Werbesprech

Das große Kunden-Erwachen

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Das größte Problem: Transparenz

Noch deutlicher wurden die Werbungtreibenden auf dem diesjährigen Deutschen Marketing Tag (DMT) in Hannover. Ob Sprachassistenten, Künstliche Intelligenz oder Blockchain - eine Vielzahl neuer Technologien verändert das Marketing nachhaltig. Doch die Kompetenz darüber, welche dieser Technologien wie zum Einsatz kommen sollen, ist in den Unternehmen höchst unterschiedlich ausgeprägt - insbesondere im Mittelstand, wo die Marketingabteilungen nicht beliebig ausgebaut werden können.

Dabei ist nicht mangelnde Kompetenz das größte Problem, sondern die Transparenz. Viele Unternehmen wissen nicht, was mit ihrem Werbegeld geschieht und ob es wirksam investiert wird. Eine aktuelle Analyse des Mediaberatungsunternehmens Ebiquity kommt zum Schluss, dass von jedem Euro, der in programmatisch eingekaufte Werbekampagnen investiert wird, nur noch 15 bis 20 Cent bei der gewünschten Zielgruppe ankommen: „Ein Großteil geht bereits auf den verschlungenen technologischen Wegen des automatisierten Werbeplatz-Handels verloren.“ Die Agenturen würden diese Kosten nach wie vor nicht transparent machen.

Dieser Geldvernichtung gehen immer mehr Unternehmen aus dem Weg und holen sich die Programmatic-Technik ins eigene Haus. So bleiben sie auch Herr ihrer eigenen Daten. Markus Koch, Managing Director bei redblue/Media Markt Saturn, ging diesen Weg. Ihm waren die Agenturen nicht effizient und nicht transparent genug. In den USA haben bereits 80 Prozent der Unternehmen ihren Agenturen Aufgaben wie den Programmatic-Mediaeinkauf entzogen.

Insbesondere die Mediaagenturen müssen die Transparenz ihrer Arbeit steigern, wenn sie nicht von ihren Kunden entsorgt werden wollen. Nach einer Berechnung, die ich auf dem DMT vorstellte, haben die marktbeherrschenden Mediaagenturen - seitdem die Preise für Anzeigen, Spots und Displays frei verhandelt werden - dem Werbemarkt in Summe 5-6 Milliarden Euro entzogen und in die eigene Tasche gewirtschaftet. Alle Bemühungen der Werbungtreibenden, diesen Geldfluss aufzuhalten und wieder Herr der eigenen Werbegelder zu werden, scheiterten.

Blockchain auf dem Vormarsch

Das lässt die Werbekunden nicht kalt. Sie hoffen nun auf die Blockchain. Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center, erklärte auf dem Marketing Tag, dass sich die Blockchain im Finanzwesen in wenigen Jahren als Standard durchsetzen wird. Das wird die finanziellen Transaktionen beim Mediaeinkauf ebenso betreffen. Zusammen mit IBM baut Unilever derzeit eine Blockchain für seinen Mediaeinkauf. Ziel ist es, Transparenz endlich auch darüber zu erhalten, wo digitale Werbung ausgespielt wird und dem Ad Fraud entgegenzuwirken.

Noch ist die Blockchain Zukunftsmusik. In Deutschland haben 9 von 10 Unternehmen einer Studie des Branchenverbandes Bitkom zufolge noch nicht einmal darüber nachgedacht, ob und wie Blockchain genutzt werden könnte.

Düstere Zeiten für Mediaagenturen jedenfalls. Sie tun gut daran, selbst an Blockchain-Lösungen für ihre Kunden zu arbeiten. Die Technologie macht sie ansonsten sehr schnell überflüssig. Ihre Kunden sehen in der Blockchain die Chance, Dauerbaustellen im Digitalen wie Brand Safety und Intransparenz in den digitalen Wertschöpfungsketten zu lösen.

Die Werbekunden scheinen aus dem Dornröschenschlaf der letzten Jahre erwacht zu sein. Sie stellen dem Werbemarkt Forderungen in nie dagewesener Lautstärke. Und das mit Recht.

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