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Der Fall Playboy: Wenn Marken ihren Kern verlieren

Wenn der Playboy sich der nackten Damen entledigt, angeblich weil es Sex an jeder Internet-Ecke gibt, ist das beispielhaft - für die Mainstreamisierung unserer Marken- und Medien-Landschaft. Und falsch.

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Nackte Häschen und ein neues Männerbild
So kennt man den Playboy. Frauen in Häschenkostüm, ein Cover mit einer nackten, meist blonden Frau und Männer, die sich die erotischen Fotos anschauen. Seit nunmehr 60 Jahren gilt der Playboy als das Herrenmagazin unter den Herrenmagazinen. Zahlreiche Frauen haben durch die erotischen Fotos im Playboy ihrer Karriere neuen Schub verliehen, manche sorgten für einen Skandal und andere gerieten schnell wieder in Vergessenheit. Quelle: imago images
Und er ist der Erfinder: Hugh Hefner. Auf die Idee kam er während seines Militärdienstes. Dort sah er, wie sich die jungen Soldaten Pin-Up-Fotos in ihre Schränke und Wände hingen. Nach seinem Dienst machte sich Hefner an die Arbeit, ein neuartiges Magazin zu schaffen. Das Geld dafür lieh er sich bei der Familie, bei Freunden und Banken. Er wusste, dass der Playboy eines von vielen Magazinen werden würde, sollte es nur Fotos von nackten Frauen zeigen. Denn diese gab es damals schon zuhauf. In der Öffentlichkeit aber waren sie verpönt. Deswegen reichten erotische Fotos von jungen Frauen nicht. Zum Kultobjekt machte er sein Magazin, indem er ein neues Idealbild vom Mann entwarf – den anspruchsvollen urbanen Junggesellen, der Kaschmirpullis trägt, Pfeife raucht und Cocktails schlürft sowie Jazz, Literatur und eben auch die Schönheit der Frauen genießt.(Auf dem Foto: Playboy-Herausgeber und Chefredakteur Hugh Hefner mit der ersten Ausgabe, dessen Cover Mariyln Monroe ziert) Quelle: AP
Sie war die erste Frau, die sich für den Playboy auszog. Marilyn Monroe. Die Fotos sorgten für Furore und machten die blonde Schönheit über Nacht zum Weltstar. Zu verdanken hatte sie ihren Ruhm dem Playboy-Herausgeber Hugh Hefner. Mit dem geliehenen Geld klebte er die erste Playboy-Ausgabe am heimischen Küchentisch zusammen. Der Erfolg war atemberaubend. Die erste Ausgabe verkaufte sich im Dezember 1953 rund 55.000 Mal. Quelle: dpa-dpaweb
Der „Playboy“ traf den Zeitgeist, und Anfang der 70er Jahre war „Hef“ auf dem Zenit seines Erfolgs: Zu seinem weltweiten Imperium gehörten fast zwei Dutzend Playboy-Clubs sowie Platten-, TV- und Filmfirmen und die berühmte Playboy Mansion in Los Angeles mit der Liebesgrotte und den zahllosen Schlafzimmern, wo er Swingerpartys für die Schönen und Reichen veranstaltete. Quelle: imago images
Um dieses Leben beneiden ihn viele Männer. Umgeben von seinen blonden „Häschen“ gilt Hefner seitjeher als der Innenbegriff des Lebemanns. Steven Watts, Autor der Biographie „Mr. Playboy“, nennt Hefner eine „Ikone des modernen amerikanischen Lebensstils“. Und indem der Verleger die Pin-Ups mit Literatur und Politik kombinierte, wurde der „Playboy“ zu einem Heft, das der Mann nicht unter der Matratze zu verstecken brauchte: „Ich kaufe ihn nur wegen der Artikel“, wurde zum Standardwitz. Tatsächlich zielte das Magazin darauf ab, den Sex von der Aura des Anrüchigen zu befreien. Quelle: REUTERS
Im Laufe der Jahre ließen etliche Stars die Hüllen für den Playboy fallen. Sie zierte dabei am öftesten das Cover des Playboys. Insgesamt 13 Mal zog sich Baywatch-Nixe Pamela Anderson für das Magazin aus. Sie galt als die „Sexbombe“ der neunziger Jahre und sorgte zudem bei Schönheitschirurg für volle Patientenzimmer. Denn Pamela Andersons übergroßen Brüste kamen nicht von Mutter Natur. Sie half mit Silikon nach und löste damit einen Hype aus, dem zahlreiche Frauen folgten, die sich ebenfalls unter das Messer legten. Quelle: dpa Picture-Alliance
Mit solchen Aufnahmen ließ sie die Männerwelt schwach werden. Jahrelang war Pamela Anderson sogar die meistgeklickte Frau im Internet. Zuletzt zog sich Pamela Anderson 2010 für den Playboy aus – mit 43 Jahren. Quelle: dpa Picture-Alliance

Der US-Playboy verbannt die Nackten aus seinem Blatt. Was wie ein schlechter Aprilscherz klingt, ist ernst gemeint und lässt an der Markenführung einer der größten Ikonen der Verlagsgeschichte zweifeln. 1953 von Ober-Playboy Hugh Hefner gegründet (heute 89 und mit einem 60 Jahre jüngeren Ex-Playmate verheiratet), erreichte das berühmteste aller Männermagazine in der Spitze eine Auflage von 5,6 Millionen Exemplaren. Und nein, Millionen Männer kauften sich den Playboy keinesfalls „wegen der tollen Interviews“, sondern in erster Linie wegen der nackten Frauen und dem ausklappbaren Centerfold.

Fakten über das „Playboy“-Magazin

Jahrzehntelang hat man die Playboy-Interviews, Essays und Kurzgeschichten als bloßes Feigenblatt für die nackten Damen angesehen. Durchaus jedoch als recht gutes Feigenblatt und mit großem Erfolg, denn man versammelte immerhin Namen wie Martin Luther King, John Lennon, Truman Capote, John Updike, Norman Mailer und Woody Allen im Blatt. Und, Chapeau!, sogar den Dalai Lama.

Die Begründung des Hedgefonds-Managers und heutigen Playboy-Chefs Scott Flanders für den epochalen Schritt, man sei heute jederzeit nur einen Klick „von jeder denkbaren Sex-Handlung entfernt“ und das Nackt-Konzept daher im Zeitalter digitaler Medien überholt, erweist sich dabei ebenso als Feigenblatt. In Wirklichkeit haben sich die Medien längst abhängig gemacht von der Durchleitungsfunktion prüder, sozialer Plattformen wie Facebook, die Nacktheit eben nicht dulden. Daher hatte man die nackten Damen bereits im August vergangenen Jahres aus der Online-Ausgabe verbannt. Heute entscheiden also nicht Chefredakteure, sondern Facebook und damit die digitale Monetarisierung über Ausrichtung und Inhalte unserer Medien. Das ist bedenklich.

Playboy: die beliebtesten Cover-Promis 2014

Eine Ohrfeige für die Zielgruppe

Unabhängig davon gilt jedoch ab März „nacktfrei“ nun auch für die Print-Ausgabe, von der in den USA nur noch 800.000 Exemplare monatlich über den Ladentisch gehen. Nun wird also auch die Marke Playboy von Finanzinvestoren getrieben, die sich einen feuchten Kehricht um die Marken-DNA scheren. Flanders hält ohnehin nicht viel von den Lesern seines Magazins. Sie seien „älter und weniger wohlhabend als die digitalen Konsumenten“, sagte er in einem Interview. Dass in jedem Land der Konsum-Welt ältere Konsumenten über höhere Einkommen als die Digital Natives verfügen, blendet er schlichtweg aus. Hedgefonds-Manager sind offenbar keine sonderlich erfahrenen Medienmanager.

Playboy-Deutschland-Chef Florian Boitin, der mit der deutschen Lizenzausgabe immerhin 168.000 Exemplare verkauft, macht da (noch) nicht mit. Er verweist auf den Kern der erfolgreichen Marke: Der Playboy stünde für geistreichen und mutigen Journalismus. „Und Playboy hat die anspruchsvolle erotische Fotografie gesellschaftsfähig gemacht.“ Der Mann hat recht. Raubt man dem Playboy die Erotik, zerstört man den Kern der Marke. Dieser Einschnitt in die DNA der Marke dürfte die Daseinsberechtigung („Reason Why“) und Existenz des einstigen Platzhirschen unter den Männermagazinen massiv in Frage stellen.

Was kauft der Leser von heute?

Wie sähen andere Marken aus, wenn man sie ihres DNA-Kerns beraubte? Audi ohne Fortschritt, BMW ohne Fahrfreude und Dynamik, Nutella ohne Haselnüsse, Ferrero ohne Küsschen, Coca-Cola ohne Koffein, McDonald’s ohne Big Mac, Heinz ohne Ketchup, Ritter Sport nicht-mehr-quadratisch als Langtafel. Commerzbank ohne Jogger an unserer Seite, die Deutsche Bank ohne Leistung und Leidenschaft (zugegeben, beides wäre durchaus vorstellbar). Oder Apple ohne iPhone und „Think different“, die inzwischen sogar Interesse an der DNA ihrer Kunden bekunden.

Diese wenigen Beispiele zeigen, wie absurd es ist, einer Marke das zu nehmen, was sie ausmacht, was sie von anderen unterscheidet. Man reißt ihr das Herz aus dem Brustkorb. Einen solchen Harakiri-Akt müssten selbst Marketing- und Medien-unerfahrene Finanzmanager als falsch begreifen. In einem Spiegel-Kommentar schreibt Benjamin Maack: „Flanders' Schachzug entspricht auf eine erschreckende Art dem Zeitgeist. Denn er ist ein Symptom für eine Entwicklung, die unsere Medien verändert: Bei Zeitungen und Magazinen, in TV, Radio und Internet entscheiden immer öfter Menschen, die sich besser mit Zahlen auskennen als mit Journalismus. Nicht verwunderlich. Schließlich stellen sie die Fragen, die Vorstände gern hören: Was lohnt sich? Was wollen die Werbekunden? Und was kauft der Leser von heute? Das wird sich kaum ändern lassen.“

Deutsche Marken dominieren im Vertrauensranking
Platz 9: BoschEine gemeinsame Untersuchung von MDR-Werbung und dem IMK Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung hat 3.000 Menschen in Ost und West nach ihrem Markenvertrauen befragt. Die Angesprochenen sollten spontan sagen, welcher Marke sie am meisten vertrauen und warum. Die erstmals erhobene Studie enthält mehr als 90.000 Statements, Insgesamt sind über 1.700 Marken genannt worden. Die Auswertung stellte schließlich ein Ranking der zehn aus deutscher Sicht vertrauenswürdigsten Marken zusammen. Beziehungsweise: Der Top 9. Das Familienunternehmen Bosch, von 1,5 Prozent der Befragten spontan genannt, liegt nämlich gleichauf mit ...Quelle: MDR-Werbung und IMK Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung Quelle: dpa
Platz 9: Dr. Oetker... Dr. Oetker. Auch der Lebensmittelhersteller aus Bielefeld schafft Deutschlandweit bei 1,5 Prozent der Menschen das meiste Vertrauen. Als Indikator für Markenvertrauen nannten Befragte Qualität (für 15,9 Prozent) und gute Erfahrungen, beziehungsweise Zufriedenheit mit einer Marke (16,7 Prozent) – mit weitem Abstand als wichtigstes Kriterium gilt aber die Tradition einer Marke (25,6 Prozent). Nur wer sich lange am Markt bewährt hat, dem wird wirklich Vertrauen entgegengebracht. „Die spontane Benennung ist die härteste Währung die es gibt, denn es schaffen nur die Marken in die Köpfe und Herzen der Verbraucher, die über ein Maximum an Strahlkraft verfügen“, sagt MDRW-Geschäftsführer Niels N. von Haken über die Ergebnisse der bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Quelle: dpa
Mercedes-Benz Quelle: dpa
Miele Quelle: AP
Volkswagen Quelle: dpa
maggi Quelle: dpa
Adidas Quelle: dpa

Die Zukunft heißt Mainstream

So entsteht Mittelmaß. So werden nach und nach alle journalistischen Produkte gleichgeschaltet und austauschbar. Es dauert nicht mehr lange, dann ist es vorbei mit spannenden Medien, die uns überraschen, die nicht einem von Hedgefonds geprägten Monetarisierungs-Mainstream folgen.

Wir erleben es beim Fernsehen, wo schon längst die Quote regiert und die Redaktionen nur das produzieren lassen, was die Mehrheit der Zuschauer sehen mag. Wir erleben es im Internet, wo Journalisten - die ohnehin bald von Robotern ersetzt werden - dann bald nach Klicks bezahlt werden und ihren Lesern folglich nach dem Mund schreiben. Nun schlägt die gleiche Niveau-Nivellierung auch auf den Zeitschriftenmarkt durch.

Die Digitalisierungspropheten hatten uns das Gegenteil versprochen. Mehr Individualität, mehr Orientierung an Verbraucherwünschen, mehr Wirkung. Stattdessen erleben wir mehr Werbe-Müll, mehr Medien-Müll und eine immer weiter absinkende Online-Werbewirkung.

Der Vorgang um den Playboy ist beispielhaft. Wir tragen die Ära der Individualität zu Grabe. Eine Zeit, in der mutige Menschen das schufen, wovon sie träumten und ihnen wichtig war. Was heute nicht durch Tests und Marktforschung abgesichert ist, bekommt nicht den Segen der Investoren. Hugh Hefner hätte heute, wäre er auf die Finanzierung seiner tollkühnen Idee angewiesen, seinen Playboy niemals gründen können. Wenn er noch ein paar Jahre an der Seite seiner jungen Frau durchhält, wird er den Untergang seines Traumes erleben. Die Investoren können schon heute den Pressetext vorformulieren: „Der Playboy war einfach nicht mehr zeitgemäß…“

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