
Christian Brüggmann ist die gute Seele des Hamburger Taxigewerbes. Seit Jahren befördert der gelernte Bankkaufmann Fahrgäste in seinem beigefarbenen Mercedes und bewahrt Kollegen vor Dummheiten. Letztens wollte ein Bekannter, der bald 50 Jahre alt wird, einem Taxiunternehmer dessen Anteil an einer Hamburger Funkzentrale abkaufen, einer Genossenschaft. Damit hätte er von der Leitstelle Fahrgäste im gesamten Stadtgebiet zugewiesen bekommen.
Doch die Sache hatte einen Haken. Für den Anteil an der Funkzentrale wollte sein Besitzer sagenhafte 50.000 Euro. Und das, obwohl Lizenzen für Taxis in der Hansestadt unbegrenzt erhältlich sind und bei der Senatsverwaltung nur 300 Euro kosten.
In diesen Großstädten ist Taxifahren am teuersten
5 km: 13,60 Euro
10 km: 22,60 Euro
Quelle: WirtschaftsWoche/taxi-rechner.de
5 km: 12,70 Euro
10 km: 21,70 Euro
5 km: 12,00 Euro
10 km: 20,80 Euro
5 km: 12,50 Euro
10 km: 20,50 Euro
5 km: 11,60 Euro
10 km: 20,30 Euro
5 km: 12,20 Euro
10 km: 20,30 Euro
5 km: 12,00 Euro
10 km: 20,00 Euro
5 km: 12,40 Euro
10 km: 19,80 Euro
5 km: 11,50 Euro
10 km: 19,50 Euro
5 km: 10,60
10 km: 18,10
Kümmerer Brüggmann blieb nur, dem Bekannten abzuraten, ein so hohes Eintrittsgeld zu bezahlen, um an Fahrgäste zu kommen. Das sei eine „hochriskante Investition“. Um einen solchen Betrag von den Einnahmen abzweigen zu können, brauche ein einzelner Taxifahrer 20 bis 30 Jahre. Daraufhin gab der Bekannte den Wunsch auf. Denn als „Graupe“ wollte er sich nicht verdingen, wie in der Branche die armen Hunde heißen, die ohne Funk, auf gut Glück oder durch langes Warten am Halteplatz Fahrgäste ergattern müssen.
Grauer Taxi-Markt in Hamburg
Graumarkt nennen Ökonomen gemeinhin solche Gepflogenheiten, die ein Gut indirekt künstlich verknappen, dadurch dessen Preis nach oben treiben und so Marktteilnehmer vom Geschäft ausschließen. Und genau solch einen Graumarkt haben sich die alteingesessenen Taxiunternehmer in Hamburg geschaffen.
Wer in der Hansestadt etwa Mitglied bei der Funkgenossenschaft Hansa-Taxi werden will, die als Marktführer Beförderungsaufträge in Höhe von 70 Millionen Euro pro Jahr vermittelt, ein Drittel des Taxiumsatzes der Stadt, der hat nur eine Chance: Er muss einem der 430 Hansa-Taxiunternehmer dessen Anteil abkaufen. Eigentlich kostet der nominal nur ein paar Tausend Euro. Weil Hansa jedoch niemanden mehr zusätzlich aufnimmt, bewegt sich der Anteilspreis faktisch im dicken fünfstelligen Bereich – es lebe die geschlossene Gesellschaft.
Taxipreise weltweit
10 km: 25,39 Euro
10 km: 23,70 Euro
10 km: 22,25 Euro
10 km: 13,98 Euro
10 km: 12,20 Euro
10 km: 3,78 Euro
Der Hamburger Graumarkt ist nur einer von vielen Abgründen im deutschen Taxigewerbe. Was in der Hansestadt die Abwehr zusätzlicher Genossen, ist anderswo der Strohmann, der sich die Erlaubnis zur Beförderung per Droschke erschleicht, Lohndumping hinterm Steuer oder der Schwarzhandel mit Lizenzen, die es eigentlich für lau gibt, in Wirklichkeit aber zum Luxusgut und somit zum Eintrittsverbot für neue Wettbewerber pervertiert sind.
Angreifer Uber und Wundercar
Hielt das Gewerbe derlei bisher meist unter der Decke, zerren nun Angreifer wie Uber aus den USA oder Wundercar aus Hamburg die dunklen Praktiken ans Tageslicht. Seitdem die neue Konkurrenz auf dem Markt ist, werden die Stimmen lauter, die das verquaste Gewerbe liberalisieren wollen.
Vorschläge etwa der Monopolkommission liegen auf dem Tisch. Von einer kontrollierten Deregulierung, wie das Beratergremium der Bundesregierung sie empfiehlt, würden neue Anbieter, Kunden und Taxifahrer profitieren, sofern sie die Chancen der neuen Freiheit nutzen.

Grundlage für das unwürdige Geschacher im deutschen Taxigewerbe ist das Personenbeförderungsgesetz von 1961, das allen voran Uber auszuhebeln versucht, indem das Unternehmen nicht als Taxibetrieb auftritt, sondern nur als Vermittler, der sich dafür von den angeschlossenen Autofahrern bezahlen lässt. Auf diese Weise ignoriert Uber praktisch alle gültigen Regeln.
Taxiaristokraten
Die sollen eigentlich den Verbraucher schützen. So setzen die Kommunen in ihrem Einzugsgebiet einheitliche Tarife fest und schaffen so Markttransparenz. Sie verlangen Nachtfahrten, damit jedermann auch spät nach Hause kommt. Fahrer müssen einen sogenannten Personenbeförderungsschein vorweisen, der ihnen etwa Fahrtüchtigkeit bescheinigt. Und kein Taxifahrer darf die Beförderung eines Kunden ablehnen, so nah das Ziel und damit so unattraktiv für ihn die Fahrt auch sein mag.
Doch wie immer, wenn auf diese Weise gleichzeitig auch der Wettbewerb beschränkt wird, bleibt der Service hinter dem Möglichen, werden Vorschriften mit der Zeit umgangen, sind Preise und Gewinne nicht selten höher als bei der Konkurrenz, bringt es so manch alteingesessener Anbieter mithilfe der Paragrafen und anderer Tricks zum Taxiaristokraten.





Marktmacht der Vermittlungszentralen
In Hamburg etwa entscheiden die Vermittlungszentralen, die sich dank ihrer Exklusivität eine Marktmacht verschafft haben, über das Wohl und Wehe neuer Taxiunternehmer. So fahren Taxis mit Funk laut einer Studie der Hamburger Unternehmensberatung Linne+Krause knapp 17 Euro Einnahmen pro Stunde herein, die auf sich allein gestellten „Graupen“ dagegen zwölf Euro. Wer einmal Mitglied einer Funkzentrale ist, hat das große Los gezogen.
Das sei „ganz legal“, beschreibt Thomas Krause, Chef von Linne+Krause, die Methode. „Man kauft sich in ein etabliertes Marketingsystem ein“, so der Hamburger Berater, dahinter stecke dann „ein realer Geschäftswert“.
Doch die 17 Euro pro Stunde sind nur ein kleiner Ausschnitt der Realität. Trotz des Personenbeförderungsgesetzes und vorgeschriebener Tarife hat sich im Taxigewerbe ein Schattenreich des Elends und des Unlauteren etabliert, das der Kunde, der sich auf dem bequemen Rücksitz ans Ziel kutschieren lässt, allenfalls erahnt.
Das zeigen Erkenntnisse, zu denen Experte Krause gelangt ist, indem er im Auftrag von Kommunen die wirtschaftliche Situation der Taxibetriebe überprüfte, die per Gesetz zur Herausgabe ihrer Bilanzen verpflichtet sind.