US-Airlines Die Musterschüler verfallen dem Laster

Lange schienen American, Delta und United immun gegen das Auf und Ab der Branche. Doch die Bilanzen zeigen: Weil die US-Größen in alte Schwächen zurückfallen, trifft die beginnende Krise auch sie – vorübergehend.

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Southwest-, United- und American-Airlines. Quelle: imago images

Die großen US-Fluglinien hatten dem Rest der Branche in den vergangenen Jahren immer zwei Dinge voraus. American Airlines, Delta, United oder Southwest präsentieren mit als erste Unternehmen bereits ab Mitte Januar ihre Bilanzen für das gerade beendete Jahr. Und die Zahlen zeigten seit der Finanzkrise 2008 – anders als im Rest der Flugbranche – fast immer nach oben. „In Sachen Profitabilität haben die US-Linien fast alle anderen außer Ryanair geschlagen“, stöhnt ein Vorstand einer EU-Linie. „Und das wurde uns dann von Investoren immer unter die Nase gehalten.“

In diesem Jahr gibt es zumindest bei der zweiten Sache eine Veränderung: Nachdem United und Delta ihre Ergebnisse für 2016 bereits in der vergangenen Woche vorgelegt haben, steht bereits vor den Bilanzen von Billigflug-Primus Southwest am Donnerstag und Marktführer American am Freitag fest: Die beginnende Krise der Flugbranche trifft auch die US-Linien.

United und Delta verkündeten bereits ein Umsatzminus von rund drei Prozent und einen Gewinnrückgang von rund zehn Prozent. Und von Southwest und vor allem von American erwarten Analysten wie Jamie Baker von der US-Investmentbank JP Morgan ähnliche Zahlen. Damit verdienen die großen Vier kaum noch mehr als ihre europäischen Wettbewerber – statt wie früher teilweise doppelt so viel. Das ist zwar immer noch besser als die Golflinien wie Etihad oder Emirates, die erstmals Mitarbeiter entlassen müssen. „Aber es ist ein Krisenzeichen“, sagt Thomas Jaeger, Chef des auf die Flugbranche spezialisierten Datendienstes Ch-Aviation aus dem schweizerischen Chur.

Grund für den Abschwung ist, dass die US-Linien den Pfad der fliegerischen Tugend verlassen haben. Die wichtigste Grundlage des US-Erfolgs war die Konsolidierung. Bis zum Jahr 2000 gab es noch rund ein Dutzend größere Fluggesellschaften in den USA. Und keine von ihnen hatte mehr als zehn Prozent Marktanteil am amerikanischen Flugverkehr. Als die Branche nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in eine tiefe Krise rutschte und einigen die Pleite drohte, sanierten sie sich alle nach demselben Dreisprung:

  • Zuerst entledigten sie sich in Gläubigerschutzverfahren geschickt vieler Altlasten: Teure Tarifverträge kündigten sie, Schulden wurden gestrichen und Leasingverträge für Flugzeuge annulliert. Das US-Recht machte es möglich.
  • Danach schluckten alle, inklusive Southwest Airlines, bis zu drei Konkurrenten. Das Ergebnis: Heute haben die vier größten Fluglinien in den USA einen Marktanteil von 82 Prozent. Dagegen hat Europas Top vier gerade mal 46 Prozent inne.
  • Dann nutzten die mächtiger gewordenen Airlines konsequent ihre Marktmacht und die Größenvorteile in Vertrieb und im Betrieb, um die Ausgaben für Reisebürovertriebsgebühren oder die Landekosten an Flughäfen zu senken. Gleichzeitig setzten sie den Rotstift beim Service an. Personal in Verwaltung und Kundendienst strichen sie um bis zu ein Drittel.

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In dem Rahmen näherten sich die bis dahin „Voll-Service“ genannten Linien den Billigfliegern an. Sie ersannen jede Menge – vornehm Ancillaries genannte – Extragebühren. Aufgegebenes Gepäck kostete nun Geld, die kostenlose Verpflegung an Bord wurde gestrichen und Investitionen in besseren Service wie neue Sitze beschränkten sie auf das Allernötigste. Und weil die Kundschaft keine Alternative hatte, musste sie das akzeptieren.

In einem weiteren Schritt bauten die Linien ihre Netze um. Sie stellten viele Flüge ein und halbierten die Zahl ihrer Drehkreuze. Stattdessen stopften sie immer mehr Kunden in immer größere Flugzeuge. Die fliegen pro Kunde deutlich günstiger und erlauben Kampfpreise, falls sich wider Erwarten doch mal ein neuer Wettbewerber wie etwa der Edelbilligflieger JetBlue aus New York oder Virgin America aus San Francisco mit allzu viel Innovation auf den Markt wagt. Damit stiegen am Ende anders als im Rest der Welt die Einnahmen. Inzwischen nehmen die US-Größen bis zu 20 Prozent mehr ein als Europäer, wenn sie einen Passagier einen Kilometer weit fliegen.

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Finanziell hat sich das gelohnt. Statt Verlusten verbuchten sie nun deutlich mehr als zehn Prozent vom Umsatz als Gewinn. Zuvor schaffte das weltweit nur ein Unternehmen regelmäßig: Irlands Billigflieger Ryanair.

Doch der Erfolg förderte die alten Laster der Branche.

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