Vonovia, LEG und Co Last Exit Räumungsklage: Müssen Mieter, die Energiekosten nicht zahlen, um ihre Wohnung fürchten?

Droht Mietern der Rausschmiss, wenn sie gestiegene Energiekosten nicht mehr bezahlen können? Quelle: imago images

Eine Präsentation von Vonovia hat für große Aufregung gesorgt: Der Wohnungsriese schließt Kündigungen säumiger Mieter demnach nicht aus. Nun bemüht sich die Branche darum, die Wogen zu glätten. Doch viele Unternehmen wollen die Option nicht ausdrücklich ausschließen.

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Die Kommunikation war gelinde gesagt unelegant. „Letzter Ausweg: Räumungsklage“, heißt es in Dokumenten, die Vonovia anlässlich des Kapitalmarkttages am vergangenen Dienstag vorlegte. Auf Seite 12 der Managementpräsentation hat Vonovia dort unter der Überschrift „Was, wenn ein Mieter nicht bezahlt?“ einen Stufenplan erarbeitet, eine „Abfolge von eskalierenden Ereignissen“, die das Ziel haben, die Zahlung zu bekommen.

Der Wohnungskonzern will in solchen Fällen aktiv auf den Mieter zugehen und versuchen, Lösungen zu finden – etwa Ratenzahlungen, Stundungen oder Unterstützung bei Behördengängen. „Eine Kündigung ist der allerletzte Schritt“, betont Vonovia und beharrt darauf, dass die „oberste Regel“ sei, eine andere Lösung zu finden, wenn jemand eine Mieterhöhung oder Nebenkosten nicht zahlen könne. „Bei uns wird niemand eine Wohnung verlieren, nur weil die Heizkosten nicht gezahlt werden können“, betonte Vonovia-Chef Rolf Buch nach einem öffentlichen Aufschrei wegen des Papiers gegenüber der Zeitung „Die Welt“.

Doch Sanktionsmöglichkeiten für Mieter, die nicht zahlen, „obwohl sie es eigentlich könnten“, will sich das Unternehmen offenhalten. Gesetzlich geregelt ist, dass Vermieter ihren Mietern fristlos und außerordentlich kündigen können, sobald sie zwei Monatsmieten nicht bezahlt haben. Ist das bei Vonovia der Fall, dann werde laut Papier die Räumungsklage als letztes Mittel eingesetzt.

Wie sieht das bei anderen großen Wohnungsunternehmen aus? Könnten im Winter Massenkündigungen drohen? Oder bleiben Vermieter auf ihren Kosten sitzen? Die WirtschaftsWoche hat bei den großen Wohnungskonzernen und kommunalen Vermietern nachgefragt.

Mahnungen mit Tipps zu Wohngeld von der LEG

Die LEG, die an über 170 Standorten in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus knapp 170.000 Wohnungen vermietet, spricht von einem „Schulterschluss mit unseren Mieterinnen und Mietern“. Das Unternehmen wolle „alles dafür tun“, dass niemand seine Wohnung wegen der „Energiepreisexplosion“ verliere, „auch wenn wir als Vermieter die Kosten vorfinanzieren müssen und letztlich die Belastung nur an unsere Mieter durchreichen“.

LEG unterstützt laut eigenen Angaben die Mieter mit Informationen zu Wohngeld, freiwilligen Vorauszahlungserhöhungen und Ratenzahlungen. „Aktuell von uns versendete Mahnungen und Betriebskostenabrechnungen umfassen entsprechende Tipps“, heißt es von LEG.

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von Florian Güßgen, Theresa Rauffmann

Anfang September hat das Unternehmen außerdem ein Schreiben an seine Mieter verfasst, das der WirtschaftsWoche vorliegt. Darin informiert das Unternehmen, dass Mieter mit 30 Prozent höheren Heizkosten rechnen sollen – 2023 müssten sie mit den doppelten Kosten verglichen zu 2021 rechnen. Auf die Frage, ob sich die LEG die Möglichkeit der außerordentlichen fristlosten Kündigung vorbehält, sollten Mieter zwei Monate im Verzug sein, antwortet das Unternehmen unterdessen nicht.

Vivawest hilft Mietern „eine andere Wohnung zu suchen“

Die Vivawest, die gut 118.000 Wohnungen bewirtschaftet, von denen etwas mehr als die Hälfte mit Gas beheizt wird, hat die Heizkostenvorauszahlung schon im Mai pauschal um 30 Prozent erhöht. Auch dieser Wohnungskonzern will mit seinen Mietern individuelle Lösungen suchen.

Besonders interessant: Vivawest berät nicht nur bei der Beantragung von Wohngeld und Sozialleistungen, sondern hilft Mietern mit Zahlungsschwierigkeiten auch „eine andere Wohnung zu suchen“. Außerdem will das Unternehmen individuelle Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen treffen und beschäftigt eigene Sozialberaterinnen und Sozialberater.



Zwischen 23 Uhr und 5 Uhr drosselt das Unternehmen die Heizungen auf 17 Grad, ansonsten könnten Mieter ihre Wohnungen bis 21 Grad heizen. Doch auch Vivawest beantwortet eine Frage der WirtschaftsWoche zum außerordentlichen Kündigungsrecht nicht.

Kündigungsmoratorium in Berlin für landeseigenes Wohnungsbaugesellschaften

Kommunale Wohnungsunternehmen positionieren sich da anders: Die SAGA etwa, die 137.000 Wohnungen in Hamburg bewirtschaftet setzt Kündigungen bis mindestens Ende 2023 aus, „sofern die Mieter nachweislich von einer Notlage betroffen sind und konstruktiv an einer Lösung mitwirken“. Die Vorauszahlungen seien schon zweimal angepasst worden, Ratenzahlungen und Stundungen sind auch bei der SAGA möglich.

In Berlin hat der Senat am Dienstag ein Kündigungsmoratorium für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften beschlossen. Erst einmal auf sechs Monate befristet soll es keine Kündigungen wegen Zahlungsrückständen „aufgrund von den Mietenden zu zahlenden Energiekostensteigerungen in Folge der Ukrainekrise ausgesprochen werden“. Auch Räumungen bewohnter Wohnungen werden zunächst für sechs Monate ausgesetzt. Unter diese Regelungen fällt etwa die HOWOGE, die in Berlin gut 75.000 Wohnungen vermietet oder die Gewobag mit 72.000 Wohnungen in Berlin.

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Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz will Mieter besser schützen. Im Entlastungspaket sei geregelt, dass „niemand aufgrund der Tatsache, dass er seine Nebenkosten nicht zahlen kann, von Kündigung bedroht ist“. Die Umsetzung des Vorhabens liege nun beim zuständigen Bundesjustizminister Marco Buschmann. Vonovia gibt derweil zu Protokoll, ein befristetes Kündigungsmoratorium für Mieterinnen und Mieter zu unterstützen. Die steigenden Energiepreise seien ein Problem, das jeden betreffe. „Wir nehmen unsere Verantwortung dabei sehr ernst“, so Vonovia, „können aber auch nicht alleine Probleme lösen, die einer gesamtgesellschaftlichen Antwort bedürfen“.

Lesen Sie auch: Heizkosten treiben die Mieten. Vermieter dürfen Mietern, die nicht zahlen, kündigen. Sich vorher zu einigen, ist oft besser. Ein Stufenplan hilft, die Optionen abzuwägen.

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