
Am 13./14. September findet wieder die Dmexco, Europas größte Digitalmesse, in Köln statt. In diesem Jahr steht sie unter dem Motto „Lightening the Age of Tranformation“: „Im Zentrum des digitalen Wandels steht die Transformation von Marketing, Marken und ganzen Unternehmen. Nur wer den laufenden Veränderungsprozess von der Kommunikation bis ins Produkt hinein beherrscht, wird sein Geschäftsmodell zukunftssicher machen.“
Man will in diesem Jahr also Licht ins Dunkel des Zeitalters disruptiven Wandels bringen. Das klingt gut. Und man möchte meinen, die 50.000 Protagonisten und Messebesucher hätten Freude an diesem Wandel. Doch das Gegenteil ist der Fall. Pünktlich zur Dmexco peitschen Nachrichten durch die Branche, die nichts Gutes verheißen.
Ralf Heller, CEO der Digitalagentur Virtual Identity, analysiert die Ausgaben von Online-Werbung und kommt dabei zum Ergebnis, dass in Deutschland fast 800 Millionen Euro in Werbung investiert werden, die zwar mit den Werbekunden abgerechnet werden, jedoch keiner wahrnimmt.





Das Problem nennt sich in Fachkreisen „Viewability“ und bezeichnet die Sichtbarkeit von Banner-Anzeigen. Heller postuliert: „Ein Banner, das man weniger als eine Sekunde mit weniger als der Hälfte seiner Fläche sieht, hat definitiv keine Werbewirkung.“ Dies beträfe über 40 Prozent aller Digitalanzeigen.
Werber mit Dachschaden
Würde man Branchenfremden erzählen, dass Kunden Geld für Werbung zahlen, die niemand sieht, würden sie die Werber für geisteskrank erklären oder uns zumindest auslachen. So schlägt Heller der eigenen Branche denn auch vor, dieses Geld besser anders zu investieren. Man könne damit immerhin 50 Millionen Bäume pflanzen.
Doch viele Probleme der Digitalwerbung sind weitaus haarsträubender. Nicht nur wissen Werbekunden oft nicht, wo ihre Werbung geschaltet wird, sie wissen nicht einmal, ob es überhaupt Menschen sind, an die ihre Banner ausgeliefert werden. Nach einer aktuellen Untersuchung der Cyber-Security-Firma Oxford BioChronometrics können bis zu 90 Prozent des Online-Traffics einer Digitalkampagne aus Bot-Traffic bestehen. Die Werbung wird an Maschinen ausgeliefert, die suggerieren, dass ein Verbraucher aus Fleisch und Blut sie betrachtet.
Der Oxford-CMO William Schekel hält Adfraud hierzulande für ebenso dramatisch wie in jedem anderen Land der Welt: „Konservativ geschätzt glauben wir, dass sich die durch Adfraud generierten Umsätze heute jährlich auf 50 Milliarden Dollar belaufen und sich in den nächsten Jahren auf 150 Milliarden Dollar verdreifachen werden. Adfraud ist ein globales Problem. Diejenigen, die Werbeflächen für ihre betrügerischen Aktivitäten suchen, interessieren sich nicht dafür, woher ein Werbekunde stammt oder in welchem Land seine Website registriert ist.“
So funktioniert Werben auf Facebook
Der genaue Preis richtet sich danach, wie viele Menschen die Anzeigen sehen sollen, wie genau die Zielgruppe definiert ist und vor allem, wie lange die Kampagne gehen soll. Theoretisch ist es aber möglich, nur einen Euro auszugeben.
Anzeigen können direkt von der Facebookseite gestartet werden, indem zum Beispiel ein bestimmter Beitrag beworben wird. Andere Anzeigenformate – wie verschiedene Arten von Videos und Fotos – können im Werbeanzeigenmanager ausgewählt werden.
Bei der Erstellung einer Anzeige muss ausgewählt werden, ob die Werbung auf Instagram im Audience Network (das heißt auch auf anderen, nicht zu Facebook gehörenden Seiten) oder Facebook selbst ausgespielt werden soll. Bei Facebook selbst wird dann noch zwischen der mobilen Ausspielung und einer Anzeige in der Desktopversion im Newsfeed oder der rechten Spalte unterschieden.
Facebook führt jede Zielgruppe eine Auktion durch, die darüber entscheidet welche Anzeigen Menschen ausgespielt werden. Entscheidend ist dabei nicht nur, wie viel der Werbetreibende bereit ist, zu bezahlen. Facebook beurteilt auch, wie relevant die Anzeige für die Zielgruppe ist und wie wahrscheinlich sie darauf reagiert. Aus diesem Gesamtranking ergibt sich, wer den Zuschlag bekommt.
Werbekunden greifen zum Rotstift
Der Betrug mit Online-Werbung entwickelt sich zu einem der größten Quellen weltweiter Kriminalität. In den USA wurde jüngst ein Programm namens „Judy“ entdeckt, das eine Milliarde betrügerische Ad Impressions pro Minute ausliefert. Das gebetsmühlenartige Beteuern deutscher Digital-Experten, hiervon seien nur die USA betroffen, erweist sich immer mehr als pure Ignoranz.
Das alles lässt die Marketingetagen der Werbungtreibenden nicht kalt. Als erster internationaler Konzern strich Procter & Gamble im 2. Quartal dieses Jahres 100 Millionen Dollar an digitalen Werbeetats. Die Begründung: “What it reflected was a choice to cut spending from a digital standpoint where it was ineffective, where either we were serving bots as opposed to human beings or where the placement of ads was not facilitating the equity of our brands.” Sie kürzten, wo die Werbung unwirksam oder an Bots ausgeliefert wurde. Dies hatte angeblich keinen Effekt auf das Geschäft, womit erwiesen sei, dass die Digitalwerbung unwirksam war.