Der US-Playboy verbannt die Nackten aus seinem Blatt. Was wie ein schlechter Aprilscherz klingt, ist ernst gemeint und lässt an der Markenführung einer der größten Ikonen der Verlagsgeschichte zweifeln. 1953 von Ober-Playboy Hugh Hefner gegründet (heute 89 und mit einem 60 Jahre jüngeren Ex-Playmate verheiratet), erreichte das berühmteste aller Männermagazine in der Spitze eine Auflage von 5,6 Millionen Exemplaren. Und nein, Millionen Männer kauften sich den Playboy keinesfalls „wegen der tollen Interviews“, sondern in erster Linie wegen der nackten Frauen und dem ausklappbaren Centerfold.
Fakten über das „Playboy“-Magazin
1953 produziert Hugh Hefner die erste Ausgabe des Männer-Magazins „Playboy“. Darauf posiert Marilyn Monroe in einem tief ausgeschnittenen Kleid. Das Foto war ursprünglich für einen Kalender gedacht. Auf die Frage der Journalisten, was sie denn getragen habe, soll Monroe geantwortet haben: „Chanel No. 5.“
Quelle: schweizer-illustrierte.ch
Das meistverkaufte Heft erscheint im November 1972 und wandert über 7 Millionen Mal über den Ladentisch. Auf dem Cover war das Model Pam Rawlings zu sehen. Die Ausgabe mit Farrah Fawcett auf dem Titel aus dem Jahr 1995 gilt mit über 4 Millionen verkauften Exemplaren als das bestverkaufte Heft der 90er-Jahre. Fawcett ist damals 48 Jahre alt.
1976 sorgt das Interview mit Jimmy Carter für Furore. „Ich habe in meinem Herzen schon Ehebruch begangen“, gesteht der damalige US-Präsidentschaftskandidat.
Cindy Crawford ist das erste Supermodel, das 1988 sich für den „Playboy“ auszieht.
Pamela Anderson posiert insgesamt 14 Mal für das Cover des Magazins und hält somit den Rekord. 2010 spendet sie ihre Gage von 25.000 Dollar an die Charity-Organisation „Waves for Water“, die sich für sauberes Trinkwasser einsetzt.
Heidi Klum möchte sich 2003 trotz einer Gage von 885.000 Dollar nur unter der Bedingung, dass die Fotos schwarz-weiß sind, ablichten lassen. Hugh Hefner ist damit nicht einverstanden und zieht sein Angebot zurück. Seiner Meinung nach lassen sich farbige Bilder besser verkaufen.
Das neuseeländische Model Rachel Hunter kassiert 2004 für Striptease im Magazin die Rekordsumme von beinahe zwei Millionen Dollar.
2008 lehnt Jennifer Aniston – sie zieht sich zuvor für die Zeitschrift „GQ“ aus – das Angebot von vier Millionen Dollar für ein Shooting ab. Ihre Begründung: „GQ ist Kunst, Playboy ist Sex.“
Im Mai 2011 lösen die Bilder der deutschen Ausgabe eine bundesweite Debatte aus: Sila Sahin, die noch zu der Zeit täglich in der Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ zu sehen ist, ziert als erste Deutsch-Türkin nackt das Cover.
Die Zeitschrift darf in China, Malaysia, Thailand, Indien, Singapur und Brunei nicht verkauft werden. Ebenfalls verboten sind die Magazine im Iran, in Saudi-Arabien und in Pakistan. Aufgrund massiver Proteste in Indonesien werden in den „Playboy“-Ausgaben keine komplett nackten Frauen abgebildet – der Schwerpunkt liegt auf einer hohen Textqualität.
Jahrzehntelang hat man die Playboy-Interviews, Essays und Kurzgeschichten als bloßes Feigenblatt für die nackten Damen angesehen. Durchaus jedoch als recht gutes Feigenblatt und mit großem Erfolg, denn man versammelte immerhin Namen wie Martin Luther King, John Lennon, Truman Capote, John Updike, Norman Mailer und Woody Allen im Blatt. Und, Chapeau!, sogar den Dalai Lama.
Die Begründung des Hedgefonds-Managers und heutigen Playboy-Chefs Scott Flanders für den epochalen Schritt, man sei heute jederzeit nur einen Klick „von jeder denkbaren Sex-Handlung entfernt“ und das Nackt-Konzept daher im Zeitalter digitaler Medien überholt, erweist sich dabei ebenso als Feigenblatt. In Wirklichkeit haben sich die Medien längst abhängig gemacht von der Durchleitungsfunktion prüder, sozialer Plattformen wie Facebook, die Nacktheit eben nicht dulden. Daher hatte man die nackten Damen bereits im August vergangenen Jahres aus der Online-Ausgabe verbannt. Heute entscheiden also nicht Chefredakteure, sondern Facebook und damit die digitale Monetarisierung über Ausrichtung und Inhalte unserer Medien. Das ist bedenklich.
Playboy: die beliebtesten Cover-Promis 2014
Kennedy Summers, Playmate des Jahres 2014, Dezember 2014
59.282 verkaufte Ausgaben
Sandra Speichert, Schauspielerin, September 2014
70.168 Ausgaben
Tanja Szewczenko, ehemalige Eiskunstläuferin und Schauspielerin, Mai 2014
Sonja Kirchberger, Schauspielerin
Kate Moss, Model, Februar 2014
Miriam Gössner, Biathletin, März 2014
„Playboy-WM-Elf“, Juli 2014
Christine Theiss, Ex-Kickbox-Weltmeisterin, Oktober 2014
104.508 Ausgaben
Playmate-Kalender-Ausgabe, Januar 2014
168.412 Ausgaben
Eine Ohrfeige für die Zielgruppe
Unabhängig davon gilt jedoch ab März „nacktfrei“ nun auch für die Print-Ausgabe, von der in den USA nur noch 800.000 Exemplare monatlich über den Ladentisch gehen. Nun wird also auch die Marke Playboy von Finanzinvestoren getrieben, die sich einen feuchten Kehricht um die Marken-DNA scheren. Flanders hält ohnehin nicht viel von den Lesern seines Magazins. Sie seien „älter und weniger wohlhabend als die digitalen Konsumenten“, sagte er in einem Interview. Dass in jedem Land der Konsum-Welt ältere Konsumenten über höhere Einkommen als die Digital Natives verfügen, blendet er schlichtweg aus. Hedgefonds-Manager sind offenbar keine sonderlich erfahrenen Medienmanager.
Playboy-Deutschland-Chef Florian Boitin, der mit der deutschen Lizenzausgabe immerhin 168.000 Exemplare verkauft, macht da (noch) nicht mit. Er verweist auf den Kern der erfolgreichen Marke: Der Playboy stünde für geistreichen und mutigen Journalismus. „Und Playboy hat die anspruchsvolle erotische Fotografie gesellschaftsfähig gemacht.“ Der Mann hat recht. Raubt man dem Playboy die Erotik, zerstört man den Kern der Marke. Dieser Einschnitt in die DNA der Marke dürfte die Daseinsberechtigung („Reason Why“) und Existenz des einstigen Platzhirschen unter den Männermagazinen massiv in Frage stellen.
Was kauft der Leser von heute?
Wie sähen andere Marken aus, wenn man sie ihres DNA-Kerns beraubte? Audi ohne Fortschritt, BMW ohne Fahrfreude und Dynamik, Nutella ohne Haselnüsse, Ferrero ohne Küsschen, Coca-Cola ohne Koffein, McDonald’s ohne Big Mac, Heinz ohne Ketchup, Ritter Sport nicht-mehr-quadratisch als Langtafel. Commerzbank ohne Jogger an unserer Seite, die Deutsche Bank ohne Leistung und Leidenschaft (zugegeben, beides wäre durchaus vorstellbar). Oder Apple ohne iPhone und „Think different“, die inzwischen sogar Interesse an der DNA ihrer Kunden bekunden.
Diese wenigen Beispiele zeigen, wie absurd es ist, einer Marke das zu nehmen, was sie ausmacht, was sie von anderen unterscheidet. Man reißt ihr das Herz aus dem Brustkorb. Einen solchen Harakiri-Akt müssten selbst Marketing- und Medien-unerfahrene Finanzmanager als falsch begreifen. In einem Spiegel-Kommentar schreibt Benjamin Maack: „Flanders' Schachzug entspricht auf eine erschreckende Art dem Zeitgeist. Denn er ist ein Symptom für eine Entwicklung, die unsere Medien verändert: Bei Zeitungen und Magazinen, in TV, Radio und Internet entscheiden immer öfter Menschen, die sich besser mit Zahlen auskennen als mit Journalismus. Nicht verwunderlich. Schließlich stellen sie die Fragen, die Vorstände gern hören: Was lohnt sich? Was wollen die Werbekunden? Und was kauft der Leser von heute? Das wird sich kaum ändern lassen.“
Die Zukunft heißt Mainstream
So entsteht Mittelmaß. So werden nach und nach alle journalistischen Produkte gleichgeschaltet und austauschbar. Es dauert nicht mehr lange, dann ist es vorbei mit spannenden Medien, die uns überraschen, die nicht einem von Hedgefonds geprägten Monetarisierungs-Mainstream folgen.
Wir erleben es beim Fernsehen, wo schon längst die Quote regiert und die Redaktionen nur das produzieren lassen, was die Mehrheit der Zuschauer sehen mag. Wir erleben es im Internet, wo Journalisten - die ohnehin bald von Robotern ersetzt werden - dann bald nach Klicks bezahlt werden und ihren Lesern folglich nach dem Mund schreiben. Nun schlägt die gleiche Niveau-Nivellierung auch auf den Zeitschriftenmarkt durch.
Die Digitalisierungspropheten hatten uns das Gegenteil versprochen. Mehr Individualität, mehr Orientierung an Verbraucherwünschen, mehr Wirkung. Stattdessen erleben wir mehr Werbe-Müll, mehr Medien-Müll und eine immer weiter absinkende Online-Werbewirkung.
Der Vorgang um den Playboy ist beispielhaft. Wir tragen die Ära der Individualität zu Grabe. Eine Zeit, in der mutige Menschen das schufen, wovon sie träumten und ihnen wichtig war. Was heute nicht durch Tests und Marktforschung abgesichert ist, bekommt nicht den Segen der Investoren. Hugh Hefner hätte heute, wäre er auf die Finanzierung seiner tollkühnen Idee angewiesen, seinen Playboy niemals gründen können. Wenn er noch ein paar Jahre an der Seite seiner jungen Frau durchhält, wird er den Untergang seines Traumes erleben. Die Investoren können schon heute den Pressetext vorformulieren: „Der Playboy war einfach nicht mehr zeitgemäß…“