Der Gruß aus der Küche kommt in einer flachen, runden Metalldose: Gurken-Tapioka mit Olivenöl-Schaum und Radieschen. Bitte was? Die Bedienung wiederholt geduldig und erklärt, dass die hellgrünen Perlen aus der geschmacksneutralen Stärke Tapioka und Gurken-Dill-Püree bestehen und das Olivenöl mit Reis- und Hafermilch im Sahnebläser aufgeschäumt wurde.
Klingt ungewohnt, schmeckt aber tatsächlich. Und macht Spaß: Die glänzenden Kügelchen zerplatzen im Mund wie ein zu groß geratenes Kaviarei. Das frische Gurkenaroma vermischt sich mit dem sämigen Olivenölschaum, die feingehobelten Radieschen sorgen für knackige Konsistenz, leichte Schärfe und einen hübschen optischen Kontrast.
Der Schöpfer ist jedenfalls stolz auf seine Kreation. „Wenn man so will, ist das eine neue Form von Gurkensalat“, sagt der Küchenchef im Tian. Das Restaurant eröffnete im Herbst 2014 direkt am Münchner Viktualienmarkt – mit einer Besonderheit: Auf der Karte fehlt sowohl Fisch als auch Fleisch. Insofern ist es eine hübsche Pointe, dass der Küchenchef Christoph Mezger heißt.
An einem Dienstagabend im Februar ist das 75-Plätze-Lokal ausgebucht, obwohl ein Dinner für zwei schnell über 100 Euro kostet. Die Tische sind weiß eingedeckt, Stühle und Sitzbänke in der Modefarbe Greige bezogen – eine Mischung aus Grau und Beige –, die Gläser von der österreichischen Edelmarke Artner.
Hier werden Sie fleischlos glücklich: 5 vegetarische Restaurant-Tipps
Die Spezialität des Restaurants: pochiertes und gebackenes Ei mit Spargel-Morchelragout und Kartoffel-Bärlauchpüree.
Die Spezialität des Restaurants: vegetarischer Kaviar und Ricotta.
Spezialität des Restaurants: Blumenkohlmousse, Granatapfel-Gel und -Gelée mit Morcheln und Kräuter-Asche.
Spezialität des Restaurants: "O mio caro pianeta" (Gemüse-Foie Gras mit gegrilltem Apfel und Apfel-Chutney)
Spezialität des Restaurants: "Whipped Jacket Potato and Crispy Onions" (Püree aus Ofenkartoffeln mit knusprigen Zwiebeln und Tomatensirup)
Auch Tofu und Linsencurry sucht man vergeblich. Die Speisekarte orientiert sich vielmehr an der rätselhaften Sprache der Gourmetgastronomie: „Chicorée/Buttermilch/Kräuter/Cashewkerne“ wird als halbierte und gebratene Chicorée-Knospe mit samtiger Buttermilch-Sauce unter kunstvoll aufgetürmten Blättern und ein paar grob gehackten Cashewkernen serviert. Bei „Steckrübe/Wirsing/Sellerie/Trüffeljus“ handelt es sich um gehobelte Steckrüben, die mit einer Kartoffel-Ei-Masse zu einem Teig geknetet und in Scheiben gebraten werden. Dazu: Sahnewirsing, ein frittiertes Wirsingblatt, würziger Sellerie-Chutney und eine mit Trüffel abgeschmeckte Gemüsereduktion.
Bevor er ins Tian kam, war Mezger im Sternerestaurant Schuhbecks Südtiroler Stuben in München tätig. Was allerdings bei dem Promikoch eine Nebenrolle spielte, steht jetzt im Vordergrund: Paprika, Petersilienwurzeln, Perlgraupen. „Das ist schon eine Herausforderung“, sagt Mezger, „man muss sich komplett neu erfinden.“ Im renommierten Restaurantführer Gault Millau ist er immerhin schon bei 14 von maximal 20 Punkten und einer Haube angekommen.
Spätestens seit McDonald’s vor gut 15 Jahren den Veggie Burger erfand, ist die gerne als Körnerkost spleeniger Intellektueller und Weltverbesserer belächelte fleischlose Küche in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und inzwischen sogar im „fine dining“-Bereich: Starköche wie Eckart Witzigmann oder Tim Mälzer brachten Gemüsekochbücher auf den Markt, bei Tim Raue in Berlin (zwei Michelin-Sterne) oder in Harald Wohlfahrts Schwarzwaldstube (drei Michelin-Sterne) gibt es neben vier-, sechs- oder achtgängigen Degustation-Menüs mit den Bestsellern des Hauses ebenfalls vegetarische Optionen.