Werbespots Chefs schicken Mitarbeiter vor die Kamera

Ob bei Carglass, der Commerzbank oder der Rügenwalder Mühle: Mit ihren eigenen Mitarbeitern möchten Firmen in der Werbung für Vertrauen sorgen. Das kann jedoch schief gehen: Mit professionellen Schauspielern fahren Unternehmen meist besser.

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Welche Firmen am meisten für Werbung ausgeben
Platz 10 - Telekom - 183,3 Millionen Euro (Ausgaben für Werbung in Deutschland)Der rosa Riese aus Bonn wirbt nicht nur auf dem Trikot des FC Bayern München: Auch in der TV-Werbung ist der Telekommikationskonzern so präsent wie keiner der Konkurrenten. Insgesamt gab die Telekom 2012 rund 4,4 Prozent mehr für Werbung aus als im Vorjahr.Quelle: Nielsen Media Research, Stand: Jan - Nov 2012 Quelle: REUTERS
Platz 9 - McDonald's - 188,9 Millionen EuroDie US-Fastfood-Kette warb im vergangenen Jahr vor allem mit Spitzenkoch Alfons Schuhbeck und Bayern-Manager Uli Hoeneß. Für seine umfangreichen Kampagnen hat das Unternehmen 18,2 Prozent mehr ausgegeben als im Vorjahr - kein Unternehmen hat die Werbung stärker ausgebaut. Quelle: AP
Platz 8 - Lidl - 201,3 Millionen EuroWährend Konkurrent Aldi bisher noch auf TV-Werbung verzichtet, hat der Discounter im September eine Werbeoffensive im Fernsehen gestartet. Aus einem der größten Werbetöpfe des Landes werden zudem noch etliche Printbeilagen finanziert. Insgesamt stiegen die Werbeausgaben von Lidl um 6,9 Prozent. Quelle: ZB
Platz 7 - Volkswagen - 227,4 Millionen EuroKein Autohersteller gibt mehr Geld für Werbung in Deutschland aus als die Wolfsburger. Allein in der Bundesliga unterstützt der Volkswagen 12 Clubs mit einem Sponsoring. Dazu kommen etliche Spots und Anzeigen. Insgesamt ist der Werbeetat 10,9 Prozent höher als im Vorjahr. Quelle: dpa
Platz 6 - Unilever - 277,9 Millionen EuroÜber 400 Marken zählt das Riesenreich des niederländischen Konsumgüterkonzerns. Axe-Deo, Langnese-Eis, Knorr-Suppe - in kaum einem Werbeblock ist der Konzern nicht vertreten. Dabei wurde der Werbeetat in Deutschland im Jahresvergleich um 6,1 Prozent gekürzt. Quelle: dpa
Platz 5 - Axel-Springer-Verlag - 302 Millionen EuroDen 60. Geburtstag der größten deutschen Boulevard-Zeitung „Bild“ feierte der Verlag mit 41 Millionen Gratisexemplaren. Insgesamt stieg der Werbeetat der Berliner um rund 1,8 Prozent. Quelle: dapd
Platz 4 - L'Oreal - 315,2 Millionen EuroDas Kosmetikimperium aus Frankreich wirbt auch in 2012 kräftig für Lippenstifte, Shampoos und Hautcremes. Das Geschäft mit der Schönheit wird mit einem der größten Werbeetats Deutschlands befeuert - der 2012 auch noch um 1,6 Prozent gewachsen ist. Quelle: REUTERS

Düstere Musik, kalte Frankfurter Großstadtatmosphäre. Der aktuelle Commerzbank-Spot rückt die Bankenmetropole in ein so schlechtes Licht, wie die Kunden die ganze Branche wahrnehmen: Seit der Finanzkrise 2008 hat ihr Ruf gelitten – auch durch Nachrichten, wie der Teilverstaatlichung der Commerzbank. „Worin liegt es, dass man den Banken nicht mehr vertraut?“, fragt Commerzbank-Filialleiterin Lena Kuske, die im Kapuzenpulli durch die morgendliche Stadt joggt. „Wir haben die Gründe bei uns gesucht“, sagt sie – und führt an, was sich alles ändern soll.

„Mit den eigenen Mitarbeitern zu werben, kann eine Möglichkeit sein, um Vertrauen zu schaffen“, sagt Marktforscher Johannes Dorn vom Kölner Rheingold-Institut. „Besonders wirksam ist es bei Unternehmen, die schwer für die Allgemeinheit zu fassen sind, die undurchsichtig wirken und mit einer Unsicherheit verbunden sind. Die eignen Mitarbeiter geben dem Unternehmen dann ein Gesicht, sodass es psychologisch besser verortet werden kann.“ Speziell bei der Commerzbank biete sich ein solcher Spot nach all den Negativschlagzeilen daher an.

Außer die Commerzbank greifen auch die Autoreparaturfirma Carglass, die Baumarktkette Obi und der Wursthersteller „Rügenwalder Mühle“ in Werbespots auf ihre Belegschaft zurück. „Es gibt einen Trend hin zu Mitarbeitern in Kampagnen“, sagt Florian Haller, Hauptgeschäftsführer der Münchner Werbeagentur Serviceplan. „In unserer Zeit, die immer schnelllebiger und virtueller wird, suchen Menschen Orientierung und Halt. Und die beste Orientierung können Menschen geben.“

Seine Agentur steht unter anderem hinter den TV-Spots um Babynahrungsmittelproduzent Claus Hipp. „Wenn man die eigene Verantwortung betonen will, dann hat der Chef als Werbefigur nochmal ein ganz anderes Gewicht“, sagt Johannes Dorn. „Claus Hipp drückt außer seiner Verantwortung auch die Tradition und Regionalität des Familienbetriebs aus. Das hat eine andere Wirkung, als wenn man reguläre Mitarbeiter zeigen würde, die den Babybrei herstellen.“

Oftmals ergeben sich auch Alternativen, wenn eine Firma authentisch rüber kommen will: „Ich kann auch die Region zeigen, die Produktionsstätten, die Rohstoffe oder die Zulieferer“, sagt Dorn. Ob die Belegschaft in der Werbung sinnvoll ist, hängt von der Branche ab. „Authentizität bedeutet im Lebensmittelbereich etwas anderes als in der Autobranche.“

Wann Schauspieler sinnvoller sind

Die besten Viralkampagnen
Screenshot von hunter and bear's birthday party Quelle: Screenshot
screenshot youtube Quelle: Screenshot
Drama-Button27,9 Millionen Menschen haben den Clip mit dem Drama-Button schon geklickt. Für die Etablierung eines Fernsehsenders in Belgien wurde in einer belgischen Stadt auf einem öffentlichen Platz ein roter Knopf mit der Aufschrift "Push to add drama" installiert. Das Video zeigt, was passiert, nachdem sich die Belgier ein bisschen mehr Drama gewünscht haben. Die Botschaft des Fernsehsenders: "Wir haben ihre tägliche Dosis Drama." Die Zuschauer waren begeistert. Quelle: Screenshot
Old Spice Wer das Duschgel von Old Spice - einer Marke von Procter & Gamble benutzt, wird dadurch zwar nicht aussehen, wie Kampagnen-Model Isaiah Mustafa - aber er kann wenigstens so riechen. Selbstironie gefällt, de Internet-Gemeinde liebt die vielfältige, kreative Old Spice-Werbung. Unter anderem gibt es von der Marke auch personalisierte Clips für bestimmte Personen, die in den Videos direkt angesprochen werden. Und wer möchte nicht so riechen, als hätte er Diamanten, ein Boot und einen Waschbrettbauch? Quelle: Screenshot
Darth Vader Die Macht ist mit den VW-Fahrern: Der Clip mit dem Mini-Darth Vader, der das Auto seines Vaters per Handzeichen anhält, wurde von mehr als 34 Millionen Youtube-Nutzern gesehen. Dazu kommen noch alle Zuschauer des Super-Bowl. 25.000 begeisterte Youtube-Kommentare veranlassten die Volkswagen-Marketing Abteilung, den Clip "the Force" künftig auch im deutschen Fernsehen auszustrahlen. Quelle: Screenshot
Diet Coke und Mentos Ein kleines Experiment brachte Coca Cola und Mentos jede Menge Gratis-Werbung ein. Die Cola-Kaubonbon-indizierte Explosion haben Millionen Menschen auf der Welt gesehen, nachgemacht und die Videos verbreitet. Für beide Unternehmen sind die witzigen Clips ein voller Erfolg. Quelle: Screenshot
Evian Babies Dem Kindchen-Schema sei Dank sahen mehr als 30 Millionen Menschen, wie Evian-Wasser Säuglinge zum Rollschuh laufen bringt. Und das auch noch sehr erfolgreich: Die Babys in dem Evian-Clip fahren auf Skates Slalom um Flaschen und zeigen sich für ihr Alter sehr sportlich. Quelle: Screenshot

Auch Werbefachmann Florian Haller rät davon ab, wahllos die Mitarbeiter vor die Kamera zu schicken. „Das macht keinen Sinn. Es muss auch eine Idee dahinter stecken.“ Bei McDonald’s werben etwa die eigenen Mitarbeiter, wenn es um Nachhaltigkeit oder Recruiting geht. Die Düsseldorfer Werbeagentur Castenow entwickelt außer für McDonald’s, auch Personalkampagnen für Rewe oder die Targobank und setzt dabei stets auf die eigenen Mitarbeiter als Botschafter der Arbeitgebermarke – ob in TV-Spots, sozialen Medien oder im persönlichen Umfeld. „Vor allem die Mitarbeiter selbst müssen hinaustragen, was für ein guter Arbeitgeber ihr Unternehmen ist", sagt Hubert Hundt, Leiter der strategischen Planung der Agentur.

Allerdings setzen Unternehmen auch auf eigene Mitarbeiter, ohne dass dies direkt ersichtlich ist. Der schwäbische Unterwäschehersteller Comazo verzichtet etwa im Online-Shop und auf Plakaten auf  professionelle Models und schickt seine Beschäftigten in BH oder Boxershorts vor die Kamera. Florian Haller zufolge ginge es bei solchen Aktionen nicht immer nur um die Außendarstellung. „So eine Kampagne hat auch immer eine Wirkung nach innen. Dabei geht es darum, die Mitarbeiter miteinzubeziehen und zu motivieren.“

Die zehn absurdesten Werbeslogans
Come in and find out- So lautet der bekannte Werbeslogan von Douglas. Doch haben sich die Marketingstrategen überlegt, wie dieser Slogan auch übersetzt werden kann? Komm herein und verlasse das Geschäft wieder war bestimmt nicht die Intention. Neuerdings setzt die Parfümerie auf deutsche Werbeslogan. Quelle: dapd
Deutsche Post-die Post für Deutschland. Das Unternehmen mit Sitz in Bonn hat sich zwar für die deutsche Sprache entschieden. Doch was sagt die Deutsche Post konkret aus? Wird die Post zukünftig nur noch in Deutschland verschickt werden? Unvorstellbar, denn die Deutsche Post/DHL ist der größte Logistikkonzern der Welt, der sicherlich nicht auf den ausländischen Absatzmarkt verzichten will. Quelle: dpa
Nach Geiz is geil folgt geil ist geil. Der erste Slogan war noch nachvollziehbar wenn auch plump. Der neue Werbespruch hingegen entbehrt jeder Logik. Welches Kundenklientel will Saturn hier ansprechen? Wie wird der zukünftige Spruch lauten? Vielleicht geil ist geiler, so käme dann der Superlativ ins Spiel. Quelle: dpa/dpaweb
Mit dem neuen Slogan For you-vor Ort wollte Schlecker sein Image aufpolieren. Kurz und prägnant, mit einem Hauch englischer Sprache. Doch der Werbespruch ist nichtssagend und so gar nicht modern. Vielmehr klingt er holprig, gezwungen neu. Gebracht hat das neue Image nichts. Schlecker ist zerschlagen. Quelle: dpa
Die Brauerei Beck`s setzt ganz auf die englische Sprache. Welcome to the Beck's Experience heißt es in der Werbung. Welche Erfahrung hier gemacht werden soll, bleibt allein das Geheimnis der Marketingabteilung des Unternehmens. Ist es etwa der Rausch durch übermäßigen Alkoholkonsum? Quelle: AP
Wenn du kein IPhone hast, dann hast du kein IPhone. Klarer kann ein Werbespruch nicht sein, dachten sich wohl auch die Erfinder dieses Spruchs. Dabei bleibt nur noch eins zu klären: Was will uns Apple eigentlich sagen? Quelle: REUTERS
Be inspired lautet die Devise des Konzerns. Automatisierungstechnik, Energieversorgung, Medizintechnik und Verkehrstechnik sind die Geschäftsfelder des Unternehmens. Stellt sich die Frage, wieso gerade Siemens zur Inspiration einlädt. Oder soll der Endverbraucher etwa neue Ideen einbringen? So lassen sich zumindest enorme Kosten im Marketing einsparen. Quelle: dpa

Im Zweifel rät Haller jedoch zu professionellen Schauspielern oder Models. „Am Ende kann das sogar natürlicher wirken, weil viele Menschen vor Kameras nicht entspannt agieren.“ So verzichtete seine Agentur bei der aktuellen Kampagne für die Elektronikmarktkette Saturn „Bei Technikfragen, Tech-Nick fragen“ auf einen echten Mitarbeiter – obwohl die zentrale Figur „Tech-Nick“ einen Kundenberater darstellen soll. „Es geht darum, dass der Tech-Nick die Kunden im Geschäft unterhaltsam und humorvoll berät. Dafür braucht man einen echten Schauspieler, der diesen Humor perfekt transportiert“, sagt Haller. „Anders sieht es aus, wenn wir mit einer Kampagne, weniger einen Unterhaltungswert, sondern Glaubwürdigkeit erzielen wollen.“

Das sieht auch Johannes Dorn so: „Wenn es um Vertrauensaufbau geht und sich die Mitarbeiter als gecastete Schauspieler entpuppen, wäre das fatal“, sagt der Marktforscher. „Wenn der Beziehungsaufbau zu den Kunden auf einer Unwahrheit basiert, wird das nicht funktionieren.“

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