Vernichtung von Rücksendungen Darum schmeißen Händler Waren lieber weg, als sie zu spenden

Onlinehändler wie Amazon und Otto wehren sich gegen das geplante Retourenvernichtungsverbot. Quelle: dpa

Onlinehändler wie Amazon und Otto kritisieren das geplante Retourenvernichtungsverbot. Das Problem sei „überschaubar“. Doch das Ministerium will auch die Vernichtung von unverkaufter Lagerware beschränken.

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Die größten deutschen Onlinehändler kritisieren das vom Umweltministerium geplante Retourenvernichtungsverbot. „Uns verwundert, mit welcher Inbrunst Politiker Regulierungs- oder gar Verbotsbedarf reklamieren, obwohl das zugrunde liegende Problem aus unserer Sicht überschaubar ist und auch nicht größer wird“, erklärte ein Sprecher der Hamburger Otto-Gruppe gegenüber der WirtschaftsWoche.

Das Bundesumweltministerium will demnächst einen Gesetzesentwurf vorstellen, der die Vernichtung von Neuwaren regeln soll. Das Umweltministerium wolle einen Rahmen schaffen, um „rechtlich gegen die unmittelbare Vernichtung von Retouren oder sonstiger Neuwaren vorgehen zu können“, teilte das Ministerium mit. Zuvor hatten die Grünen ein Vernichtungsverbot von Retouren gefordert.

Vergangenes Jahr hatten Recherchen der WirtschaftsWoche und des ZDF-Magazins „Frontal 21“ aufgedeckt, dass Amazon, aber auch Modehändler neuwertige Produkte ausrangieren und vernichten. Darunter auch nagelneue Ware. Seitdem wird in der Branche und in der Politik über den Umgang mit Retouren und überschüssiger Ware hitzig debattiert.

Doch bisher sind nur wenige Onlinehändler zu Transparenz bereit. Die WirtschaftsWoche fragte die zehn größten Onlinehändler in Deutschland zu ihrem Umgang mit Retouren und der Vernichtung von neuwertigen Artikeln an. Die Elektronik- und Computerhändler Notebooksbilliger.de, Conrad und Alternate antworteten bislang überhaupt nicht auf die Fragen der WirtschaftsWoche.

Andere Onlinehändler erklärten, das Problem sei überschaubar. So teilte die Otto Gruppe mit, bei seinen Onlineshops läge die Quote von beschädigten und nicht mehr zu verkaufenden Produkten bei weniger als 0,5 Prozent. „Diese Produkte werden dann in der Regel einer energetischen Verwertung zugeführt“, sagte ein Sprecher.

Der Modehändler Zalando würde nur in Ausnahmefällen Produkte vernichten, etwa bei Schädlingsbefall oder Schadstoffbelastungen. „Dies betrifft etwa 0,05 Prozent der Artikel“, sagt eine Sprecherin. „Der Großteil unserer Kunden sendet Artikel in einwandfreiem Zustand zurück, sodass circa 97 Prozent aller retournierten Artikel nach Prüfung wieder über den Zalando Shop verkauft werden können“, teilt das Unternehmen mit. Auch Artikel, bei denen kleinere Mängel gebe oder zum Beispiel ein Knopf fehle, verkaufe Zalando noch in den Zalando Outlets weiter.

Auch der Elektrohändler Cyberport verkauft Retouren mit Rabatt über eigene Outletshops. Defekte Geräte, bei denen die Reparatur unwirtschaftlich ist, würden „nicht vernichtet, sondern als Posten an industrielle Verwerter weiterverkauft“.

Alle Händler erklären, man arbeite mit Hochdruck an der Vermeidung von Retouren. Daran habe man schon aus „rein wirtschaftlichen Gründen“ ein hohes Interesse, sagte ein Sprecher der Otto-Gruppe.

Die umsatzstärksten Onlineshops in Deutschland

Allerdings sind die Retouren auch nur ein Teil des Problems. Oft ist es Ware aus den Lagern, die sich nicht verkauft und deshalb irgendwann entsorgt wird. Insbesondere bei Plattformbetreibern wie Amazon gilt das als großes Problem. Asiatische Händler, die ihre Produkte bei Amazon verkaufen, haben kein Interesse daran, unverkaufte Waren zurückzunehmen. Für sie ist die Entsorgung die günstigste Option. Doch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung will auch die Vernichtung solcher Lagerwaren künftig stärker reglementieren. Das dürfte die Onlinehändler wesentlich empfindlicher treffen als ein Vernichtungsverbot für Retouren.

Doch spenden will kaum ein Onlinehändler seine nichtverkauften Waren oder Rücksendungen. Von allen zehn befragten Unternehmen teilte lediglich Amazon mit, Waren an gemeinnützige Organisationen zu geben. Auf solche Sachspenden müssen Unternehmen Umsatzsteuer zahlen. „Daher ist es für Unternehmen wirtschaftlich wenig sinnvoll, Waren zu spenden“, teilte Amazon mit. „Wenn Amazon eigene Produkte spendet, kommt das Unternehmen gegenüber den deutschen Steuerbehörden für die Mehrwertsteuer auf.“ Diese Steuerregelung wollen Bundesumweltministerium und Bundesfinanzministerium nun überprüfen.

Hier zerstört Amazon seine Waren
Bereit für den Schredder: In dutzenden gelben Transportkisten, ordentlich gestapelt auf Holzpaletten, werden in diesem Amazon-Lager Spielzeug und Technik gelagert. Sie sind für die Zerstörung vorgesehen. Recherchen von WirtschaftsWoche und Frontal21 zeigen, dass der Online-Händler massenhaft Retouren und Neuware vernichtet.Einblicke in das System: Warum Amazon im großen Stil Waren zerstört, lesen Sie in der großen WirtschaftsWoche-Geschichte.
Produkte, die im Bereich mit „Destroy“-Schildern landen, stehen unmittelbar vor der Zerstörung.
Entweder werden sie auf Paletten gesammelt und von Entsorgungsunternehmen abgeholt - oder gleich vor Ort in gigantische Pressen geworfen.
„Presse auf, Ware rein, Presse zu. Das ist ganz einfach“, sagt ein Augenzeuge zum Vorgang.
Soda-Streamer, Parfüm, Waschmittel: Im Onlinehandel werden tonnenweise Retouren und sogar neuwertige Produkte zerstört.
Auch Kleidung ist davor nicht sicher.
„Jeden Tag habe ich Waren im Wert von rund 23 000 Euro vernichtet“, sagt eine Amazon-Mitarbeiterin.Einblicke in das System: Warum Amazon im großen Stil Waren zerstört, lesen Sie in der großen WirtschaftsWoche-Geschichte.
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