verlassen. Auch anderes überzähliges Personal will Dirks abbauen. Das fliegende Personal soll künftig pro Tag im Schnitt gut eine Stunde mehr arbeiten als bisher. Möglich machen sollen das neue Einsatzpläne mit weniger Leerlauf am Boden sowie, dass die Beschäftigten an ihrem Einsatzort wohnen sollen statt wie bisher aufwändig zum Start ihrer Maschinen geflogen zu werden. „Das wollen wir durch natürliche Fluktuation und wo nötig mit Sozialplänen erreichen“, so Dirks

Weniger Jets, dafür mehr Extras – aber reicht das?

3. Neues Netz, weniger Jets
Knapp sechs Prozent weniger Kosten sollen die neuen Pläne für die Flotte bringen. Dabei muss Eurowings seltener als bisher die von der Mutter abgelegten, teilweise 28 Jahre alten und im Betrieb teureren Jets nutzen. Stattdessen bekommt nun auch endlich die Billigtochter neue Flieger und vor allem die besonders sparsamen Modelle der Airbus A320neo-Familie. Gleichzeitig sollen die neuen Maschinen produktiver fliegen. Sie sollen nicht nur bis zu 20 Prozent mehr Sitze haben, sondern mindestens eine Stunde am Tag länger in der Luft sein. Das Plus soll Eurowings aber nicht für mehr Wachstum von zuletzt rund 20 Prozent pro Jahr nutzen. Stattdessen will die Linie den heutigen Flugplan statt wie bislang mit 139 mit nur noch 110 bis 120 Maschinen abfliegen – einem Fünftel weniger. Dabei soll Eurowings-Chef Dirks auch möglichst viele der für den Fall von technischen Problemen vorgehaltenen neun Ersatzmaschinen möglichst auf null runterfahren.

Dazu will Dirks das Netz kappen. Statt vieler Nebenstrecken möchte er sich künftig wie Easyjet auf die großen Flughäfen wie Düsseldorf, Hamburg, Köln und Stuttgart mit aufkommensstarken Strecken konzentrieren. Dort will das Unternehmen künftig durch Geld und seine Marktmacht Easyjet und Ryanair kleinhalten, „wie es uns bereits auf der Strecke Köln- Berlin gelungen ist“, so Dirks und schwärmt: „Das erlaubt uns bald höhere Preise.“

4. Endlich einfach
Der größte Unterschied zwischen Eurowings und Billigfliegern wie Easyjet oder Ryanair war bisher die extrem komplizierte Organisation des Flugbetriebs. „Das war der Preis für unser Wachstum“, so Dirks. Durch die Übernahme von Teilen der Air Berlin und um den Einfluss der deutschen Gewerkschaften klein zu halten, hatte Eurowings gut ein halbes Dutzend Töchter mit jeweils eigener Flugerlaubnis. Die sind bis heute so streng getrennt, dass sie bei Flugpannen nicht untereinander mit Flugzeugen oder Personal aushelfen dürfen. Easyjet hat nur zwei solcher Ableger.

Das will Eurowings-Chef Dirks nun ändern. Galt bisher noch als Ziel, an keinem Flughafen mehr als zwei der Töchter landen zu lassen, will er künftig den ganzen Flugbetrieb unter einer Betriebserlaubnis abwickeln. Welche, will er nicht sagen. „Aber es kommt eigentlich nur die günstigste in Frage, also Eurowings Europe“, vermutet ein Insider. Dazu will er nach dem Vorbild von Easyjet die Verwaltung verkleinern, nicht zuletzt durch die Automatisierung der Abläufe.

5. Digital für mehr Extras
Da Sparen allein das Unternehmen nicht rettet wird, will Dirks von seinen Konkurrenten auch in einem anderen Bereich lernen: dem Verkauf von Dingen abseits des Flugtickets. Den Anfang hat er bereits Anfang des Monats gemacht, als er für alle Kunde abseits der Biz-Sektion am vorderen Ende der Kabine die Gratis-Verpflegung stricht. „Die Zukaufangebote machen Kunden zufriedener“, begründet er den Schnitt, zur Überraschung vieler Kunden.

Das soll jedoch erst der Anfang sein. Künftig möchte er über seine Internetseite wie ein Warenhaus alles rund um die Reise anbieten, etwa Mietwagen oder Übernachtungen. Das war bereits sein Ziel, als er im Sommer 2017 seinen Job antrat. Doch es geriet angesichts der vielen Betriebsprobleme unter die Räder. Dazu sollen weitere digitale Angebote kommen, wie Ausflüge oder Geschenke. „Hier werden wir bis 2022 um zehn Prozent im Jahr zulegen“, verspricht Dirks, „und beim Ergebnis noch stärker.“ Denn bei den Einnahmen von heute rund 350 Millionen Euro und wahrscheinlich 500 Millionen im Jahr 2022 bleibt in der Regel mehr als ein Drittel als Gewinn in der Kasse. Die möglichen 160 Millionen würden dann einen größeren Betrag zu den versprochenen 300 Millionen Euro Gewinn leisten, als es der Ticketverkauf kann.

Erfolgschancen? Durchwachsen

So gut sich der Plan auf dem Papier liest, ihn umzusetzen wird für Spohr und Dirks nicht ganz leicht. Denn die Verbesserungen hängen im Wesentlichen davon ab, ob die Belegschaft mitspielt. Schließlich sollen die Beschäftigten mehr arbeiten, und das bei bestenfalls gleichbleibenden Löhnen. Dagegen hat Konzernchef Spohr vor dem Investorentreffen bereits höhere Dividendenzahlungen angekündigt.

Darum machen die Arbeitnehmervertreter bereits reichlich Stimmung gegen das Konzept Dividenden statt Gehaltsaufschläge. So hat die Kabinengewerkschaft UFO bereits vor den heutigen Maßnahmen Streiks angekündigt. „Und die Bereitschaft zum Ausstand ist jetzt sicher nicht gesunken“, erklärt ein Insider. Bei der Konkurrenzgewerkschaft Verdi ist die Stimmung kaum besser: „Eurowings hat Teile des jüngsten Tarifvertrags noch nicht umgesetzt und will nun schon wieder Geld“, so ein Gewerkschafter.

Die Streiks kann sich die Lufthansa nicht leisten. Die Ausstände sorge nicht nur für Einnahmeausfälle und höhere Kosten, etwa in Form von Entschädigungen für gestrandete Kunden. Sie vergrätzen auch gleichermaßen Kunden wie Investoren, deren Stimmung mit den vielen Flugabsagen und den Kursverlusten der vergangenen Monate in den Keller ging. „Auch wenn ein möglicher Streik einen begrenzten Einfluss auf das Ergebnis der Lufthansa hat, so zeigt er doch die Schwierigkeiten, die Kostenstruktur bei Eurowings zu verbessern“, warnt Daniel Roeska von Bernstein Research.

Damit könnte Spohr am Ende sowohl Beschäftigte als auch Investoren verärgern.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%