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Coronahilfen: Betroffenheit muss zählen, nicht Lobbyisten-Einfluss

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Staat sollte Einkommensausfälle abfedern

Am Kieler Institut für Weltwirtschaft haben wir die Idee eines Lastenausgleichs entwickelt: Der Staat sagt den Unternehmen zu, Einkommensausfälle (Betriebsüberschuss und Abschreibungen) im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 auszugleichen – allerdings nur anteilig. Die Berechnung der Einkommensausfälle orientiert sich am Branchendurchschnitt, so dass besser wirtschaftende Unternehmen weiter im Vorteil bleiben und auch nicht jedes vorher schon schlecht laufende Unternehmen gerettet wird.

Schon ausgezahlte Coronahilfen werden angerechnet. Die Zuweisungen werden der Unternehmensbesteuerung unterworfen. Damit gelten gleiche Hilfsvoraussetzungen für alle, die Entscheidung wird politischen Vorlieben entzogen. Wenn die Unternehmen (und ihre Banken) jetzt wüssten, dass sie am Ende nicht völlig überschuldet sein werden, können sie zuversichtlich für die Zukunft planen, und die bereits beschlossenen Liquiditätshilfen könnten ihre volle Wirkung entfalten. Denn dann fällt es Banken leichter, einen Teil des Risikos zu übernehmen, wie es auch sein sollte.

Eine volle Staatshaftung setzt auch bei Liquiditätshilfen falsche Anreize. Ein solches selbstdosierendes, zielgenaues und reaktionsschnelles Instrument ist auch klassischen Konjunkturpaketen überlegen, die die Nachfrage beleben, aber ihre Wirkung meist nicht dort entfalten, wo es am nötigsten wäre.

Für ein solches Hilfsprogramm müsste in erheblichem Maß weiteres staatliches Geld aufgewendet werden. Aber das ist bei den jetzt anlaufenden Einzelprogrammen auch der Fall. Schon jetzt planen Bund, Länder und Kommunen mit Mehrausgaben für Hilfspakete von circa 180 Milliarden Euro, das sind ungefähr 5,5 Prozent des für 2020 derzeit erwarteten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Inklusive Haftungsübernahmen umfassen die deutschen Hilfsprogramme fast 1200 Milliarden Euro, unfassbare 36 Prozent des prognostizierten BIP. Diese Zahlen stellen den von der Bundesregierung mit 6,3 Prozent des BIP erwarteten gesamtwirtschaftlichen Einkommensentfall in den Schatten.

Da die Betriebsüberschüsse ein Teil des BIP sind, können sie nicht stärker einbrechen als die Wertschöpfung insgesamt. Eine Politik, die die entgangenen Betriebsüberschüsse zu 80 Prozent ersetzt, kann daher kaum mehr kosten als die genannten 6,3 Prozent des BIP. Da die Zuschüsse auch steuerlich berücksichtigt werden, fließt ein Teil des ausgegebenen Geldes an den Staat zurück.

Lasten nach Leistungsfähigkeit verteilen

Klar ist: So oder so muss sich der Staat für die Krisenbekämpfung hoch verschulden. Diese Schulden müssen wieder abgebaut werden. Dafür werden Einsparungen in den staatlichen Haushalten notwendig werden – etwa bei anderen Subventionen an Unternehmen – und es könnte auch zu Steuererhöhungen kommen.

Damit werden die Lasten der Corona-Krise aber nach Leistungsfähigkeit auf viele Schultern verteilt und bleiben nicht bei jenen hängen, die zufällig in einer besonders betroffenen Branche tätig sind. Vom Gesundheitsschutz, dessen Lasten diese Branchen tragen müssen, profitiert schließlich auch die Allgemeinheit.

Nachdem die Politik am Anfang dieser Krise richtigerweise die „Bazooka“ gezückt hat, um die Furcht einzudämmen, dass Unternehmen und Arbeitnehmer wirtschaftlich ins Bodenlose fallen, muss es jetzt darum gehen, Effizienz und Nachhaltigkeit der eingesetzten Mittel in den Blick zu nehmen.

Wird stattdessen weiterhin signalisiert „Alles geht!“, gerät auch Deutschland an die Grenzen des Leistbaren und verzettelt sich einer unsystematischen, von Interessengruppen dominierten Hilfspolitik, die die notwendige Abgrenzung von Wirtschaft und Staat aufweicht und Konflikte über die Verteilung der Krisenlasten heraufbeschwört.

Das könnte sich für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes als größte Hypothek erweisen.

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