Verspätungen und Flugausfälle Kann Brussels Airlines Eurowings wieder auf Kurs bringen?

Ab 2019 organisiert die belgische Airline Brussels Langstreckenflüge der Lufthansa-Billigtochter Eurowings. Quelle: dpa

Eurowings will die Konkurrenz auf der Langstrecke angreifen. Brussels Airlines soll das Geschäft steuern. Experten sind skeptisch, ob das gelingt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Wolfgang Grupp fliegt nun lieber mit seinem Helikopter durch die Republik. In Flugzeuge von Eurowings will er jedenfalls nicht mehr einsteigen, hat der Geschäftsführer des Textilunternehmens Trigema in einem Brief an den Lufthansa-Aufsichtsrat mittgeteilt. Der Grund für Grupps Verärgerung: Er kam zu einem Vortrag zu spät, weil sein erster Eurowings-Flug ausfiel und der zweite verspätet war.

Nicht jeder hat genug Geld und das passende Fluggerät, um dem Chaos am europäischen Himmel zu entfliehen. Passagiere leiden seit Monaten unter Flugausfällen und massiven Verspätungen. Knapp ein Jahr nach der Insolvenz von Air Berlin klemmt es im Flugplan vieler Airlines – insbesondere in dem von Eurowings.

Auf der Langstrecke soll das demnächst besser werden. Das ist zumindest der Plan der Lufthansa-Tochter. Ab 2019 wird Brussels Airlines das gesamte Langstrecken-Geschäft von Eurowings steuern. Lufthansa hatte schon vor längerem entschieden, Brussels in die konzerneigene Billigmarke zu integrieren.

Jahrzehnte Langstreckenerfahrung

Thomas Jaeger, Chef des Schweizer Datenanalysten CH-Aviation, hält die stärke Einbindung der belgischen Airline für einen guten Schritt. „Brussels hat auf der Langstrecke jahrzehntelange Erfahrungen.“ Davon könne Eurowings beim Ausbau seines Langstreckengeschäfts profitieren. „Es ist gut, dass Eurowings auf eine solide Einheit setzt, statt unüberlegt und schnell eine eigene Langstreckenbasis aufzubauen“, sagt Jaeger.

In Brüssel werden zukünftig die Strecken in die Karibik, nach Thailand und nach Afrika koordiniert. Insbesondere nach Afrika verfügt Brussels über ein ausgedehntes Flugnetzwerk, was teilweise noch aus der Kolonialzeit herrührt. Für Kunden von Eurowings erweitern sich so ihre Flugziele.

Die belgische Airline fliegt bereits für Eurowings von Düsseldorf nach New York, Miami und Fort Myers in Florida – und zwar ohne nennenswerte Verspätungen und Probleme. Anders war das beim Start von Sun Express, die derzeit im Auftrag von Eurowings auf der Langstrecke fliegen. Die sieben Flieger verspäteten sich zunächst massiv oder fielen ganz aus. Im Gegensatz zu Brussels Airlines hatte Sun Express, ein Joint-Venture von Lufthansa und Turkish Airlines, keine Erfahrungen mit Interkontinental-Flügen.

Zwar fliegt Sun Express mittlerweile weitestgehend nach Plan. Doch unter Piloten war das Joint-Venture nie wirklich beliebt, da die Flugzeuglenker nicht nach Lufthansa-Tarif bezahlt wurden. Sie befürchteten, dass so der Tarifvertrag im Konzern ausgehöhlt werde. Der Auftrag an Brussels zerstreut diese Bedenken. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat die Langstrecken-Flüge von Eurowings wieder in den eigenen Konzern geholt. „Das beruhigt die deutschen Pilotengewerkschaften“, sagt Jaeger.

Die stärkere Einbindung von Brussels dürfte auch für Beruhigung unter belgischen Piloten sorgen. Ihr Verhältnis zur Kranich-Airline gilt als angeschlagen. „Die Brussels-Mitarbeiter sollten bei der Integration in Eurowings kooperativer sein“, sagte Konzernchef Spohr am Rande des Jahrestreffens des Weltairline-Verbandes und bezog sich damit auf Streiks. Er kritisierte auch, dass die belgische Konzerntochter nicht effizient genug fliege. Für Brussels-Angestellte klangen die Äußerungen des obersten Lufthanseats wie eine Drohung, einige der bestehenden Brussels-Langstreckenflüge zu streichen und am Drehkreuz Brüssel Stellen abzubauen.

Die geplanten Langstrecken-Flüge für Eurowings verbannen die Gefahr nicht. „Es ist für die Brussels-Piloten eine Beruhigungspille“, sagt Gerald Wissel von der Hamburger Beratungsgesellschaft Airborne Consultings. Die neue Einbindung verspicht den Belgiern zumindest eine Wachstumsperspektive.

Mehr premium als billig

Branchenkenner Wissel ist skeptisch, ob die neuen Eurowings-Pläne erfolgreich sein werden. „Brussels hat heute eher die Kosten und Strukturen einer Premiummarke wie Lufthansa und nicht die einer Low-Cost Plattform wie Eurowings.“ Die belgischen Piloten von einer Low-Cost-Langstrecke zu überzeugen, sei ein schwieriges Unterfangen.

Wissel hat grundsätzliche Zweifel, ob Airlines das Billigmodell auf lange Flüge übertragen können, wie die Airline Norwegian zeigt. Bislang schreiben die Skandinavier auf der Langstrecke nur Verluste. Die Low-Cost-Idee ist es, die Flugzeuge so kurz wie möglich am Boden zu halten. Auf der Langstrecke ist es aber aufwendiger, das Flugzeug zu beladen, entsprechend länger sind die Bodenzeiten. Um Ruhezeiten einzuhalten, sind auch mehr Crews pro Flugzeug vorgeschrieben. All das kostet Geld. Ob Brussels die Kosten drücken kann, ist fraglich.

Unabhängig davon, muss Eurowings Probleme auf der Kurz- und Mittelstrecke bewältigen. Nach der Übernahme großer Teile der insolventen Air Berlin, hat die Lufthansa-Tochter offensichtlich unterschätzt, wie komplex es ist, Flugzeuge und Besatzungen zu integrieren. Der mittlerweile drittgrößte Billigflieger Europas hat Probleme die Flugpläne einzuhalten. Allein im ersten Halbjahr strich Lufthansa mehr Flüge als im kompletten Vorjahr. Urlauber und Geschäftsfreisende müssen sich im Sommer noch wochenlang auf Probleme einstellen – sofern sie keinen eigenen Helikopter haben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%