Werbekampagne Warum "E wie einfach" sich nicht blamiert hat

Der Stromanbieter "E wie einfach" sendet momentan eine ganze Reihe mehr oder weniger witziger Werbeclips. Gegen einen der Spots läuft die Netzgemeinde Sturm – zu Unrecht.

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Aldi verkauft "Paris"-Raketen
Werbe-Patzer vor Silvester: Aldi Süd verkauft ein 105-teiliges Feuerwerks-Paket mit "7 Brilliant-Bomben-Raketen" und "fetzigen Knallfröschen" unter dem Namen "Paris". Viele Kunden sind erzürnt. Zu sehr fühlen sie sich an die zwei Terrorserien in der französischen Hauptstadt erinnert, die in diesem Jahr mehr als 140 Menschen das Leben kosteten. Der Name sei "peinlich" und "geschmacklos", heißt es in den Sozialen Netzwerken. "Das nenn ich nen Totalausfall der Marketingabteilung", schreibt ein Twitter-Nutzer. Discounter Aldi, der auch Feuerwerks-Körper mit Namen wie Kapstadt und "Palermo" im Angebot hat, erklärt den Fauxpas mit den langen Bestell- und Produktionsvorläufen. "Bitte seien Sie versichert, dass es nicht unsere Absicht war, unsere Feuerwerkskörper mit den Anschlägen von Paris in Verbindung zu bringen", antwortet der Discounter verärgerten Facebook-Nutzern. "Unsere Silvesterpakete werden bereits weit im Voraus gekauft und geplant, sodass eine Reaktion auf aktuelle Ereignisse leider nicht möglich ist."Auch andere große Unternehmen haben sich mit Werbe-Schnitzern schon den Unmut ihrer Kunden zugezogen.
Die Modekette Sinn Leffers bot ein Shirt an, auf dem ein sexistischer Spruch prangt: "Twinkle, twinkle, little whore - close your legs, they're not a door". "Blinzel, blinzel, kleine Hure - schließe deine Beine, sie sind keine Tür". Das T-Shirt stammt vom französischen Anbieter Boom Bap, der für provokante Sprüche bekannt ist. In den sozialen Netzwerken entlud sich ein Shitstorm. Mittlerweile hat das Unternehmen reagiert und sich entschuldigt. Die T-Shirts wurden aus dem Sortiment genommen. Insgesamt haben wohl 500 Shirts in 30 Filialen im Regal gelegen - auch beim Mutterunternehmen Wöhrl. Quelle: Screenshot
"Dreifarbige Sklaven-Sandalen" bot die Modekette Zara in ihrem Online-Shop an - und erntete sogleich Protest und Spott. In den sozialen Netzwerken verbreiteten sich schnell Bilder des Angebots. "Die Hakenkreuze waren wohl nicht genug", twitterte etwa Userin Ronja M. Das Unternehmen spricht von einem "Übersetzungsfehler" - worin dieser bestehen soll, wurde allerdings nicht erklärt. Zara nahm die Schuhe inzwischen aus dem Sortiment. Quelle: Screenshot
Auf den Spott musste die Modekette Mango angesichts dieses "Chiffonhemds mit Blitzmuster", wie die Bluse im Prospekt heißt, nicht lange warten. Die Frage "Wehrmacht denn sowas?" scheint nicht ganz unberechtigt, erinnern die "Blitze" doch sehr stark an die Sig-Runen des SS-Emblems. Immerhin hat Mango das Doppel-S vermieden, die Frage nach dem "totalen Look" war dennoch unvermeidlich und auch nicht ganz daneben: Mango selbst bietet auf seiner Website ein Pombipaket mit Hose und Stiefel an – beworben mit dem Spruch "Wollt ihr den Total Look".Bekannt zynisch meldete sich auch der Satiriker und Europaabgeordneter Martin Sonneborn auf Facebook zu Wort: "Wieso hat Mango dieses Modell nur für Damen – es gibt doch auch männliche Nazis…?" Quelle: Screenshot
Damit frau zu Halloween in sexy Kostüme passt, sollte sie Sandwiches der Fast-Food-Kette Subway essen. Mit diesem neuen Werbespot (hier geht es zum Video auf Youtube ) setzte sich die Sandwich-Bude gehörig in die Nesseln. Im Internet hagelt es Kritik an der Botschaft, dass Frauen dünn und aufreizend gekleidet zu sein hätten. Auch die Werbebotschaft, mit den Weißbrot-Sandwiches abnehmen zu können, sorgt für Beschwerden. Quelle: Screenshot
"Butter zum Braten von Schweizern" gibt es dank einer Übersetzungspanne bei der Schweizer Supermarktkette Migros zu kaufen. Auf ihrem Produkt „Schweizer Bratbutter“ heißt es im italienischen Untertitel „Burro per arrostire Svizzeri“. Das bedeutet: „Butter zum Braten von Schweizern“. „Das ist peinlich und unfreiwillig komisch zugleich“, sagte Migros-Sprecherin Martina Bosshard. Es handele sich um einem „blöden Übersetzungsfehler“. Das Produkt sei seit zwei Wochen auf dem Markt, seitdem sei auch der Fehler bekannt. Mitarbeiter im italienischsprachigen Kanton Tessin hätten das Missgeschick beim Auspacken bemerkt. Man habe daraufhin sofort mit der Produktion neuer Packungen begonnen. Weil das Produkt selbst aber einwandfrei sein, verkaufe man zunächst noch die Ware in der alten Verpackung ab. Quelle: Screenshot
Das Verteidigungsministerium hat eine Werbekampagne für Frauen in der Bundeswehr nach einer Panne abgebrochen. Auf der Internetseite war eine Werbung für „Zewa wisch & weg“-Haushaltstücher mit der Unterzeile aufgetaucht: „So vielfältig wie Sie: Individuelle Karrieremöglichkeiten für Frauen bei der Bundeswehr.“ Die Seite war von einer vom Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr beauftragten Werbeagentur erstellt worden. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärte, dass die Kampagne bis auf weiteres gestoppt wurde. „Sollten sich erste Angaben erhärten, dass ein Programmierfehler der vom Bundesamt beauftragten Agentur Ursache für die irrtümliche Verbreitung des „Zewa-Bildes“ und die sich anschließende rufschädigende Diskussion war, behält sich das Ministerium rechtliche Schritte vor“, erklärte sie. Über den Stopp der Kampagne hatte zuerst der verteidigungspolitische Blog „Augen geradeaus!“ berichtet. Quelle: dpa

Anke Engelke & Co. hätten es wahrscheinlich nicht anders gemacht: Im Werbespot "Einschlafen" von "E wie einfach" klagt eine junge Frau ihrem Partner, dass sie nicht schlafen könne. Der knockt sie daraufhin mit einer Kopfnuss aus. Die Botschaft: „So einfach kann einschlafen sein - und genauso einfach ist ein Wechsel zu "E wie einfach". Dass das kein feinsinniger Humor ist, steht außer Frage. Ob es in diesem Clip um die Verherrlichung von Gewalt in der Partnerschaft oder um die Unterdrückung der Frau geht, ist Ansichtssache. Für Verfechter der viel zitierten Political Correctness ist der Clip des Stromanbieters offensichtlich ein Affront.

Feministinnen gehen auf die Barrikaden, Internetnutzer empören sich zuhauf – "E wie einfach" entschuldigt sich wortreich bei Facebook und nimmt den Clip aus dem Netz. "Da waren sie ein bisschen übervorsichtig", findet Werner Grimmer vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov in Köln. Er ist sich sicher, dass der Clip dem Image des Unternehmens nicht geschadet hat und diejenigen, die sich über die Werbung echauffieren, gar nicht diejenigen sind, die angesprochen werden sollten.

Schmerzgrenze Religion

Grundsätzlich könne man potenzielle Kunden über mehrere Wege auf sich und sein Produkt aufmerksam machen:

- Erotik
- Emotionen
- Provokation
- Humor
- Musik

"Provokation kann natürlich immer nach hinten losgehen", sagt Grimmer, "Das lohnt sich, wenn man noch unbekannt ist und in die Schlagzeilen kommen will." Es gebe nur eine Schmerzgrenze, die Unternehmen in ihrer Werbung nicht angreifen sollten und das seien Rassismus und die Religion. "Da würde ich die Finger von lassen", sagt er. Das musste im vergangenen Jahr auch das Modelabel Benetton erfahren, das in seiner Kampagne ‚unhate’ ein Bild zeigte, auf dem Papst Benedikt XVI. beim Kuss mit dem ägyptischen Imam Ahmed el Tajjeb von der al-Azhar-Moschee in Kairo zu sehen war.

Witze auf Kosten aller

"E wie einfach" ist derzeit aber nicht wegen provokanter Werbung, sondern wegen mittelmäßigem Humor in den Schlagzeilen. Aber woran liegt das? Dürfen Unternehmen nicht die gleichen Witze machen wie Engelke & Co.? Daran, so Grimmer, liegt es gar nicht. Die Zielgruppe des Stromdiscounters seien junge, kommunikative Menschen, die dank Harald Schmidt und Konsorten nicht zu hundert Prozent politisch korrekt sind. Die, die sich über den Spot aufregen, gehören wahrscheinlich nicht zu den potenziellen "E wie einfach"-Kunden. Deren Zielgruppe reagierte bislang zwar auch empört – allerdings wegen der Reaktionen von offensichtlich eher konservativen Stromkunden. So kommentierte beispielsweise der Nutzer Weltenspalter: „Im Internet hieß eine Überschrift zum Thema "Eon-Tochter blamiert sich mit Kopfnuss-Video". Angesichts der Reaktionen hätte man schreiben sollen "Deutschland blamiert sich durch zwanghaft-reflexive Empörung über ein schlichtes Comedy-Video".“

Alle bekommen Fett weg
Wer sich durch das Comedyprogramm der Privatsender zappt, ist Schlimmeres gewohnt und hat wahrscheinlich über gleichwertige Sketche zumindest schon mal geschmunzelt. Gegen Mario Barth sind die Massen nicht Sturm gelaufen, sondern ins Stadion gerannt, um mindestens genauso diskriminierende, frauenfeindliche Witze zu hören. Um die Feministen unter den Empörten zu beruhigen, empfahl Nutzer JassesHarry bei der Videoplattform Youtube: „Einfach einen Spot drehen wo die Frau einem Mann eine Kopfnuss verpasst, und fertig.“ Zwar nicht genauso, aber so ähnlich ist das bereits geschehen – eine Frau opferte ihren Mann einem alles verschlingenden Alien. „Aufräumen kann so einfach sein“ - die Empörung blieb allerdings aus. Überhaupt nehmen die Werbespots von ‚E wie einfach’ diverse Typen aufs Korn – in einem weiteren Clip verprügelt eine ältere Dame einen jungen Mann mit Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacke mit ihrer Handtasche. Botschaft: „Widerstand kann so einfach sein.“

Diese Ausgewogenheit ist wichtig, sagt Grimmer. „Wenn man sich nur auf Frauen einschießt, das wäre problematisch“, sagt er. Wenn jeder sein Fett weg bekommt, ist alles okay. Deswegen kann man sich nun zu recht fragen, warum ausgerechnet der Spot zum Thema „einfach einschlafen“ aus dem Netz genommen wird. Grimmer ist sich sicher, es hätte gereicht, den Clip nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu zeigen. Im Umfeld von Late-Night-Shows hätte er niemanden gestört.

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