Der Aderlass bei der Strategieberatung Roland Berger geht weiter. Nach Ralf Kalmbach, bisher Leiter des Berger-Autobranchen-Teams, dessen zum Jahresende geplanter Wechsel zu den Konkurrenten von A.T. Kearney erst vor wenigen Tagen bekannt wurde, verliert das deutsche Consulting-Unternehmen zwei weitere Führungskräfte an einen Mitbewerber. Beatrix Morath und Joost Geginat wechseln beide zu AlixPartners.
Der Abgang der beiden Seniorpartner ist für Berger ein weiterer schwerer Schlag: Beide gehörten bisher zum Berger-Führungsteam. Morath ist seit 2000 bei Berger und leitete seit 2011 die Schweizer Niederlassung.
Geginat war ebenfalls seit 2000 am Aufbau des Züricher Büros beteiligt und arbeitet derzeit noch in Singapur, wo er für die südostasiatischen Niederlassungen zuständig ist. Auch bei ihrem neuen Arbeitgeber übernehmen die beiden Ex-Berger-Berater Führungsaufgaben: Morath wird als Managing Director Chefin der des Alix-Teams in der Schweiz, Geginat soll das ebenfalls als Managing Director die Geschäftsbereiche Turnaround und Restrukturierung in Zürich leiten.
Welche Rolle(n) Berater heute spielen
In vielen Unternehmen ist das Branchen-Know-how und Erfahrungswissen vorhanden, um neue Lösungen zu finden. Es muss nur aus den Mitarbeitern herausgekitzelt werden. Als Moderator bereitet der Berater die wesentlichen Arbeitsschritte und Methoden hierfür vor, sorgt für eine strukturierte Diskussion, fördert neue Ansichten, gibt kollektivem Denken eine Struktur und entwickelt gemeinsam mit Management und Mitarbeitern neue Strategien, Organisationsmodelle und Prozesse. Ein guter Moderator ist Organisator, Didaktiker, Trainer, Coach und Sparringspartner des Topmanagements zugleich.
Bei der klassischen Form der Beratung kaufen Unternehmen Fach- und Erfahrungswissen ein, das im Unternehmen selbst nicht vorhanden ist. Seit den Anfängen der Strategieberatung á la McKinsey prägt die Expertenrolle das öffentliche Bild der Beraterbranche. Und so bieten noch heute praktisch alle Beratungsunternehmen diese Rolle an, sehr ausgeprägt auch bei Spezialistenboutiquen zu finden, die sich auf ein Fachgebiet (z.B. Einkauf oder Controlling) oder eine Branche (z.B. Finanzdienstleistung) fokussiert haben. Die Beratungsprojekte, in denen Experten gefragt sind, zeichnen sich durch längere Analyse- und Konzeptionsphasen aus. Denn hier kann der Experte mit seinem Fachwissen am meisten bewirken.
Bei besonders kniffligen und komplexen Fragestellungen erwarten die Kunden von Beratern wahre Starqualitäten. Der Vordenker muss entweder überragende intellektuelle Fähigkeiten mitbringen oder über langjährige Industrieerfahrung verfügen. In der Praxis wird zwischen so genannten Brain- und Grey-Hair-Projekten unterschieden. Bei Brain-Projekten ist die zu lösende Aufgabe neu und von großer Komplexität. Der Berater muss vor allem mit Kreativität, Innovation und Pionierleistungen bei neuen Ansätzen, Konzepten und Techniken aufwarten können. Bei Grey-Hair-Projekten sind dagegen kundenindividuelle Lösungen gefragt, die Aufgabenstellung ist jedoch meist im Grundsatz bekannt und Lösungsansätze können durchaus aus anderen Projekten übertragen werden. Die Kunden erwarten von Grey-Hair-Vordenkern nutzbare Erfahrungen und Vorwissen aus früheren Projekten sowie Urteilsvermögen. Bei Brain- wie bei Grey-Hair-Projekten sind Standardlösungen unakzeptabel. Hier zählt vor allem Seniorität und Spezialwissen.
Bei umfangreicheren Beratungsprojekten, die zum Beispiel in mehreren Ländern gleichzeitig stattfinden, übertragen Unternehmen die Projektkoordination und -steuerung gerne Beratungsdienstleistern. Der Projektmanager stellt sicher, dass die einzelnen Maßnahmen und Projektschritte termingerecht umgesetzt werden. Diese Rolle erfordert Organisationstalent und Methoden-Know-how.
"Umbauarbeiten" gehören heute in Unternehmen zum Tagesgeschäft. Beim Gros der Beratungsprojekte handelt es sich um sogenannte "Procedure-Projekte" – das heißt, dem Unternehmen ist das zu bearbeitende Problem gut bekannt, es hat aber selbst nicht genug Leute und häufig auch nicht das Know-how, um diese Umbauarbeiten aus eigener Kraft heraus zu stemmen. Bei IT- oder Transformationsprojekten liefern Berater wie z.B. Accenture, Capgemini, IBM oder BearingPoint Lösungen, die sie anschließend gemeinsam mit dem Kunden auch umsetzen.
Nach dem Hilfe-zur-Selbsthilfe-Prinzip schulen praxiserfahrene Spezialisten die Mitarbeiter des Kunden in Methoden- oder Fachtrainings, damit diese Aufgabenstellungen selber lösen und umsetzen können. Die Idee: Wenn die eigenen Mitarbeiter befähigt werden, Projekte umzusetzen, muss das Unternehmen künftig nicht mehr so viel Geld für Beratung ausgeben. Um anderen etwas beizubringen, braucht es Fachwissen, Empathie und didaktisches Geschick.
Der Berater stellt dem Unternehmen bereits entwickelte und in der Praxis getestete Methoden und Prozesslösungen – wie zum Beispiel Lean Management oder Six Sigma - zur Verfügung.
Diese Rolle beinhaltet hauptsächlich das Design und die Steuerung von Transformations- und Veränderungsprojekten. Der Berater bietet (verhältnismäßig) kleinen fachlich-inhaltlichen Input, er ist mehr Begleiter, Treiber, Controller, Anreger und Coach. Deshalb haben darauf spezialisierte Berater häufig auch keine explizite Branchen- oder fachliche Spezialisierung.
Der Berater verabschiedet sich von seiner Rolle als Berater und übernimmt als Senior Projektmanager selbst weitgehend die Führungs- und Umsetzungsfunktion. Interims-Manager sind bei der Überbrückung von Engpässen oder Umbruchsituationen gefragt. Diese Rolle übernehmen meist nur Berater, die vorher eigene Linienverantwortung in der Industrie gesammelt haben oder Ex-Linienmanager ohne explizite Beratungserfahrung.
Beim Management von Unternehmen werden datenanalytische Fähigkeiten immer wichtiger. Einige Beratungsunternehmen haben dazu eigene Teams im Angebot, die nur darauf spezialisiert sind, Daten zu erheben, zu analysieren und zu interpretieren, etwa um den Vertrieb zu verbessern und Kunden besser kennen lernen zu können.
Kunden fragen auch Beratung nach, um Entscheidungen oder Vorhaben zu legitimieren. Die Bestätigung der eigenen Meinung mittels einer neutralen Sichtweise kann der (fachlichen) Absicherung, der Entscheidungssicherheit, aber auch der Kommunikation dienen. Für die Legitimationsfunktion werden häufig die bekannten Brands herangezogen, aber auch externe Gutachter mit Spezialwissen können diese Rolle übernehmen.
Bevor Beatrix Morath ihre Beraterlaufbahn begann, arbeitete sie drei Jahre lang im Bereich Corporate Banking der Deutschen Bank, wo sie vor allem Unternehmen beim Turnaround begleitete. Sie hat an der Fachhochschule Pforzheim und an der Hanzehogeschool im niederländischen Groningen Betriebswirtschaft studiert. Geginat ist Mitglied im Aufsichtsrat der Europäischen Handelskammer in Singapur und hat einen Abschluss als Diplom-Kaufmann der Universität Köln und ein Master Degree der HEC in Paris.
Sowohl der Abgang von Morath und Geginat, als auch der von Kalmbach dürften mit dem bevorstehenden Chefwechsel bei Berger zusammenhängen: Die Berger-Partner treffen sich an diesem Wochenende in Frankfurt, einziger Kandidat für die Nachfolge des bisherigen Berger-Chefs Burkhard Schwenker ist der Franzose Charles-Édouard Bouée. Er gilt in der Partnerschaft als umstritten.