Unterschiede bei Pilotengehältern „An solche Gehälter kommt man zukünftig auch bei der Lufthansa nicht mehr heran“

Piloten verdienen ganz unterschiedlich. Eine wichtige Rolle spielt das sogenannte Senioritätsprinzip. Quelle: imago images

In letzter Minute haben sich Lufthansa und ihre Piloten geeinigt und einen Streik in dieser Woche abgewendet. Doch es drohen weitere Ausfälle, Unmut herrscht auch bei Konzerntochter Eurowings. Ein Gespräch über Pilotengehälter.

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WirtschaftsWoche: Herr Schmidt, Sie waren jahrzehntelang Flugkapitän auf einer Boeing 737 bei einer großen deutschen Fluggesellschaft. Was haben Sie zuletzt in Ihrer Funktion als Chefpilot verdient?
Markus Schmidt: Das verrate ich Ihnen an dieser Stelle nicht, aber ich habe dort in den Neunzigern als Co-Pilot angefangen und nach sechs Jahren wurde ich bereits Kapitän. Das ging damals wahnsinnig schnell. Mittlerweile wird man, wenn überhaupt, erst viel später Kapitän, weil viele Airlines die Zahl der Flugzeuge dezimiert haben und weil es im Laufe der Jahre auch einige Marktaustritte gegeben hat. Wir haben aber sehr gut verdient, soviel kann ich sagen. Aber die Situation war auch durch die Coronakrise zuletzt schwierig, es gab Gehaltskürzungen, Entlassungen und Flottenreduktionen. Ich selbst habe deshalb im vergangenen Jahr ein Freiwilligenprogramm meines Arbeitgebers angenommen und das Cockpit verlassen. Jetzt arbeite ich weiterhin als Sachverständiger und Fluglehrer auf dem Simulator und gebe mein Wissen und meine Erfahrung an die nächste Pilotengeneration weiter.

Zur Person

Pilotengehälter setzen sich komplex zusammen. Was sind die wichtigsten Faktoren?
Das ist richtig. Neben dem monatlichen Gehalt, das sich zusammensetzt aus Grundgehalt und steuerfreien Flugzulagen sowie Funktionszulagen für Ausbilder und Prüfer, zahlt der Arbeitgeber auch einen Beitrag in die Übergangsversorgung ein. Diese dient dazu, die Versorgungslücke zwischen gesetzlichem Renteneintritt und Beendigung der fliegerischen Tätigkeit auszugleichen. Heute darf ein Verkehrsflugzeugführer bis zum 65. Lebensjahr fliegen, vor einigen Jahren lag das gesetzliche Höchstalter bei 60 Jahren. Diese Lücke schließt die Übergangsversorgung und schützt den Piloten. In meinem Fall wären es seinerzeit 7 Jahre und 3 Monate gewesen, da ich meinen Rentenanspruch erst mit 67 Jahren erreiche. Diese Übergangsversorgung gibt es fast ausschließlich bei tarifierten Fluggesellschaften wie Lufthansa, Tuifly oder Condor und sie stellen einen enormen finanziellen Aufwand für die Fluggesellschaften dar. Insofern muss man sich beim Thema Pilotengehälter das Gesamtkonzept der jeweiligen Vergütung samt Rückstellungen anschauen. Sie steigt mit entsprechender Seniorität, also Firmenzugehörigkeit automatisch.

Sie sprechen es an: Häufig gilt das Senioritätsprinzip, es gibt große Unterschiede, welchen Rang man als Pilot hat.
Genau, der Unterschied, ob man als Co-Pilot oder Kapitän eingesetzt wird, ist enorm wichtig. Diese Begriffe bezeichnen nur die jeweilige Funktion im Cockpit. Grundsätzlich gilt: Co-Piloten haben ebenfalls die Verkehrsflugzeugführerlizenz und sind damit per se Piloten. Die größeren Airlines mit Senioritätsprinzip stellen im Endeffekt nur Co-Piloten ein. Letztere haben oft schon zwischen 500 und 1000 Stunden Flugerfahrung, manche fliegen bereits als Kapitäne bei kleineren Fluggesellschaften oder im Werksverkehr. Unabhängig von der fliegerischen Vorerfahrung reiht man sich bei tarifierten Fluggesellschaften am Ende der Senioritätsliste ein.

Und der Sprung vom Co-Piloten zum Kapitän ist ja auch je nach Airline sehr unterschiedlich.
Bei meinem alten Arbeitgeber wurde man beispielsweise zuletzt nach etwa 15 Jahren Verweildauer als Co-Pilot auf dem rechten Sitz Kapitän, bei Ryanair aufgrund des starken Flottenwachstums oftmals schon nach einigen wenigen Jahren. Deshalb unterscheiden sich die Gehälter für Kapitäne auch so stark. Wenn man bei einer Airline bereits 15 Jahre als Co-Pilot beschäftigt ist, muss das Anfangsgehalt als Kapitän natürlich entsprechend höher sein, als wenn man nach fünfjähriger Firmenzugehörigkeit bereits Kapitän wird. Deshalb sind die Anfangsgehälter bei Ryanair-Kapitänen im Vergleich deutlich geringer als bei Lufthansa-Kapitänen.

Vergangene Woche streikten die Lufthansa-Piloten, der jüngste Streik ist in einer Einigung in letzter Minute abgewendet worden. Die Gehaltsforderung von Vereinigung Cockpit, die der Konzern angenommen hat, lautet: 5,5 Prozent mehr Lohn. Außerdem fordert die VC einen Inflationsausgleich.
Den Piloten der Lufthansa und Lufthansa Cargo geht es dabei ja vor allem um die Perspektive ihrer zukünftigen Arbeitsplätze. Ihnen ist wichtig, dass die vertraglich vereinbarte Anzahl von Flugzeugen, die ausschließlich von Lufthansa-Personal geflogen werden dürfen, nicht reduziert wird – man spricht hier von 325 Flugzeugen. Die Piloten der Lufthansa, die im Besitz eines „gelben Firmenausweises“ sind, die also unter den Bedingungen des Konzerntarifvertrages (KTV) beschäftigt sind, erhalten ein sehr gutes Gesamtpaket aus Gehalt, Versorgungsleistungen und künftigen Rentenzahlungen. Wenn man über Pilotengehälter spricht, geht es deshalb auch um einen Punkt: ob man für die Lufthansa fliegt oder nicht. Denn wenn ja, ist die fliegerische Karriere vorgezeichnet: Man springt in der Senioritätsliste von Stufe zu Stufe und verdient jedes Jahr mehr, erst als Co-Pilot und später als Kapitän. Aber Lufthansa ist nicht gleich Lufthansa Group. Der Lufthansa-Konzerntarifvertrag gilt nur für die Piloten der Lufthansa und Lufthansa Cargo. Bei der Konzerntochter Eurowings verdienen Piloten etwa ein Drittel weniger als bei der Lufthansa Kernmarke, dann gibt es noch Eurowings Europe – da wird es dann nochmal deutlich weniger. Und daran sieht man auch die extreme Klassengesellschaft innerhalb der Lufthansa-Gruppe. Ich saß erst kürzlich mit einem pensionierten Lufthansa-Kapitän zusammen im Simulator. Seiner Aussage nach lag sein letztes jährliches Salär nach 38 Jahren Firmenzugehörigkeit inklusive Zulagen als Trainer und Prüfer bei 410.000 Euro. An solche Gehälter kommt man zukünftig natürlich auch bei der Lufthansa nicht mehr heran. Diese Zeiten sind für immer vorbei.

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Wie haben sich durch Sparmaßnahmen die Arbeitsbedingungen im Cockpit verändert?
Es gibt erstmal gesetzliche Vorgaben, die von der Europäischen Luftfahrtbehörde festgelegt und von den nationalen Behörden umgesetzt werden. Man kann in dem Zusammenhang nicht von Sparmaßnahmen sprechen, eher von der Optimierung bestehender Prozesse und der Verwendung neuer Technologien in Training und Ausbildung. Die Sicherheit steht bei allen Flugbetrieben immer an erster Stelle und ist nicht verhandelbar, aber die Rahmenbedingungen passen sich der neuen Realität an. Die Arbeitsbelastung außerhalb des Cockpits hat jedoch zugenommen, die Flugdienstzeiten, Bereitschaftszeiten und Ruhezeiten sind heutzutage anders ausgestaltet, die An- und Abreisen zum eigentlichen Dienstantritt am Flughafen sind beschwerlicher geworden. Kurz gesagt, die Zeit zum Regenerieren hat sich verringert und mit zunehmendem Alter steigt entsprechend die Belastung.

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