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Influencer – Traum oder Albtraum?

Kaum ein Hype wird in der Branche derzeit leidenschaftlicher belächelt und zugleich verteidigt als Influencer Marketing. Was ist dran am Buzz um die Blogger auf Instagram und Co?

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Influencer Marketing: Traum oder Albtraum für Marketing und Werbung? Quelle: dpa

Als das Influencer Marketing auf die lange Liste der Marketing-Buzzes und der noch endloser langen „To-do-Liste“ der Werber geriet, war das junge Phänomen noch nicht einmal klar definiert. Heute wissen wir: Das professionelle Marketing mit YouTubern und Bloggern will deren Einfluss auf ihre große oder auch kleine, feine Community für Marketing- und Kommunikationszwecke einsetzen.

Es ist eigentlich nichts anderes als das gute, alte Testimonial - nur eben digital. Es geht darum, Fürsprecher für die eigene Marke zu finden, die als Experten auf ihrem Gebiet vertrauens- oder zumindest glaubwürdig sind.

Inzwischen hat der jüngste Sprössling des Marketings einen eigenen Verband: Den Bundesverband Influencer Marketing, der jedoch gleich in die Kritik geriet, weil die Gründeragenturen darin offenbar ihre eigene Suppe kochen wollten. Seither hört man nicht mehr viel von ihm.

Doch die Influencer selbst sind plötzlich in aller Munde. Ausgelöst wurde der jüngste Gesprächsstoff der Branchenpresse durch ein Interview des Manager Magazins mit Caro Daur. Sie kennen die Dame nicht? Frau Daur ist „mit 1,1 Millionen Followern einer der größten deutschen Instagram-Stars. Die 22-Jährige aus Seevetal arbeitet für Marken wie Dior, Cartier, Tommy Hilfiger, Marc O'Polo, Wempe, macht Werbung für Calzedonia und lief auf der Modenschau von Dolce & Gabbana im Januar als Mannequin. Ihr Umsatz: geschätzt 1 Million Euro pro Jahr.“

Manager Magazin zerlegt Caro Daur

Das Interview schlug in der Branche so hohe Wellen, dass sich die Chefredaktion des "Manager Magazins" angesichts der Kritik am Interview rechtfertigen musste. Von Influencer-Bashing war die Rede und man titelte „Manager Magazin zerlegt Caro Daur“.

Hart verdienter Glamour: Durchschnittseinkommen je Post je Nische auf Instagram

Warum die plötzliche Aufregung? Es waren nicht die Antworten, die Daur gab, sondern die Fragen, die sie partout nicht beantworten wollte. Weder wollte sie verraten, wie viele ihrer Posts bezahlt sind, noch was sie dafür erhält. Erst recht nicht, ob sie sich an die Kennzeichnungspflicht (als Werbesendung) hält, geschweige denn was aus der Abmahnung des Verbands des sozialen Wettbewerbs wurde, weil sie einen Post nicht als Werbung deklariert hatte.

Flugs eröffnete das Branchenmagazin "Werben & Verkaufen" eine Facebook-Seite namens #echtjetzt zur Rettung des Influencer Marketings. In einem der ersten Posts in der Gruppe nahm sich „Leitmedium“ die Influencer-Kampagne der Waschmittelmarke Coral vor und bezeichnete sie kurzerhand als die peinlichste Instagram-Kampagne des Jahres. Die von Coral bezahlten Influencer führten die Flasche regelrecht aus und zeigten sich mit Coral in den albernsten und absurdesten Situationen.

Schlammbeschmiert vor der Waschmaschine

„Leitmedium“ schreibt über den Post des Models Fiona Erdmann: „Noch ganz normal scheint es, frisch mit Schlamm beschmiert vor der Waschmaschine zu sitzen und in freudiger Erwartung der kommenden Wäsche gemeinsam mit der Flasche zu lachen. Wir haben so viel Spaß gemeinsam, die Flasche und ich!“ Sowie über eine Julia: „Und wenn dann Bett-Zeit ist, dann kommt die Flasche einfach mit zum Kuscheln. Es ist eine moderne Beziehungsform. Coralamorie.“

Tatsächlich sind Teile der Kampagne an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Wie viele andere Worst-Case-Beispiele zeigen, gelingt es den Influencern nicht immer, die Marken gekonnt ins Bild zu setzen. Es wirkt gestellt, der Übergang zur Marke gelingt nur selten. Doch der Coral-Hersteller Unilever zeigt sich entzückt über die unerwartete Aufmerksamkeit und Reichweite der Kampagne: „Wir freuen uns darüber, wie kreativ mit der Kampagne umgegangen wird und sind selber erstaunt, wie vielseitig unsere Coral-Produkte eingesetzt werden." Vielseitig? Nun gut.

Likes vom Automaten

Da mich "Werben & Verkaufen" als „Media-Super-Influencer“ bezeichnet, machte ich die Probe aufs Exempel und gab mich bei Facebook ebenfalls als Coral-Influencer aus. Ich zeigte ein Foto von mir mit Coral-Flasche und schrieb dazu: „Ich kann mir einen Abend ohne meine Coral-Flasche einfach nicht mehr vorstellen. So weich, so kuschelig.“

Das Ergebnis: Noch nie erhielt einer meiner Facebook-Posts so viele Likes und Kommentare. Für Aufmerksamkeit sorgt das Influencing also wohl. Und alleine mit dem Kauf der Flasche hatte ich selbst den Umsatz befeuert.

Liebe Grüße von #happygirl

Marktanteile von Social Media-Plattformen nach Seitenabrufen

Probleme gibt es zuhauf. Viele Influencer kennzeichnen ihre Posts bei Instagram und Facebook und ihre Videos bei YouTube nicht hinreichend als Werbung. Der Gesetzgeber hält hierzu klare Richtlinien bereit, denn die Kennzeichnung als Werbung und die Trennung von redaktionellen Inhalten ist rechtlich vorgeschrieben.

Viele Influencer glauben dagegen, sich in einem rechtsfreien Raum zu bewegen und wundern sich über Abmahnungen, oftmals in Höhe mehrerer zehntausend Euro. Mit dem Hashtag #ad, versteckt inmitten Dutzender anderer Hastags wie #happygirl oder #iloveyou, ist es nicht getan. Ebenso wenig akzeptabel ist allerdings auch, dass renommierte Marken ihre Influencer offensichtlich nicht dazu verpflichten, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.

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Influencing hält fit

Doch nicht alles ist schlecht im Land der Influencer. Sie können Massen auch zu guten Zwecken bewegen. Zum World Fitness Day am vergangenen Samstag ließen sich mehr als 150 der neuen Sport-Idole aus dem Netz von tausenden Anhängern in Frankfurt feiern.

Influencer-Superstar Sophia Thiel, die alleine bei Facebook über 1,3 Millionen „Freunde“ besitzt, turnte mit ihren Fans und knackte dabei den Group Workout-Weltrekord. Dahinter steckt für die Hersteller und Vermarkter von Fitness-Klamotten und für Verkäufer von Nahrungsergänzungsmitteln ein großes Geschäft. Wenn aber Influencer die Menschen zu einem gesünderen Leben verführen, bleibt es unterm Strich eine durchaus positive Erscheinung unserer Zeit.

Likes vom Automaten

Die Kehrseite der Medaille sind sogenannte „Fake Influencer“. Mit gefakten Followerzahlen, gefälschten Likes und Kommentaren erwecken sie den Eindruck großer Fangemeinden. In Moskau wurden bereits Automaten gesichtet, an denen man für ein Taschengeld Instagram-Likes erwerben kann.

Ist nun dieses Influencer Marketing nur ein Buzz, der genauso überraschend verschwindet, wie er gekommen ist? Ist es nur „Booze“, an dem sich Werber trunken bereichern? Oder ein Boom, der zu einem unverzichtbaren Bestandteil im Marketing-Mix der Unternehmen werden kann?

Der einflussreiche Web-Entertainer Rob Vegas nennt das Phänomen zwar einen „völlig überladenen“ Begriff, entgegnet aber, dass es dazu keine Alternative gäbe. „Ohne Influencer“, sagt er, „geht es nicht.“

Noch gibt sich die Werbewelt angesichts des Themas zerstritten. Am Ende ist es wie immer im Leben: Richtig und professionell betrieben kann Influencer Marketing zu einer Bereicherung für die Marken-Kommunikation werden. In allen anderen Fällen allerdings zum Albtraum.

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