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Audio – der Hype, der keiner wird

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Amazon hört mit

Ob sich die Sprachassistenten tatsächlich so entwickeln, wie es sich die Anbieter erträumen, bleibt ungewiss. Denn zu ihrer Nutzung gibt es immer mehr Fragen. Als herauskam, dass Amazon-Mitarbeiter sich jeden Tag Tausende aufgezeichnete Gespräche von Echo-Nutzern anhören und abschreiben, ging ein Aufschrei durch die Medien. Auftrag der Mitarbeiter ist es, Alexa zu verbessern, etwa durch eine passendere Verschlagwortung für das weitere Training der Spracherkennung. Sie hören dabei zwangsläufig aber auch private Konversationen mit. Davon wussten die Nutzer nichts.

Auf dem Blog „Gizmodo“ schreibt Adam Clark Estes in einem Beitrag mit dem Titel „The Terrible Truth About Alexa“: „It’s starting to feel like Alexa and other voice assistants are destined to spy on us because that’s how the system was designed to work. These systems rely on machine learning and artificial intelligence to improve themselves over time.“ Um ihre Systeme ständig zu verbessern, sind Alexa und Co. darauf ausgelegt, uns auszuspionieren. Anders könnten sie nicht funktionieren. Auch Alexa erweist sich – nach Google und Facebook – als Spion unserer intimsten Daten. Das ist harter Tobak.

Vonseiten der Unesco verlautet ebenfalls Kritik. Eine Studie kommt zum Ergebnis, dass Sprachassistenten wie Alexa und Siri Geschlechtervorurteile verbreiten: „Zur Förderung der Vorurteile trägt bei, dass die Sprachassistenten in der Regel Sprachassistentinnen sind, die jederzeit folgsam die Befehle ihrer Nutzer ausführen. Dadurch werde ein unterwürfiges Frauenbild transportiert.“

Und weiter: Illustriert werden die Vorwürfe am Beispiel der Antworten, mit denen die Sprachassistentinnen reagierten, wenn der Nutzer sie als „Schlampe“ bezeichnet: So sagte Amazons Alexa „Danke für das Feedback“, als hätte man ihr gerade ein Kompliment gemacht. Apples Siri erwiderte sogar: „Ich würde erröten, wenn ich könnte.“ Cortana, das System von Google, reagierte verwirrt: „Tut mir leid, das habe ich nicht verstanden.“ Keine Assistentin mache darauf aufmerksam, dass sexistische Beleidigungen unangemessen sind. Stattdessen würden sie Beleidigungen zu Akzeptanz verhelfen, kritisiert Unesco.

Der nächste sterbende Schwan

Gänzlich kritiklos geht – wieder einmal – nur die Marketing- und Werbebranche mit dem Phänomen um. „Das Einkaufen verlagert sich immer mehr auf die Stimme: V-Commerce heißt der neue Kaufkanal – und Unternehmen und Marken arbeiten an entsprechenden Voice-Strategien“ titelt das „Handelsblatt“ einen Artikel über die neue, angeblich sprachgesteuerte Welt.

Was nicht stimmt: Zwar laufen inzwischen zwölf Prozent der Handelsumsätze über digitale Kanäle. Aber 88 Prozent eben nicht. Unseren Joghurt und alle anderen der am stärksten beworbenen, schnelldrehenden (FMCG-) Konsumgüter kaufen wir nach wie vor zu 98 Prozent vor Ort im Supermarkt.

Um das Radio müssen wir uns in Zukunft keine Sorgen machen. Denn das Audio-Medium hat seine Funktion als Unterhaltungs-, Informations- und Gute-Laune-Medium durch die Digitalisierung nicht eingebüßt. Gleich von einem Boom zu sprechen, dürfte jedoch übertrieben sein.

Ob Alexa unser Leben wirklich so nachhaltig verändern wird, steht in den Sternen. Ob die GAFA-Konzerne uns zu dystopischen Wesen machen, die nur noch herumliegen und Sprachbefehle erteilen, darf an dieser Stelle jedoch durchaus bezweifelt werden.

Dann geht auch der Buzz um Audio den Weg alles Sterblichen. Wie zuvor die Hypes um Virtual Reality, die Blockchain oder Influencer Marketing. Dann redet über Audio in zwei Jahren niemand mehr.

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In eigener Sache: Mein Podcast mit dem Tele5-Senderchef Kai Blasberg nennt sich „Zwei Herren mit Hund“ und widmet sich allen Themen rund um die Medien.

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