Wer baut die nächste Aida? Mitsubishi scheitert auf dem Kreuzfahrtmarkt

Der Einstieg der Mitsubishi-Schiffbausparte ins Kreuzfahrtgeschäft ist offenbar gescheitert. Warum Aida vermutlich wieder ein Kunde der Meyer Werft wird und warum der Bau von Kreuzfahrtschiffen so kompliziert ist.

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Die schönsten neuen Kreuzfahrtschiffe
Norwegian Gateway Quelle: Presse
AIDAprima Quelle: Presse
Regal Princess Quelle: Presse
Regal PrincessDie Erholungszone ist größer als bei anderen Schiffen der Flotte, Kinder müssen draußen bleiben Quelle: Presse
Quantum of the Seas Quelle: Presse
Quantum of the Seas Quelle: Presse
Viking Star Quelle: Presse

An gleich drei Stellen beschäftigt sich das Handelsblatt in seiner Montags-Ausgabe mit der zur amerikanischen Carnival-Gruppe gehörenden Kreuzfahrtreederei Aida. Die ist nicht nur deutscher Marktführer in dem seit Jahren wachsenden Touristiksegment, sie war bis vor wenigen Jahren auch Großkunde bei der Meyer Werft im niedersächsischen Papenburg. Die wiederum ist trotz ihrer ungünstigen Lage mehr als 30 Kilometer von der Nordsee entfernt Weltmarktführer beim Bau von Musikdampfern.

Meyer, Mitsubishi und der Kampf um Aida

Was bisher geschah: Sieben Schiffe hat Aida aus Rostock bei Meyer bauen lassen. Das bis dahin einmalige an diesen weitgehend identischen Neubauten ist das über mehrere Decks verlaufende offene sogenannte Theatrium. Von außen erkennbar ist die gemeinsam von Aida und Meyer entwickelte Showbühne an der trichterförmigen, voll verglasten Einbuchtung in der Mitte des Schiffsrumpfs.

Was für die Reederei den Vorteil hat, dass die Showbesucher ohne jemanden zu stören, an die verschiedenen um das Theater gruppierten Bars oder Shops wechseln (und dort Geld ausgeben) können, war für die Bauwerft eine technische Herausforderung: aus statischen Gründen, weil der Schiffskörper an der Stelle quasi eingekerbt ist und aus Gründen des Brandschutzes, weil die über mehrere Decks verlaufende Öffnung durch den Rumpf bei einem Feuer wie ein Kamin wirken kann.

Diese Kreuzfahrtschiffe werden 2014 ausgeliefert

Die beiden Partner konnten diese Herausforderungen lösen, alle Schiffe wurden pünktlich abgeliefert, von der Reederei wie von der Werft war nur Positives über die beiderseitige Zusammenarbeit zu hören. Dennoch entschied sich Aida, die beiden Prototypen für die neue, größere Schiffsgeneration nicht mehr in Papenburg sondern bei Mitsubishi in Japan bauen zu lassen.

Der Grund war ebenso simpel wie einleuchtend: Das Angebot der Japaner lag weit unter dem aus Papenburg. Für Aida ein Schnäppchen, für Meyer schade aber aufgrund anderer Aufträge letztlich nicht weiter schlimm. Böse waren sich die beiden darum nicht, für Aida wie für Meyer war immer klar, dass die alte Geschäftsbeziehung in Zukunft durchaus wieder aufleben könnte.

Die größten Kreuzfahrtschiffe der Welt
Foto der Disney Dream Quelle: REUTERS
Foto der Carnival Dream Quelle: dpa
Platz 8: MSC Fantasia / Splendida / Divina / PreziosaGewicht: 137.936 BRZ Kabinen: 1637 Die vier Schiffe der Reederei MSC Kreuzfahrten sind vor allem auf dem Mittelmeer unterwegs. Als die MSC Fantasia 2008 in Dienst gestellt wurde, war sie  das größte Passagierschiff einer europäischen Reederei überhaupt. Mittlerweile haben andere aufgeholt. Quelle: PR
Foto der Voyager of the Seas" Quelle: dpa
Foto der Royal Princess Quelle: Creative Commons
Foto der "Norwegian Breakaway" Quelle: dpa
Foto der "Queen Mary 2" Quelle: AP

Dann passierte, was Branchenexperten fast erwartet hatten: Mitsubishi hatte die Komplexität des Auftrages offenbar völlig unterschätzt und konnte den vereinbarten Ablieferungstermin für den ersten Neubau AidaPrima nicht einhalten. Das Schiff wird erst ein halbes Jahr später, im Oktober kommenden Jahres übergeben. Was für die Japaner zum betriebswirtschaftlichen Desaster und Imageschaden erster Ordnung geriet, ist für Aida  allenfalls marketing-mäßig ärgerlich – wirtschaftlich erleiden die Rostocker keinen Schaden: Die Bauwerft musste wegen der Verzögerung 425 Millionen Euro Verlust verbuchen, die Reederei kassierte die vorher als Konventionalstrafe vereinbarte Ausgleichszahlung in ähnlicher Höhe und bekam damit eines der beiden Schiffe faktisch zum Nulltarif.

Warum Mitsubishi scheiterte

Durch Schaden klug geworden werden die Japaner sich jetzt möglicherweise aus dem Kreuzschifffahrtsbau zurückziehen (was aber noch nicht entschieden ist) und so Aida dazu veranlassen, künftige Neubauten wieder bei Meyer zu bestellen (was ebenso wenig entschieden, weil derzeit überhaupt nicht aktuell ist). Meyer wiederum wäre durch die geplante Übernahme von 70 Prozent der finnischen STX-Werft künftig in der Lage, auch Schiffe zu bauen, die am alten Standort wegen ihrer Größe nicht realisierbar wären. So wächst möglicherweise wieder zusammen, was nach Ansicht vieler Experten eigentlich immer zusammengehörte und nie hätte getrennt werden dürfen.

Diese Kreuzfahrtschiffe werden 2015 ausgeliefert

Was daran neu ist? Eigentlich nichts – zumindest, so lange Mitsubishi noch nicht endgültig entschieden hat, ob die Kreuzfahrtsparte beibehalten oder geschlossen wird. Bei Aida lag die Rückkehr zu Meyer immer im Bereich des Möglichen, ist aber – wie schon erwähnt – im Moment nicht aktuell. Und die suggerierte Reumütigkeit, mit der der Ausflug nach Japan womöglich beendet werden könnte, ist in Geschäftsbeziehungen ohnehin keine Kategorie. Auch wenn das Bild immer wieder bemüht wird: Geschäftsbeziehungen sind keine Ehen. Es geht nicht um Emotionen sondern um Geld. In diesem konkreten Fall sogar um ziemlich viel Geld.

Pannenplanung

Bleibt noch die Frage: Woran ist Mitsubishi gescheitert und was ist so kompliziert daran, ein Kreuzfahrtschiff zu bauen?  Die Antwort dürfte ähnlich ausfallen, wie bei den hierzulande immer wieder gestellten Fragen, wer oder was das Desaster mit dem neuen Berliner Flughafen verursacht hat, warum der Bau der Hamburger Elbphilharmonie sicher immer weiter verzögert hat oder wie es zu den teuren Planungspannen bei Stuttgart21 kommen konnte. Ein Großteil der Probleme hängt mit schlechtem Projektmanagement zusammen.

Technologisch ist der Unterschied zwischen dem Bau eines Großtankers – lange Jahre die Domäne asiatischer Schiffbauer - und dem Bau eines Kreuzfahrtschiffes in etwa so groß wie der zwischen dem Bau einer Garage für ein Einfamilienhaus und dem eines unterirdischen Bahnhofs. Die Hochhaus-hohen Schiffskörper der Musikdampfer haben wegen des im Vergleich zu Handelsschiffen geringen Tiefgangs einen hohen Schwerpunkt. Die Herausforderung besteht darin, die Schiffe so zu bauen, dass sie auch bei rauer See nicht übermäßig schaukeln. Stabilisatoren – lange ausklappbare Flügel, die unter der Wasseroberfläche ausgefahren werden – sind das eine Mittel, um zu verhindern, dass die Passagiere seekrank werden. Eine ganz andere Bauweise ist die andere: unten werden dicke, in der Mitte dünne Stahlplatten verschweißt, oben bestehen Decks und Aufbauen aus Aluminium.

Kreuzfahrtschiffe sind so ziemlich das Komplizierteste, was auf den sieben Weltmeeren schwimmt, in der technischen Komplexität höchstens vergleichbar mit dem Bau von Kriegsschiffen. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Materialien, sondern weil die vielen Zulieferer unter einen Hut gebracht werden müssen. Wenn in den Schiffbauhallen bei Meyer ein neues Kreuzfahrtschiff entsteht, sind mehr als 100 Zulieferer beteiligt. Die Kabinen etwa werden komplett ausgerüstet mit Elektro- und Sanitärinstallationen angeliefert und dann in den Schiffsrumpf eingebaut. Die Theater mit versenkbarer Bühne werden ebenfalls vorher fertig montiert. Damit der enge Zeitplan eingehalten werden kann, müssen tausende von Baugruppen und Komponenten zur richtigen Zeit angeliefert werden.

Wer einmal Bauherr eines Einfamilienhauses war und dabei ohnmächtig mit ansehen musste, wie Handwerker unterschiedlicher Gewerke sich gegenseitig im Wege standen, weiß was für eine Herausforderung das ist. Mitsubishi hat das offenbar unterschätzt und zahlt einen jetzt hohen Preis dafür.  

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