Werbesprech

Die Werber knipsen die Medien aus

Die aktuellen Buzzwords der Werber, Content Marketing und Owned Media, treten an, das bestehende Gefüge der Medien auszuhebeln. Die herkömmlichen Medien geraten dabei ins Hintertreffen. Ihr Geschäftsmodell droht immer weiter zu versiegen.

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Mit eigenem Formel-1-Rennstall und Fernsehsender. Red Bull schafft sich seinen Content selbst Quelle: REUTERS

Im Branchenblatt "Horizont" schrieb Jürgen Scharrer kürzlich von einem echten Paradigmenwechsel im Marketing, "vom langsamen Verglühen der klassischen Markenkommunikation und dem Aufstieg eines dialogischen Marketings."

Was im Augenblick geschieht, lässt sich am ehesten mit dem jüngsten Buzzword der Werber, mit Content Marketing, beschreiben. Gleichzeitig hat es mit der langsamen Ablösung von sogenanntem Paid Media durch Owned Media zu tun. Scharrer fragt in diesem Zusammenhang, ob "die Unternehmen gerade dabei sind, maßgebliche Anteile ihres Marketingbudgets in Richtung Owned Media umzuschichten".

Paid Media kennen wir seit jeher: Unternehmen werben für ihre Produkte und Marken und nutzen hierfür die Plattformen, die ihnen die Medien anbieten: Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Radio, Plakate. Diese bezahlte ("Paid") Werbung bildet für die Medien die Grundlage ihres Geschäftsmodells. Für private TV- und Radio-Sender, Plakat-Pächter und Anzeigenblätter machen die Werbeumsätze den gesamten oder zumindest den Löwenanteil ihrer Erlöse aus.

Owned Media dagegen beschreibt alle Medien und Plattformen, die einem Unternehmen selbst gehören. Dazu zählen unter dem Begriff "CP - Corporate Publishing" Kunden-Magazine, Newsletter, der eigene YouTube-Kanal, ebenso wie natürlich die eigene Website und zunehmend auch Corporate Blogs.

Neu ist das Thema nicht. Das Lufthansa Magazin, in dem die Kunden der Airline seit 1998 blättern, ist ein Klassiker unter den CP-Beispielen. Doch der ganz große Boom steht offenbar erst bevor. Der Branchenverband FPC meldet jährliche Umsätze von 4,5 Mrd. Euro und zweistellige Zuwachsraten. Die Corporate Publisher behaupten, ein Auflagenvolumen von rund einer Milliarde Exemplaren zu bewegen und damit die Publikums- und Fachzeitschriften deutlich zu übertreffen.

Die Verlage bringen sich in Stellung

Kein Wunder also, dass sich die Verlage in Stellung bringen. Denn für den Ausbau von Content Marketing und Owned Media brauchen die Unternehmen redaktionelle Dienstleister. Über wachsende Corporate-Publishing-Units verfügen Gruner+Jahr ("Stern", "Brigitte") und Hoffmann & Campe aus der Ganske-Verlagsgruppe ("Für Sie", "Petra").

Scheinbar weitsichtig sind die Verlage, die sich einen Teil dieses Kuchens sichern wollen. Sie übersehen jedoch, dass sie sich dabei ihr eigenes Grab schaufeln. Denn jedes Unternehmen, das eigene Medien für die Kommunikation mit seinen Kunden erschafft, zieht dieses Geld zwangsläufig vom Werbeetat ab: Gelder, die die Verlage in Zeiten sinkender Etats für Printwerbung dringend zum Überleben brauchen. Die Rechnung dürfte nicht aufgehen.

Der Reiz für die Unternehmen besteht bei Content Marketing und Owned Media darin, mithilfe dieser Instrumente den lange ersehnten Dialog mit ihren Zielgruppen zu eröffnen - andererseits aber auch, diese Medieninhalte kontrollieren zu können. Die unabhängige Presse ist in ihren Augen unberechenbar: Auch als treuer Anzeigenkunde ist man in Spiegel, Wirtschaftswoche und Manager Magazin vor kritischer Berichterstattung nicht gefeit. Wenn man den "Content" nur hochwertig genug aufbereitet und ihn selbst verbreitet, so die Überlegung der Unternehmen, behält man die Kontrolle über die eigene Marke und ihre Kommunikation.

Das jedoch ist die berühmte Rechnung ohne den Wirt. Denn die Inhalte auf YouTube und Facebook gehören Google und Facebook. Von einer Kontrolle über die eigenen Inhalte kann hier keine Rede sein.

Red Bull: Das Paradebeispiel

Die besten Viralkampagnen
Screenshot von hunter and bear's birthday party Quelle: Screenshot
screenshot youtube Quelle: Screenshot
Drama-Button27,9 Millionen Menschen haben den Clip mit dem Drama-Button schon geklickt. Für die Etablierung eines Fernsehsenders in Belgien wurde in einer belgischen Stadt auf einem öffentlichen Platz ein roter Knopf mit der Aufschrift "Push to add drama" installiert. Das Video zeigt, was passiert, nachdem sich die Belgier ein bisschen mehr Drama gewünscht haben. Die Botschaft des Fernsehsenders: "Wir haben ihre tägliche Dosis Drama." Die Zuschauer waren begeistert. Quelle: Screenshot
Old Spice Wer das Duschgel von Old Spice - einer Marke von Procter & Gamble benutzt, wird dadurch zwar nicht aussehen, wie Kampagnen-Model Isaiah Mustafa - aber er kann wenigstens so riechen. Selbstironie gefällt, de Internet-Gemeinde liebt die vielfältige, kreative Old Spice-Werbung. Unter anderem gibt es von der Marke auch personalisierte Clips für bestimmte Personen, die in den Videos direkt angesprochen werden. Und wer möchte nicht so riechen, als hätte er Diamanten, ein Boot und einen Waschbrettbauch? Quelle: Screenshot
Darth Vader Die Macht ist mit den VW-Fahrern: Der Clip mit dem Mini-Darth Vader, der das Auto seines Vaters per Handzeichen anhält, wurde von mehr als 34 Millionen Youtube-Nutzern gesehen. Dazu kommen noch alle Zuschauer des Super-Bowl. 25.000 begeisterte Youtube-Kommentare veranlassten die Volkswagen-Marketing Abteilung, den Clip "the Force" künftig auch im deutschen Fernsehen auszustrahlen. Quelle: Screenshot
Diet Coke und Mentos Ein kleines Experiment brachte Coca Cola und Mentos jede Menge Gratis-Werbung ein. Die Cola-Kaubonbon-indizierte Explosion haben Millionen Menschen auf der Welt gesehen, nachgemacht und die Videos verbreitet. Für beide Unternehmen sind die witzigen Clips ein voller Erfolg. Quelle: Screenshot
Evian Babies Dem Kindchen-Schema sei Dank sahen mehr als 30 Millionen Menschen, wie Evian-Wasser Säuglinge zum Rollschuh laufen bringt. Und das auch noch sehr erfolgreich: Die Babys in dem Evian-Clip fahren auf Skates Slalom um Flaschen und zeigen sich für ihr Alter sehr sportlich. Quelle: Screenshot

Paradebeispiel für den Paradigmenwechsel ist Red Bull. Die Markenverantwortlichen des Energy Drink-Herstellers schaffen eigenen „Content“, also Inhalte, die die Markenbotschaft transportieren wie den spektakulären Stratos-Skyjump von Felix Baumgärtner, der zu den meistgesehenen Events des letzten Jahres zählte. Red Bull besitzt einen eigenen Formel1-Rennstall - und sie besitzen mit ServusTV sogar einen eigenen Fernsehsender. Die klassischen Werbeausgaben des Energy Drink-Herstellers machen nur noch einen Bruchteil früherer Mediainvestitionen aus.

Doch Content Marketing und Owned Media sind keinesfalls nur interessant für Marken wie Red Bull und Pampers, sondern viel mehr noch für den Business-to-Business-Markt. Denn im Gegensatz zum Konsum-Markt kennen sich hier Anbieter und Kunden. Sie haben ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, das die Erschaffung eigener Medieninhalte erleichtert. Bemerkenswert ist die Initiative der Deutschen Post/DHL, die einen Internet-Newsroom lancierten, der weltweite Nachrichten aus dem Bereich Logistik filtert - und dabei gleichzeitig eigene Berichte mit veröffentlicht.

Dies wäre tatsächlich ein Paradigmenwechsel. In den Marketing- und Kommunikationsabteilungen der Unternehmen bleibt in Zeiten des Umbruchs kein Stein auf dem anderen. Je mehr die Unternehmen das Publizieren eigenen Contents selbst in die Hand nehmen, desto mehr sind die klassischen Medien die Verlierer.

Dennoch dürfen sie hoffen. Denn es wird nicht jedem Unternehmen gelingen, seine Inhalte so hochwertig und neutral unters Volk zu bringen, dass es auf die erhoffte Resonanz unter seinen Kunden stößt. Viele werden reuemutig zum Pfad der klassischen Media-Werbung zurückkehren. Aber nur, wenn die Verlage bis dahin nicht ihr Kerngeschäft verlernt haben: Durch unabhängige Redaktionen hochwertige Medien (-Inhalte) zu erzeugen, die für ihre Nutzer so unverzichtbar sind, dass den Unternehmen keine Wahl bleibt, als ihre "Paid"-Werbung darin unterzubringen.

Jeder andere Weg bedeutet für die Verlage Harakiri.

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