




Für Ronald Pofalla kommt der Rücktritt von Rüdiger Grube eigentlich zu einer unpassenden Zeit. Zwar hatte sich der CDU-Politiker gut in den Vorstand eingearbeitet und die Rechts- und Lobbyabteilung des Konzerns erfolgreich gemanagt. Alle Zeichen standen damit auf die Rolle des Kronprinzen. Noch fehlte ihm zwar operative Erfahrung, doch die wollte er spätestens jetzt nachholen. Seit Anfang dieses Jahres ist er Vorstand für die Infrastruktur und damit verantwortlich für das gesamte Schienennetz mitsamt seiner Bahnhöfe. Nach zwei oder drei Jahren hätte er geschmeidig von Grube übernehmen können.
Doch nun kommt es anders. Weil sich der amtierende Bahnchef Grube vom Aufsichtsrat ausgetrickst fühlte, erklärte er seinen sofortigen Rücktritt. Grube sei eine dreijährige Vertragsverlängerung zugesagt worden, heißt es aus seinem Umfeld. Im Gegenzug habe er auf eine Gehaltserhöhung und eine Abfindung im Falle eines vorzeitigen Abgangs als Bahnchef verzichtet. Doch die Mehrheit der Kontrolleure wollte ihm offenbar nur zwei Jahre gewähren. Grube fühlte sich vor den Kopf gestoßen.
Der Rücktritt traf den gesamten Aufsichtsrat unerwartet. Vor allem Pofalla dürfte über die Entscheidung seines Duz-Freundes nicht sehr erfreut sein. Denn bislang hieß es, dass er zwar Anwärter für die Nachfolge von Grube sei, aber eben noch nicht reif für den Job sei. Ein führender Verkehrspolitiker in Berlin bringt es daher so auf den Punkt: „Für Pofalla ist es richtig dumm gelaufen.“ Wenn jetzt ein externer Kandidat zum Bahnchef gekürt werde, könne Pofalla seine Hoffnung auf den Chefposten für die nächsten fünf Jahre begraben.
Wie die Deutsche Bahn 6,3 Milliarden Euro vergeudet
Umwandlung der Bundes- und der Reichsbahn in die Deutsche Bahn AG mit den Töchtern Fernverkehr, Regionalverkehr, Güterverkehr, Bahnhöfe und Netz.
Hartmut Mehdorn wird neuer Bahn-Chef.
Übernahme von Stinnes Logistik mit der Spedition Schenker. (Kosten: 2,5 Milliarden Euro)
Übernahme des US-Logistikdienstleisters Bax Global. (Kosten: Eine Milliarde Euro)
Ausgliederung des Beförderungs- und Transportgeschäfts in die DB Mobility Logistics AG mit dem Ziel des Börsengangs (wegen der Finanzkrise abgeblasen).
Rüdiger Grube wird neuer Bahn-Chef.
Übernahme des britischen Nahverkehrsanbieters Arriva. (Kosten: 2,8 Milliarden Euro)
Endgültiger Abschied vom Börsengang.
Schenker und Arriva sollen - zunächst in Teilen - wieder verkauft werden.
Formal bestimmt der Vertreter der Bundesregierung, wer die Nachfolge von Grube antreten wird. Das wäre Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Er leitet jedes Jahr die Hauptversammlung – eine Veranstaltung von wenigen Minuten. Dem Bund gehört die Deutsche Bahn. Viel Neues gibt es meist nicht zu besprechen, da Bahnchef und Verkehrsminister ohnehin einen kurzen Draht zueinander pflegen. Dobrindt wäre formal an der Reihe, einen Nachfolger zu bestimmen. Ein Sprecher des Ministeriums sagte nun: "Der Personalausschuss ist beauftragt, zügig mit der Suche nach einem Nachfolger zu beginnen.“
Damit konzentriert sich die Suche auf einen Kreis von vier Personen. Für die Kapitalseite sitzen in dem Personalausschuss der Aufsichtsrats-Vorsitzende Utz-Hellmuth Felcht und der Staatsekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Odenwald. Die Arbeitnehmerseite wird vertreten vom Betriebsratsvorsitzenden Jens Schwarz und dem Chef der Eisenbahnergewerkschaft Alexander Kirchner. An ihnen hängt nun die schwierige Aufgabe, einen potenziellen Kandidaten zu finden. Vermutlich wird der Prozess mehrere Woche dauern.





In Ruhe werden sie wohl kaum suchen können. Die Politik in Berlin will sich unbedingt einmischen – und damit ist der Wahlkampf auch um die Zukunft der Deutschen Bahn ausgebrochen. Martin Schulz, der frisch gekürte Kanzlerkandidat der SPD, hat bereits eine Rolle der Partei bei der Auswahl des neuen Bahnchefs angekündigt.
Sein Kollege Sören Bartol, Vize-Fraktionschef im Bundestag, sagte ebenfalls: „Wir müssen uns jetzt in Ruhe in der Koalition zusammensetzen und schauen, wer die Deutsche Bahn als Vorsitzender des Vorstands am besten in die Zukunft führen kann.“ Es müsse jemand sein, der Schienenverkehr zu bezahlbaren Preisen in Deutschland organisieren kann und dabei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zum Markenzeichen der Deutschen Bahn macht. Und dann folgt ein Satz, der nicht unbedingt dafür spricht, als sei Pofalla bereits in der engeren Wahl. „Da gibt es niemanden, der sich sofort aufdrängt“, sagt Bartol.