Unterhaltungswirtschaft Fünf Erfolgsrezepte für deutsche Museen

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Den Bilbao-Effekt nutzen

Rund zwei Dutzend Museumsparks weltweit wollen ihre Heimatregion mit auffälligen Ausstellungshallen als Reiseziel für Kulturfreunde etablieren, so wie es das Guggenheim in Bilbao schaffte. Das teuerste Projekt leistet sich Abu Dhabi mit drei Museen auf künstlichen Inseln.

Das originellste und umfassendste indes ist Inhotim, die Stadt der Kunst im subtropischen Bergland Brasiliens. Zwei Autostunden vor Belo Horizonte im Südosten des Riesenlands hat Rohstoffmilliardär Bernando Paz auf seiner Privatranch auf gut einem Quadratkilometer 24 Ausstellungsgebäude mit gut 4000 Werken in einen Skulpturenpark voller tropischer Pflanzen gestellt. Ringsum baut Paz bald zehn Hotels, ein Amphitheater für 15.000 Besucher und Apartmenthäuser. Künstler schätzen den Park wegen der kreativen Möglichkeiten. „Es gibt keine Grenzen“, verspricht Paz, der die enthusiasmierte Kundschaft auch ganz nüchtern durch einen Museumsshop lotst.

Die Museen mit den meisten Besuchern weltweit (in Millionen)

Keine Berührungsängste

Den Glanz der eigenen Museumsmarke zu Geld machen, diese Kunst beherrscht derzeit keiner besser als ausgerechnet die staatliche französische Museums-Bürokratie. Fast eine Milliarde Euro kassieren die Behörden vom Öl-Emirat Abu Dhabi für ein Rundum-Service-Paket mit mehreren Teilen: Der Golfstaat darf ein Museum nach dem Louvre benennen, die französischen Fachleute kaufen für das Haus in Abu Dhabi mehr als 100 Werke. Dazu kommen 60 Wechselausstellungen nebst Leihgaben von bis zu 300 Schätzen aus zehn prominenten gallischen Galerien wie dem Musée d’Orsay.

Auch Berlins Gemäldegalerie besserte ihren Etat durch zwei nach Japan verliehene Vermeer-Gemälde um rund eine Million Euro auf. Wie lukratives Verleihen auch bei kleineren Museen funktioniert, zeigt das Historische Museum Kanadas in Gatineau nahe der Hauptstadt Ottawa. Direktor Nicolas Gauvin konzipiert Ausstellungen wie „Vodou“ über Haitis Naturreligion verleihfertig mit leicht aufzubauenden Schaukästen und Werbemitteln.

Allerdings hat das System Grenzen. Für Kunstkritiker wie Didier Rykner von der einflussreichen Web-Site „La Tribune de l’Artiste“ ist der Verleihzirkus ein Skandal: „Die Werke sollten im Louvre hängen.“

Die Gesichter des Reichtums
Die Ausstellung "Fette Beute. Reichtum zeigen" läuft vom 17. Oktober 2014 bis 11. Januar 2015 im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Sie versammelt künstlerische Arbeiten, Reportage-Fotografie und Videoarbeiten. Hinzu kommen Amateuraufnahmen aus dem Fotosharing-Portal Instagram und Ausschnitte aus dem Reality-TV-Format „Rich Kids of Beverly Hills“. Hier ist eine Fotografie von Anna Skladmann zu sehen: Der fünf Jahre alte Vadim auf der Dachterrasse seines Zuhauses in Moskau. Wie ein snobistischer älterer Herr blickt er auf die Fotografin herab. Vadim on his Rooftop, Moskau, 2009, aus der Serie Little Adults, 2008-2010 Quelle: © Anna Skladmann
Die Fotografin ging zwischen 2008 und 2010 in den Villen des russischen Geldadels ein und aus. Hier ist ein Junge namens Jakob zu sehen, der mit einer MP40 aus seiner eigenen Waffensammlung posiert. Auf dem Fernseher hinter ihm, der von einem Bilderrahmen umgeben ist, läuft eine Ballettaufführung. Die Fotografin erzählte, dass der Junge mit dem Gewehr auf die Tänzerinnen zielte, als sie den Raum betrat.Jacob shooting at Ballerinas, Moskau, 2009, aus der Serie Little Adults, 2008-2010 Quelle: © Anna Skladmann
In die Ausstellung schafften es auch Bilder, die im Blog "Rich Kids of Instagram" gesammelt werden. Sie zeigen reiche Söhne und Töchter, die sich selbst auf Instagram inszenieren - ob im Champagnerbad, mit Geldbündeln oder Selfies mit Helikoptern und Yachten.You can’t sit with us… If you aren’t wearing army tops and flip flops. #Valentino #youcantsitwithus by venetobynetosoberanes, Blogeintrag vom 27.03.2014 Quelle: © netobynetosoberanes
Die Kinder und Jugendlichen inszenieren sich selbst und ihr Leben als sündige Luxuswelt voll Wollust, Habgier, Völlerei und Müßiggang. Pool in the backyard that look like Metropolis. #LA #canyon #pool #water #beer #raft #dolphins #neon #sunday by groverlight, Blogeintrag vom 24.09.2013 Quelle: © groverlight
Pelz, Bling-Bling und hübsche Mädchen: So präsentieren sich die "Rich Kids of Beverly Hills" in der gleichnamigen TV-Serie. Quelle: © E! Entertainment Television
Der Fotograf Paolo Woods reiste durch Afrika und untersuchte dort die Expansion Chinas auf dem Kontinent. Er dokumentierte gemeinsam mit zwei Journalisten das Aufeinanderprallen zweier Kulturen. Die reichen, selbstbewussten Chinesen heben sich in den Fotografien deutlich von den "untergebenen" Afrikanern ab. Hier ist ein Vorarbeiter zu sehen, der sich nicht nur durch seinen gelben Helm hervorhebt.On the building site of the Imboulou dam, Republik Kongo, aus der Serie Chinafrica, 2007 Quelle: © Paolo Woods, INSTITUTE
Hier ist der Unternehmer Jacob Wood auf einer Baustelle zu sehen. Er gibt sich betont leger. Im krassen Kontrast dazu steht an seiner Seite ein bewaffneter Bediensteter, der ihm den Schirm hält.Mr. Wood, Lagos, Nigeria, aus der Serie Chinafrica, 2007 Quelle: © Paolo Woods, INSTITUTE

Teil der Gemeinde

Wenn im Februar 2017 in Kapstadt das erste große Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst öffnet, stehen nicht nur Kuratoren und Garderobenhelfer auf der Gehaltsliste. Um den Rückhalt der Gemeinde zu sichern, wirken dort auch Pädagogen und Kunstlehrer. Möglichst täglich sollen Schulklassen in einem der 18 Schulungsräume sein.

Kunstsammler Jochen Zeitz, Ex-Puma-Chef und Aufsichtsrat beim Luxuskonzern Kering, steckt hinter dem Projekt. Er will sein Zeitz MOCAA einbinden in die Stadt und Unternehmen als Sponsoren und Förderer gewinnen (Interview rechts).

In Deutschland hat wohl niemand das Konzept des Museums als Teil der Gesellschaft so perfektioniert wie Max Hollein. Der Direktor des Frankfurter Städel kooperierte etwa für ein Sozialprojekt mit dem Jugendamt: „Für mich endet das Museum nicht an den Wänden des Gebäudes. Es übernimmt Aufgaben, Verantwortung weit über diesen physischen Ort hinaus.“ Auch Unternehmen holt er ohne Scheu an Bord.

Diese Form der Einbeziehung der Kundschaft läppert sich auch finanziell: So sollen vor allem Unternehmen und Privatleute den 270 Millionen Euro teuren Ausbau der Londoner Tate Modern stemmen.

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