US-Strafzölle Wie deutsche Unternehmen Trumps Handelskrieg ausweichen

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"Vertrieb und Zoll waren natürliche Feinde"

Ganz am Anfang dieses Weges stehen die Unternehmer, die sich an einem sonnigen Märztag im Terrassensaal der IHK Mönchengladbach versammelt haben. „Zoll für Manager“ heißt die Veranstaltung, und mit knapp 30 Leuten ist der Raum voll besetzt. Vorn sitzen zwei ehemalige Zöllner, die heute ihr Geld bei einer dieser amerikanischen Beratungsgesellschaften verdienen, die gegen nicht unerhebliche Honorare von Unternehmenssteuern bis zu Personalkosten fast alles optimieren. Den Leuten hier wollen sie erklären, wie sie den Status als „zugelassener Wirtschaftsbeteiligter“ bekommen. Als solche kämen sie schneller und günstiger durch den Zoll. Aber die Berater müssen dann doch ein paar Schritte weiter vorne anfangen. „Sie sprechen hier immer von Zollbeauftragten“, meldet sich eine Unternehmerin der zupackenden Sorte zu Wort. „Aber wer soll das in einem kleinen Unternehmen bitte sein, wo es unter dem Chef keine Führungskräfte gibt?“ Das, sagt die höfliche Exbeamtin, sei tatsächlich eine „unglückliche Situation“.

"Zoll ist toll"

Jahrzehntelang spielten Zölle in Unternehmen eine ähnliche Rolle wie Frost am Bau. Verteuert und verzögert das Geschäft, lässt sich aber nicht vermeiden. „Traditionell“, sagt die Zollberaterin, „waren der Vertrieb und der Zoll die natürlichen Feinde.“ Doch mit jeder Zollunion wuchs der globale Handel, mit jedem Freihandelsabkommen Fabriken in neuen Ländern. Und jedes Mal wurde auch das internationale Zollrecht ein bisschen komplizierter – was bedeutet, dass es mehr Spielräume gibt.

Viel zu verzollen: Lkw-Fahrer, die sich erst im Hamburger Hafen zur Verzollung anmelden, müssen oft lange warten. Quelle: Michael Rathmayr für WirtschaftsWoche

Spielräume. Eben da beginnt für Thomas Gau das Geschäft. Wer ihm zuhört, der merkt sofort, dass die Zeiten, in denen Vertrieb und Zoll Feinde waren, lange her sein müssen. Sein Wahlspruch, erläutert Gau ohne den Anflug von Ironie, laute „Zoll ist toll“. Beim internationalen Logistikdienstleister Hermes verantwortet er die Sparte Supply Chain Solutions, darf sich Head of Customs Solutions nennen, was nichts anderes bedeutet, als dass Gau in den vergangenen Jahren ein völlig neues Geschäftsfeld erschlossen hat. Jahrelang hatte das Unternehmen selbst Zollberater engagiert. Irgendwann, sagt Gau, habe man sich gedacht: Warum machen wir das nicht selbst – und bieten es auch den Kunden an? Und so fährt Gau seit zwei Jahren durch die Lande, immer eine „sales lead“ in der Tasche: eine Idee, wo man Zölle sparen könnte. Verraten kann er die nicht, nur so viel: „Aktive Veredelung ist eine wichtige Methoden, um Zollkosten zu optimieren“, das sei ein echter „Moneymaker“.

Wenn man ihm zuhört, klingt es, als wäre Zollrecht ein bisschen so wie Schach: wenige klare Regeln und unendliche Möglichkeiten. Zunächst ist die Sache so eindeutig, wie Trump sie jetzt darstellt. Wer Stahl in die USA einführt, der zahlt dafür den festgesetzten Zoll. In der Summe der realen Wirtschaftstransaktionen aber sind diese Fälle in der Minderheit. Die meisten gehandelten Waren sind Vorprodukte, also Güter, die später noch zu etwas anderem verarbeitet werden. Das aber bedeutet: Wenn ein Unternehmen eine Ware in ein Land einführt, dann will es keineswegs exakt diese Ware später auch verkaufen oder unverändert in ein anderes Land exportieren. Und hier kommt die aktive Veredelung ins Spiel.

„Grundsätzlich gilt im Zollrecht: Je weiter eine Ware verarbeitet ist, desto höher ist der Zollsatz“, sagt Marian Niestedt, Zollrechtsexperte bei der Kanzlei Graf von Westphalen. So wollen es die Staaten der heimischen Wirtschaft erleichtern, sich mit Rohstoffen einzudecken und die Produktion im Land anzusiedeln. Und genau diesen Wunsch nutzt Hermes-Mann Gau, um aus einem Zoll einen Moneymaker zu machen. Dabei geht es darum, Gütern zu einem sogenannten „Tarifsprung“ zu verhelfen. Ein importiertes Gut, das danach wieder exportiert werden soll, muss so weit bearbeitet werden, dass es zollrechtlich in eine neue Kategorie fällt. Wenn also zum Beispiel aus Zucker und Früchten Marmelade wird, entfallen die Importzölle für die Vorprodukte. Je besser Unternehmen diese Tarifsprünge kennen und je mehr Schritte die internationale Lieferkette des Unternehmens hat, desto besser geht das. Wenn es dann noch Freihandelsabkommen gebe, die man nutzen könne, ließe sich für fast jedes Produkt eine zollrechtlich günstige Lösung finden. „Gerade die Vorteile von Ursprungsregeln bleiben leider oft ungenutzt.“

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