Unternehmensberatung Eine Klasse für sich

Die stärkste Unternehmensberatungsmarke 2011 ist für deutscher Topmanager die Boston Consulting Group. Wer sonst im Beratungsmarkt aktuell die Nase vorn hat und worauf sich die Beraterbranche einstellt.

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Die Top-Beratungsmarken der Manager
Unternehmensberatung Quelle: Fotolia.com
Platz 15: Cap Gemini - der Pionier in der Kombination von IT und Change Management
Platz 14: Oliver Wyman, aus Mercer wurde 2007 Oliver Wyman – doch das hat nicht jeder Manager auch mitbekommen. Quelle: PR
Platz 13: A.D. Little ist wieder im Aufwind Quelle: Reuters
Platz 12: Deloitte ist die Beratungssparte eines globalen Wirtschaftsprüfungsgiganten Quelle: dapd
Platz 11: KPMG schaffte es als Beratungsmarke aus dem Stand heraus auf Platz 11 Quelle: AP
Platz 10: Accenture - führende Beratungsmarke für IT in Deutschland Quelle: Screenshot

Christian Veith verdient Applaus. Als Ende 2008 die Krise auch die Beraterbranche einholte, war dem Deutschland-Chef der Strategieberatung The Boston Consulting Group klar: Die Ära der Dichter und Denker ist vorbei. In Zeiten der Unsicherheit brauchen die Wirtschaftskapitäne Berater an ihrer Seite, die auch vor einer Komplettsanierung nicht zurückschrecken, die Unnötiges über Bord werfen, die Kosten senken und wenn es sein muss, auch bereit sind, den harten Restrukturierer zu geben.

Veith läutete im eigenen Haus einen harten Strategiewechsel ein. Hatte BCG bis dahin den Ruf, der Antipode der Costcutter-Truppe McKinsey, also die Heimat aller superschlauen Berater mit Herz und Sozialkompetenz zu sein, verordnete Veith BCG eine vertrieblichere Herangehensweise an das Beratungsgeschäft. Fortan lautete die Parole: Wir sind nicht nur hervorragende Denker – wir überzeugen auch in der Praxis, können restrukturieren und umsetzen.

BCGs Ansatz, Strategie und Restrukturierung stärker zu verbinden, hat überzeugt

Christian Veith, Deutschland-Chef der Strategieberatung The Boston Consulting Group Quelle: PR

„Diese Botschaft ist bei den Beratungskunden sehr gut angekommen“, urteilt Frank Höselbarth, Inhaber der Frankfurter Agentur People & Brand. Seit 2003 fragt der Experte für Unternehmensberatung und Markenbildung im Zwei-Jahres-Rhythmus Topmanager nach ihrer Meinung zu den wichtigsten Unternehmensberatungsmarken. 2011 beteiligten sich 126 Vorstände und Geschäftsführer aus Mittelstand und Dax-Konzernen an der Befragung, die allesamt regelmäßig zahlreiche Beratungsprojekte in Auftrag geben. Sie kürten The Boston Consulting Group zur stärksten Unternehmensberatungsmarke 2011. BCG-Deutschlandchef Christian Veith, der sich seit seinem Strategiewechsel den Vorwurf gefallen lassen musste, die McKinseysierung der Marke BCG eingeläutet zu haben, erntete jetzt also auch im Berater-Imageranking 2011 die Früchte seiner Entscheidung.

BCG ist zum Synonym der Beraterbranche aufgestiegen

Mit Bestnoten bei Bekanntheit und Ruf und einem hervorragenden zweiten Platz in puncto Fähigkeit der Beratung, das Betriebsergebnis von Unternehmen zu verbessern, verwiesen die vermeintlichen Softies von BCG Marktführer McKinsey mit seinem messerscharfen Profil des Kostensenkers auf Platz zwei im Berater-Ranking. „Mit einem Bekanntheitsgrad von 100 Prozent ist die Marke BCG in deutschen Managerkreisen neben McKinsey zum Synonym der Beraterbranche insgesamt aufgestiegen“, so Höselbarth. „Anders als McKinsey polarisiert die Marke BCG aber weniger. Von allen Beratungsmarken genießt die Boston Consulting Group den positivsten Ruf bei den Kunden, ohne beim Betriebsergebnis wesentlich schlechter abzuschneiden als der Marktführer.“

Das spiegelt sich auch in der Geschäftsentwicklung wider. „Wir haben mit unserem Ansatz der gezielten Expansion in Deutschland und international in den letzten Jahren Marktanteile gewonnen“, sagt BCG-Chef Veith. 2010 steigerte die Strategieberatung BCG, die als weltweite Nummer zwei gilt, mit ihren 4800 Beratern rund um den Globus ihren Umsatz um 12 Prozent auf mehr als drei Milliarden Dollar. Im Deutschland und Österreich legten die 910 BCG-Berater im selben Jahr beim Umsatz um sechs Prozent auf 444 Millionen Euro zu.

Der weltweite und deutsche Marktführer der Beraterbranche McKinsey hingegen, der über viele Jahre ob des großen Erfolgs hierzulande Umsatzvergleiche mit dem Wettbewerb nicht scheute, entschied sich 2007, auch für den deutschen Markt keine Umsatzzahlen mehr preiszugeben. „Selbst wenn BCG beim Umsatz mit McKinsey hierzulande noch nicht gleichgezogen haben sollte, so liefern sich die Bostoner doch beim Markenimage bereits seit Jahren ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Meckies und hatten 2011 eindeutig die Nase vorn“, sagt Höselbarth.

Eine harte Probe für McKinsey

Rajat Gupta Quelle: REUTERS

Das neue BCG-Image des Alleskönners birgt aber auch Risiken in sich. „Die Verwässerung der Marke ist der Preis, den BCG für den Zugewinn von Marktanteilen, bezahlt“, so Höselbarth. Zum Erfolgsrezept der Ivy-League der Strategieberatung gehörte es bislang, die Quote der Quereinsteiger, die von Wettbewerbern ins Haus geholt werden, so gering wie möglich zu halten. Nach dem Go-or-Grow-Prinzip sollten sich Eigengewächse bis an die Spitze des Hauses entwickeln können.

„BCG-Chef Veith ist von dem Kurs der reinen Lehre abgewichen und war sich nicht zu fein, ganze Berater-Teams vom Wettbewerb einzukaufen“, so Höselbarth. In dem Maße, in dem Berater von Roland Berger, Monitor, A.T. Kearney und anderen Topberatungen bei BCG Einzug halten, in dem Maße wird dadurch auch die Einzigartigkeit der BCG-Kultur in Frage gestellt. Und wenn dadurch leistungsbereite Eigengewächse der Eindruck vermittelt würde, dass ihr Aufstieg in der Pyramide durch Quereinsteiger behindert wird, dann könnte dies die Moral der Truppe insgesamt auf eine harte Probe stellen.

Kluge und Gupta kratzen am Image von McKinsey

Auf eine harte Probe gestellt wurde in diesem Jahr auch die Marke McKinsey. Weniger durch Fauxpas in den eigenen Reihen als durch den Imageabsturz gleich zweier ehemaliger Top-McKinsey-Führungskräfte.

So hat es das Markenimage von McKinsey sicher nicht beflügelt, dass der langjährige McKinsey-Deutschlandchef Jürgen Kluge bei Haniel die Segel strich und ihm fortan das Image anhaften dürfte, vielleicht ein kluger Strategieberater, aber keineswegs ein guter Manager zu sein.

Für Furore sorgte auch die Verhaftung des langjährigen McKinsey-Weltchefs Rajat Gupta Ende Oktober durch das FBI. Die US-Bundespolizei wirft dem Harvard-Absolventen vor, in einen der größten Insiderfälle in der Geschichte der Wall Street verwickelt zu sein. Zwar bestreitet Gupta die Vorwürfe, doch selbst wenn in dem Gerichtsprozess, der im April 2012 beginnt, kein Schuldurteil gegen ihn ergehen sollte, so sind er sowie die Unternehmensberatung McKinsey durch den Fall bereits heute ins Gerede geraten.

All das aber ändert nichts an der Tatsache, dass McKinsey nach wie vor in Managerkreisen als die erste Adresse für die Steigerung des Betriebsergebnisses angesehen wird und wie keine zweite Beratung in Deutschland vor allem in der Liga der DAX-30-Konzerne als Klassenbester angesehen ist. „Der hohe Internationalisierungsgrad der Beratungsarbeit, die intellektuell herausfordernden Probleme, die dem Haus zur Lösung vorgelegt werden und die Offenheit für Menschen, die hochintelligent und engagiert sind, machen McKinsey für Toptalente als Arbeitgeber interessant“, so Höselbarth.

Überraschungssieger PwC und KPMG

Als Überraschungssieger aus der Umfrage 2011 gingen die Unternehmensberatungszweige der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PricewaterhouseCoppers (PwC) und KPMG hervor. Aus dem Stand heraus gelang es PwC sogar, sich auf Rang vor direkt hinter den Platzhirschen der Managementberatung BCG, McKinsey und Roland Berger zu platzieren. Und das obwohl die Marke in der Umfrage 2009 noch nicht einmal auf der Liste der gestützten Beratungsmarken gestanden hatte.

Der Grund: Nach dem Enron-Bilanzskandal hatte sich PwC genauso wie KPMG von ihrem Beratungsgeschäft erst einmal verabschiedet, weil das Anbieten von Wirtschaftsprüfung und Beratung unter Beschuß geraten war. Erst 2005 – nach dem die politischen Diskussion um die vermeintlichen Interessenskollisionen der Prüfer verhallt waren – traten die Wirtschaftsprüfungsgiganten in puncto Managementberatung wieder stärker und öffentlichkeitswirksamer aufs Gaspedal. Offensichtlich so erfolgreich, dass 2009 etliche Topmanager, die sich an der Höselbarth-Umfrage beteiligten, die Marken PwC und KPMG auf der Liste der gestützten Markenberatungen vermisst hatten. „Aus diesem Grund wurden die Marken 2011 erstmalig wieder gelistet“, so Höselbarth.

Chance für kleine Berater

A.T. Kearney-Chef Martin Sonnenschein Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Die Tatsache, dass vor allem PwC so durchgestartet ist, dürfte den großen Strategieberatungshäusern zu denken geben. Zwar heißt es, PwC und KPMG hätten noch längst nicht das Niveau eines Vollsortimenters á la McKinsey erreicht. Doch die Berater von PwC, KPMG und Deloitte sind dabei ihr Know-how über die Themen Finanzsteuerung und Risikomanagement hinaus auszuweiten. Sollte die EU-Kommission sich mit ihrem Gesetzesvorhaben, Prüfung und Beratung strikter voneinander zu trennen, nicht durchsetzen könnten, müssen sich die Unternehmensberater warm anziehen.

Topberatungen und Spezialisten aus dem Mittelfeld holen auf

Die eigentlichen Gewinner der Rankingumfrage und Nutznießer der Grabenkämpfe der Klassen-Primusse sind jedoch ihre Wettbewerber im Mittelfeld. „So hat Bain bei dem wichtigsten Bewertungskriterium, der Fähigkeit das Betriebsergebnis bei den Kunden zu verbessern, enorm zugelegt.

Den Bainies gelang sogar in dieser Bewertungskategorie der beachtliche Sprung von Platz zehn auf Platz drei“, so Höselbarth. Bain-Deutschlandschef Rolf-Magnus Weddigen freut sich über das gute Abschneiden seiner Truppe und führt den Image-Aufstieg von Bain im deutschen Markt auf konstant harte Arbeit und zum Teil auch auf die Tatsache zurück, dass es seinem Haus in den letzten Jahren gelungen sei, so manchen Beratungsexperten von namhaften Wettbewerbern abzuwerben. „Wir schreiben bei Bain in Deutschland seit Jahren eine klare Wachstumsstory und gewinnen Marktanteile hinzu.“

Generell sind dem aktuellen Berater-Ranking zufolge die kleineren Beratungen auf dem aufsteigenden Ast. Das gilt vor allem für mittelständische Beratungshäuser wie den Pricing-Spezialisten Simon Kucher & Partners und den Experten für Unternehmenssteuerung und Controlling Horváth, die beide über ein sehr spitzes Markenprofil verfügen. Dahinter steckt der verständliche Wunsch auf Kundenseite für die Beratungshonorare auch erkennbare Ergebnisse zu erhalten.

„Die Unternehmen wollen weniger, aber dafür bessere Berater“, sagt Antonio Schnieder, Präsident des Bundesverbandes deutscher Unternehmensberater (BDU). „Sie achten noch mehr als früher darauf, dass die Beratungskosten nicht aus dem Ruder laufen, erwarten aber gleichzeitig von ihren Consultants, dass sie über profunde Erfahrungen in ihrer Branche und fundiertes Spezialwissen zugleich verfügen.“

Zudem steigt der Druck auf die Beratungshäuser, Strategien vor dem Hintergrund der globalen Gesamtentwicklung entwickeln und bewerten zu können. „Global vernetzt zu sein und auch über eigene Geschäftserfahrungen in den Wachstumsmärkten Asiens und Lateinamerikas zu verfügen, dieser Anforderung müssen sich auch kleinere Beratungshäuser früher oder später stellen, wollen sie langfristig im Markt Bestand haben“, urteilt Schnieder.

Beraterbranche rechnet auch 2012 mit einstelligem Wachstum

Und mit welchen Erwartungen gehen die Berater an das Jahr 2012 heran? Im Februar dieses Jahres prognostizierte der BDU der Beraterbranche noch einen Mehrumsatz von sieben Prozent. „Und wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir mit dieser Prognose richtig liegen“, urteilt Schnieder heute. „Auch wenn sich im letzten Quartal erste Bremsspuren bei den Auftragseingängen abgezeichnet haben. In 2012 werden wir wieder ein Wachstum im einstelligen Bereich in unserer Branche sehen.“

Für A.T. Kearney-Chef Martin Sonnenschein stehen im kommenden Jahr die nächste Stufe der Globalisierung sowie der Umbau der Finanzdienstleistungs- und Energiebranche ganz oben auf der Agenda. Die anhaltende Unruhe auf den Finanzmärkten wird für viele Unternehmen das Geschäft weiterhin schwer kalkulierbar machen und zu Herausforderungen in den Lieferketten führen. „Den weiter steigenden Kostendruck im Griff zu behalten und das Cash Management so zu gestalten, dass die Liquidität konstant gesichert bleibt, wird ebenfalls weiterhin höchste Priorität haben“, so Sonnenschein.

Bain-Chef Rolf-Magnus Weddigen sieht sogar so etwas wie eine neue Dekade der Strategie anbrechen: „Wir sprechen zurzeit mit unseren Kunden sehr viel über das Jahr 2020. Die Unternehmen wollen wissen, wohin sich Technik, Gesellschaft und Wirtschaft zukünftig entwickeln. Gerade weil es so viel schwerer geworden ist, die Entwicklung der nächsten sechs oder zwölf Monate einzuschätzen und die Firmen in Szenarien planen und denken müssen, haben Langfrist-Strategien wieder an Bedeutung gewonnen“.

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