Wer baut die nächste Aida? Mitsubishi scheitert auf dem Kreuzfahrtmarkt

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Warum Mitsubishi scheiterte

Durch Schaden klug geworden werden die Japaner sich jetzt möglicherweise aus dem Kreuzschifffahrtsbau zurückziehen (was aber noch nicht entschieden ist) und so Aida dazu veranlassen, künftige Neubauten wieder bei Meyer zu bestellen (was ebenso wenig entschieden, weil derzeit überhaupt nicht aktuell ist). Meyer wiederum wäre durch die geplante Übernahme von 70 Prozent der finnischen STX-Werft künftig in der Lage, auch Schiffe zu bauen, die am alten Standort wegen ihrer Größe nicht realisierbar wären. So wächst möglicherweise wieder zusammen, was nach Ansicht vieler Experten eigentlich immer zusammengehörte und nie hätte getrennt werden dürfen.

Diese Kreuzfahrtschiffe werden 2015 ausgeliefert

Was daran neu ist? Eigentlich nichts – zumindest, so lange Mitsubishi noch nicht endgültig entschieden hat, ob die Kreuzfahrtsparte beibehalten oder geschlossen wird. Bei Aida lag die Rückkehr zu Meyer immer im Bereich des Möglichen, ist aber – wie schon erwähnt – im Moment nicht aktuell. Und die suggerierte Reumütigkeit, mit der der Ausflug nach Japan womöglich beendet werden könnte, ist in Geschäftsbeziehungen ohnehin keine Kategorie. Auch wenn das Bild immer wieder bemüht wird: Geschäftsbeziehungen sind keine Ehen. Es geht nicht um Emotionen sondern um Geld. In diesem konkreten Fall sogar um ziemlich viel Geld.

Pannenplanung

Bleibt noch die Frage: Woran ist Mitsubishi gescheitert und was ist so kompliziert daran, ein Kreuzfahrtschiff zu bauen?  Die Antwort dürfte ähnlich ausfallen, wie bei den hierzulande immer wieder gestellten Fragen, wer oder was das Desaster mit dem neuen Berliner Flughafen verursacht hat, warum der Bau der Hamburger Elbphilharmonie sicher immer weiter verzögert hat oder wie es zu den teuren Planungspannen bei Stuttgart21 kommen konnte. Ein Großteil der Probleme hängt mit schlechtem Projektmanagement zusammen.

Technologisch ist der Unterschied zwischen dem Bau eines Großtankers – lange Jahre die Domäne asiatischer Schiffbauer - und dem Bau eines Kreuzfahrtschiffes in etwa so groß wie der zwischen dem Bau einer Garage für ein Einfamilienhaus und dem eines unterirdischen Bahnhofs. Die Hochhaus-hohen Schiffskörper der Musikdampfer haben wegen des im Vergleich zu Handelsschiffen geringen Tiefgangs einen hohen Schwerpunkt. Die Herausforderung besteht darin, die Schiffe so zu bauen, dass sie auch bei rauer See nicht übermäßig schaukeln. Stabilisatoren – lange ausklappbare Flügel, die unter der Wasseroberfläche ausgefahren werden – sind das eine Mittel, um zu verhindern, dass die Passagiere seekrank werden. Eine ganz andere Bauweise ist die andere: unten werden dicke, in der Mitte dünne Stahlplatten verschweißt, oben bestehen Decks und Aufbauen aus Aluminium.

Kreuzfahrtschiffe sind so ziemlich das Komplizierteste, was auf den sieben Weltmeeren schwimmt, in der technischen Komplexität höchstens vergleichbar mit dem Bau von Kriegsschiffen. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Materialien, sondern weil die vielen Zulieferer unter einen Hut gebracht werden müssen. Wenn in den Schiffbauhallen bei Meyer ein neues Kreuzfahrtschiff entsteht, sind mehr als 100 Zulieferer beteiligt. Die Kabinen etwa werden komplett ausgerüstet mit Elektro- und Sanitärinstallationen angeliefert und dann in den Schiffsrumpf eingebaut. Die Theater mit versenkbarer Bühne werden ebenfalls vorher fertig montiert. Damit der enge Zeitplan eingehalten werden kann, müssen tausende von Baugruppen und Komponenten zur richtigen Zeit angeliefert werden.

Wer einmal Bauherr eines Einfamilienhauses war und dabei ohnmächtig mit ansehen musste, wie Handwerker unterschiedlicher Gewerke sich gegenseitig im Wege standen, weiß was für eine Herausforderung das ist. Mitsubishi hat das offenbar unterschätzt und zahlt einen jetzt hohen Preis dafür.  

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