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Kaufst du noch oder sharst du schon?

Verbraucher, die noch kaufen, gehören der Vergangenheit an. Die modernen so genannten 'Digital Natives' teilen, was sie besitzen. Das stellt das Marketing vor ungeahnte Herausforderungen.

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Car2go Quelle: dpa

Es begann harmlos. Wer nicht das nötige Geld für teuren Schmuck, Designer-Handtaschen oder gar wertvollste Kunst besaß, oder sein Geld lieber für Anderes ausgibt, der mietet sich einfach das Prunkstück für ein paar Wochen.

Time-Sharing-Angebote, Miteigentum am Urlaubs-Bungalow, versprechen seit vielen Jahren den kostengünstigeren Urlaub. Noch preiswerter ist allerdings die neue Idee des Haustauschs. Wer ein adrettes Zuhause an einem Ort besitzt, an den andere gern reisen, bietet seine Wohnung zum Tausch an: München im Tausch gegen Sydney, Düsseldorf gegen Vancouver.

Während älteren Generationen der Kauf einer Ware, Dienstleistung und einer Marke wichtig waren, legt die jüngere Generation den Hebel um. Amerikanische Marketing-Experten beobachten einen Shift hin zum Besitz, aber nicht mehr notwendigerweise auch zum Kauf. Der neue, überraschende Trend erwischt das Marketing der weltweiten Konzerne kalt.

„Sharing“-Plattformen werden immer populärer

Autobesitz ist „out“

Wir beobachten dieses Phänomen in Deutschland erstmals im Pkw-Markt. Immer mehr Verbraucher stoßen ihre vermeintlichen Prestige-Autos ab - und prahlen damit, dass sie sich aus dem Klammergriff der Autokonzerne befreit haben. Sie sind so stolz, als hätten sie erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört.

Ein eigenes Auto zu besitzen, ist bei der jüngeren Generation zunehmend „out“. Vordergründig geht es ihnen um Nachhaltigkeit und Ökologie. Vielen geht es wohl auch um ihren Geldbeutel, der das Halten eines eigenen Fahrzeugs kaum möglich macht. „CarSharing“ ist in.

Daimler, BMW und Volkswagen haben den Trend erkannt und sind bereits auf den Zug aufgesprungen. Mit Car2Go (Smart), DriveNow (BMW/Mini in Kooperation mit Sixt) und Quicar (VW) bieten sie CarSharing bereits in zahlreichen deutschen Städten an. Selbst die Deutsche Bahn mischt mit Flinkster in 140 Städten mit.

Dienstleistung statt Verkauf


Carsharing auf der Fensterscheibe eine Autos Quelle: dpa

Das Geschäft boomt. Zu Beginn des Jahres ist die Zahl der Teilnehmer auf 220.000 Kunden gewachsen, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. 5.600 Fahrzeuge stehen in über 300 Städten an 2.700 Stationen bereit.
Erstaunlich ist, dass ausgerechnet die Luxuswagen-Schmieden Daimler und BMW zu den ersten Anbietern zählen. Sie haben offenbar erkannt, dass dies mehr als nur eine Modeerscheinung ist, der ihre Marktanteile auch in den höher-preisigen Pkw-Segmenten nachhaltig bedroht. Und sie besitzen mit Smart und dem BMW 1er die wendigen Modelle für innerstädtische Kurzstrecken.

Vor allem aber erschweren sie damit den Markteintritt in dieses Neuland für japanische und französische Importeure, die mit ihren Kleinwagen prädestinierte CarSharing-Anbieter wären. Mit ersten Elektroautos im CarSharing-Programm zeigen die deutschen Hersteller den hybriden Japanern die lange Nase. Insbesondere Peugeot und Citroen haben diesen Markt bislang verschlafen. Sie stehen ohnehin vor den Scherben ihres Marketings. Von Opel ganz zu schweigen

Kurzzeitiger und situativer Besitz

Das künftige Marketing muss sich darauf einrichten, nicht mehr Produkte zu verkaufen, sondern Dienstleistungen. Nicht mehr Besitz, sondern „Sharing“ ist angesagt. Die Menschen wollen durch den (kurzweiligen) Besitz bestimmter Marken etwas erleben, sich verbunden fühlen, ihre Erfahrungen mit anderen teilen. Weil es etwas über sie selbst aussagt. Aber sie müssen es deswegen nicht kaufen. Das ist neu. Es stellt das Einmaleins des Marketings völlig auf den Kopf.

Eine Bank, hat einmal ein Marketing-Manager der Deutschen Bank ganz richtig gesagt, „verkauft“ kein Geld, sondern Träume. Ein Pkw-Hersteller verkauft künftig keine Autos, sondern Mobilität. Ein Reiseveranstalter verkauft weder Flüge, noch Hotels, sondern Erlebnis und Entspannung. Louis Vuitton verkauft eben keine Handtaschen, sondern Ansehen.

Gemietete Statussymbole


Leihfahrräder der Deutschen Bahn Quelle: dpa

Wir erleben diesen Umbruch in vielen Märkten. Bücher waren früher Statussymbole, die man stolz aufgereiht in vollen Regalen seinem Besuch präsentierte. Heute lädt man seine Bücher auf den E-Book-Reader. Ikea, der Hersteller von Millionen Billy-Regalen, wird umdenken müssen. Der CD-Markt ist längst eingebrochen. Der DVD-Markt folgt.

Aber was, wenn dieser Virus auf ganz andere Märkte übergreift? Wenn niemand mehr ein Fahrrad sein eigenes nennen muss, weil sie überall preiswert zur Verfügung stehen? Wenn Mode oberhalb der H&M- und Zara-Preisklasse wie bei einem Kostümverleih für ein paar Tage gemietet werden kann? Wenn der teure Montblanc-Füller nur für eine Vertragsunterschrift, das Dupont-Feuerzeug nur für die Bambi-Verleihung benötigt wird? Wenn der Apple-Computer bis zur Ankündigung des nächsten Modells einfach nur gemietet werden soll und kann?

Was ist, wenn der Kauf für den Verbraucher nicht mehr das Non-Plus-Ultra darstellt, sondern nur noch das kurzfristige, situative Erlebnis?

Den Zielgruppen zuhören

Dann muss nicht nur das Marketing umdenken. Auch die Werbung muss neue Botschaften finden, die den Zeitgeist ihrer Zielgruppen wiederspiegeln. Es geht nicht mehr um Besitzstand, um „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Es geht um das Motiv hinter dem Besitzen-Wollen. Es geht darum, eine Verbindung zu den wahren Wünschen der Verbraucher herzustellen. Zu verstehen, was die Verbraucher mit ihrer individuellen Umwelt teilen wollen.

Daimler, BMW und Volkswagen haben die Zukunft des CarSharing-Marktes verstanden. Und drängen damit ihre Wettbewerber ins Aus. Man darf gespannt sein, wann die nächsten Märkte folgen. Und welche Marken dabei das Zeitliche segnen. Nicht, weil sie minderwertig waren. Nur, weil sie ihren Zielgruppen nicht rechtzeitig zugehört haben.

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