Unternehmenskrisen Ab Herbst mehr Notverkäufe und Restrukturierungsdeals

Folgen der Coronakrise: Experten erwarten, dass im Herbst die Insolvenzzahlen deutlich steigen werden, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet. Quelle: dpa

Die Coronakrise schlägt auf das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen durch. Transaktionen werden abmoderiert, Deals scheitern. Doch ein M&A-Segment kann vom Ausnahmezustand der Wirtschaft sogar profitieren, zeigt eine Studie.

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Die Coronakrise hat auch das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) infiziert. Statt andere Firmen zu kaufen oder mit ihnen zu fusionieren, haben die meisten Unternehmen jetzt andere Sorgen – und Investmentbanker und Berater in der Regel weniger zu tun. Einzige Ausnahme: Experten erwarten mehr Restrukturierungsdeals und Notverkäufe von Unternehmen, die sich in der Krise oder in Insolvenz befinden.

Das zeigt die „Covid-19-Studie distressed M&A“ des Beratungsunternehmens Falkensteg, die der WirtschaftsWoche vorliegt. „Wir haben die Antworten von 50 Experten ausgewertet, die vor allem mit Transaktionen im distressed-Markt zu tun haben“, sagt Falkensteg-Partner Johannes von Neumann-Cosel.

Schon ab Herbst könnte das Geschäft Fahrt aufnehmen. „Die von uns befragten Investoren gehen davon aus, dass im Herbst die Insolvenzzahlen deutlich steigen werden, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet“, so von Neumann-Cosel. Das ist bislang für Ende September geplant.

Bis dahin dürften viele Unternehmer hoffen, dass sich die Lage bessert, oder sie von Hilfsmaßnahmen profitieren – und trotz desolater Finanzlage zunächst auf einen Insolvenzantrag verzichten. Ändert sich das, dürfte auch die Zahl der Transaktionen deutlich steigen, „wovon die Investoren bereits mehrheitlich ausgehen“, sagt der Experte. Rund ein Drittel der befragten Investoren rechnet demnach damit, dass die Anzahl der distressed-Deals in diesem Jahr um mehr als 20 Prozent steigen wird. Ein weiteres Drittel erwartet eine Steigerung zwischen zehn und 20 Prozent. Nur acht Prozent gehen von einem sinkenden Niveau aus.

Laufende Verhandlungen im distressed-Segment wurden durch die Corona-Pandemie laut den Studienergebnissen nur in Einzelfällen gestoppt. Bei 38,7 Prozent der Umfrageteilnehmer laufen die Deals weiter, 40,5 Prozent haben ihre Transaktionspläne lediglich zurückgestellt. Risiken gebe es bei solchen Deals schließlich ohnehin, so von Neumann-Cosel. „Covid-19 verstärkt die Unwägbarkeiten und wirkt sich auf die Finanzierungen und Unternehmensbewertungen aus, hat aber in vergleichsweise wenigen Fällen wirklich zu einem Abbruch der Verhandlungen geführt.“

Tatsächlich versuchen sich Investoren vereinzelt über spezielle Vertragsklauseln in den Kaufverträgen vor möglichen Virus-Folgen abzusichern, verlangen aber offenbar vor allem Preisnachlässe. „Die Preise für angeschlagene Unternehmen sind extrem niedrig“, sagt von Neumann-Cosel. „Teilweise werden sogar Kaufpreiszahlungen über mehrere Jahre gestundet.“

Dies dürfte vor allem in Branchen gelten, die besonders stark unter den Corona-Auswirkungen leiden. Dazu gehören nach Ansicht der Investoren – wenig überraschend – die Gastronomie, Touristik, Luftfahrt und der Nonfood-Einzelhandel. Zudem sei die klassische Export-Industrie mit den Branchen Maschinenbau, Industriegüter und Automotive stark betroffen. Pharmazie, Gesundheitswesen, Lebensmittel- sowie Onlinehandel und Telekommunikation würden von der Pandemie dagegen kaum beeinflusst.

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