Verdorbene Kalkulation Diese Gefahren drohen aus der Kantinen-Küche

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Von Pferdelasagne und Ehec-Sprossen
2016: Plastik im SchokomantelAbermillionen Schokoriegel müssen in die Werkstatt – sozusagen. Nachdem eine Kundin in einem Marsriegel auf ein Stück Plastik gebissen hat, hat der Hersteller mit einer gigantischen Rückruf-Aktion begonnen. Sie gilt mittlerweile für alle Staaten der Europäischen Union, mit Ausnahme von Bulgarien und Luxemburg. Betroffen sind Riegel der Marken Mars und Snickers mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum vom 19. Juni 2016 bis 8. Januar 2017 zurück; zudem alle Produkte der Marke Milky Way Minis und Miniatures sowie mehrere Celebrations-Mischungen mit diesem Mindesthaltbarkeitsdatum. Quelle: dpa
2016: Glyphosat und Malz, Gott erhalt'sPro Jahr konsumiert ein Deutscher durchschnittlich 107 Liter Bier. Und damit nicht nur, streng nach dem deutschen Reinheitsgebot, Wasser, Hopfen, Hefe und Malz, sondern auch noch eine gerüttelte Menge Glyphosat – das weltweit meist eingesetzte Pestizid. In deutschen Bieren wurden Mikrogrammwerte deutlich über den Grenzwerten für Trinkwasser gemessen, im krassesten Fall 300-fach über dem Grenzwert. Direkte Gefahr für die Gesundheit besteht allerdings nicht. Quelle: dpa
2014: Dänischer Wurstskandal erreicht DeutschlandIn Dänemark stellte sich 2014 heraus, dass Produkte des Wurstherstellers Jørn A. Rullepølser mit Listerien-Bakterien verseucht waren. Listerien sind für gesunde Menschen in aller Regel ungefährlich, allerdings ein Risiko für immungeschwächte Personen und schwangere Frauen. In Dänemark starben innerhalb von 30 Tagen zwölf Menschen, 15 weitere erkrankten. Der Betrieb wurde geschlossen, die Produkte zurückgerufen. 160 Kilogramm waren auch an einen deutschen Supermarkt in Schleswig-Holstein an der dänischen Grenze gegangen – sie waren bereits verkauft, bevor sie sichergestellt worden konnten. Verbraucher wurden gebeten, die Wurst zu vernichten oder zurückzugeben. Quelle: dpa
2014: Käse mit ColiDas Unternehmen Vallée-Verte rief die zwei Käsesorten „Saint Marcellin“ und „Saint Felicien“ zurück. In den Produkten der französischen Käserei Fromageries L'Etoile wurden Coli-Bakterien nachgewiesen. Diese können innerhalb einer Woche nach Verzehr zu teils blutigem Durchfall, Bauchschmerzen, Erbrechen sowie Fieber führen. Gerade bei Kindern besteht außerdem die Gefahr von Nierenkomplikationen. Quelle: dpa
2014: Von wegen Edel-Hähnchen2014 deckte die „Zeit“ auf: Das Neuland-Gütesiegel, gegründet vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem deutschen Tierschutzbund und der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, als ganz besonderes Qualitätssiegel hielt bei Brathühnchen nicht so ganz, was es versprach. Eigentlich sollten Neulandtiere aus Freilandhaltung stammen, gefüttert mit Körnern aus der Region. Tatsächlich stammen in Norddeutschland viele Tiere aus einem ganz gewöhnlichen industriellen Schlachtbetrieb in Niedersachsen. Quelle: dpa
2013: Pferd in der LasagneZusammen mit der Ehec-Epidemie wohl der aufsehenerregendste Lebensmittel-Skandal der vergangenen Jahre: 2013 stellte sich heraus, das Rindfleisch in mehreren Fertiglasagnen aus der Tiefkühlung war eigentlich Pferd. Im Anschluss wurden in Labortests rund 70 Fälle von falsch etikettierten Fertigprodukten nachgewiesen. Die größte Menge an Pferdelasagne gab es in Nordrhein-Westfalen mit 27 Fällen, gefolgt von Hessen (13), Baden-Württemberg (8) und Bayern (8). Weitere betroffene Länder waren Mecklenburg-Vorpommern (5), Brandenburg (4) und Hamburg (2). Quelle: REUTERS
2013: Noch mehr PferdBegonnen hatte der Skandal in Irland und Großbritannien, wo bereits im Januar Hamburger-Frikadellen auftauchten, die Spuren von Pferd enthielten. Bei Hamburgern der Marke Tesco waren es sogar deutlich mehr als nur „Spuren“: Sie bestanden zu 23 Prozent aus Pferdefleisch. Die Tiefkühl-Hackbällchen „Köttbullar“ der Möbelhaus-Kette Ikea in tschechischen Häusern enthielten ebenfalls Pferd und flogen daraufhin aus dem Sortiment – zum Ausgleich landete in schwedischen Tiefkühlregalen Lasagne mit einem Pferdefleischanteil von bis zu 100 Prozent. In ganz Europa wurden schließlich Händler festgenommen, die falsch deklariertes Fleisch verkauften. Quelle: dpa

Vergrößert wird die Gefahr, dass keimhaltiges Essen serviert wird, durch lückenhafte Gesundheitsvorschriften. Während bei Obst und Gemüse die Herkunft angegeben werden muss, fehlt diese Pflicht bei anderen Lebensmitteln. „Oft wissen die Betreiber gar nicht, woher die Ware und die Zutaten ursprünglich stammen“, sagt Günther Lehmann, Geschäftsführer des gleichnamigen Cateringbetriebs aus Bonn.

Im Fall der tiefgefrorenen Erdbeeren bei Sodexo dauerte es Tage, bis klar war, dass die Ware aus China angeliefert wurde. „Gerade bei Tiefkühlprodukten muss die Herkunft nicht angegeben werden“, sagt der Ernährungswissenschaftler Volker Peinelt von der Hochschule Niederrhein.

Die größten Cateringunternehmen in Deutschland 2011

Caterer Lehmann, der auf Schulspeisen spezialisiert ist, weiß zumindest bei vielen frischen Zutaten, woher diese stammen. Jeden Morgen ab fünf Uhr klappert er mit seinem VW Transporter die Bauern im Bonner Umland ab und lädt Salat, Kartoffeln und Obst in den Kofferraum, die seine Köche am Vormittag verarbeiten. Insgesamt liefert Lehmann täglich etwa 5500 Essen an etwa 70 Schulen in der Region.

Die großen Kantinenbetreiber in Deutschland – dazu zählen neben Compass und Sodexo noch der US-Konzern Aramark und der Berliner Dienstleister Dussmann – beschränken sich auf allgemeine Auskünfte, wenn es um die Herkunft ihrer Lebensmittel geht. „Wir haben die Herkunft der Lebensmittel und die Sicherheit in der gesamten Nahrungskette jederzeit im Blick“, heißt es etwa in einer Stellungnahme von Dussmann. Konkreter äußert sich Compass. „Bei den frischen Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse sind die Produzenten direkt auf der Verpackung ersichtlich. Bei bereits verarbeiteten » » Produkten wie Räucherlachs können wir beispielsweise über den Hersteller zusammen mit der Produktnummer das Fanggebiet ermitteln“, so Qualitätsmanager Brück.

Insgesamt erwirtschaftete die Cateringbranche im vergangenen Jahr einen Umsatz von drei Milliarden Euro; knapp die Hälfte davon entfällt auf die Branchenführer Sodexo, Compass und Aramark. Die meisten Unternehmen können sich über ordentliche Wachstumsraten freuen – die gute Konjunktur hat für mehr zahlende Gäste gesorgt. Bei den Gewinnen sieht es aber bescheidener aus. Die meisten Caterer veröffentlichen dazu keine Zahlen; neben dem Kantinengeschäft bieten sie oft noch andere Servicedienstleistungen an.

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