Werbesprech

Nur Loser müssen werben

Harte Worte - aber die Reklamerealität dort draußen spricht eine ähnlich deutliche Sprache wie die von der aktuellen McKinsey-Studie nachgewiesene 'Ahnungslosigkeit des Marketings'.



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Die Dauerbrenner unter den Slogans
Commerzbank - Die Bank an Ihrer SeiteDie Commerzbank hat diesen Werbeslogan bereits in den 1970er Jahren verwendet und möchte ihn laut eines Berichts des Handelsblatts nun wieder einführen. Die Absicht ist klar: Die Schuldenkrise und Bankenskandale dominieren die Schlagzeilen - und das schon seit 2008. Jetzt muss endlich wieder Ruhe ins Geschäft der Commerzbank, die teilverstaatlicht ist - unter anderem wegen der Finanzkrise. Quelle: dpa
Audi - Vorsprung durch Technik Der Claim wird selbst in ausländischen Werbespots ausgestrahlt, also dort, wo viele nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Denn Deutschland wird im Ausland immer noch mit höchster Ingenieurskunst assoziiert. Die Autobauer aus Ingolstadt müssen es wissen: Sie vertrauen diesem Werbeslogan seit 1972. Quelle: obs
Persil - Da weiß man, was man hatBeständigkeit, Vertrauen, Kontinuität: Der Henkel-Konzern wusste nur zu gut, dass er mit diesem Claim das Gemüt eines jeden Bundesbürgers ansprach. Und das seit den 1960er Jahren. Damals führte die Düsseldorfer diesen Werbeslogan ein. Quelle: dpa
Clausthaler - Nicht immer, aber immer öfter. Alles, was ein Bier braucht. Alles, was ein Mann brauchtDiese Marke war es stets ein Ansporn, den abendlichen Fernsehzuschauer in wiederkehrenden Werbeclips von Vorzügen des alkoholfreien Vergnügens zu überzeugen. Diese Hartnäckigkeit verhalf zumindest dem Werbeslogan eine dauerhafte Präsenz im täglichen Sprachgebrauch.
Duplo - Die längste Praline der WeltBöse Zungen wenden stets ein, dass hier der Zuschauer viel falsch verstehen kann. Dennoch ist Duplo bei Erwachsenen als auch Kindern beliebt. Der Konzern jedoch hat nicht vor, diesen erfolgreichen Werbeslogan zu ändern. Quelle: dpa
Exquisa - Keiner schmeckt so wie dieserNichts mag der Magen mehr als Beständigkeit und nirgendwo ist der Mensch so zaghaft wie bei der Auswahl neuer Lebensmittel. Die Marke Exquisa strahlt mit ihrem Werbeslogan genau diese Produkt-Verlässlichkeit aus. Das Unternehmen nutzt ihn seit 1982. Quelle: dpa
Frankfurter Allgemeine Zeitung - Dahinter steckt ein kluger KopfHelmut Schmidt, Bundeskanzler a.D. (in Rauch umhüllt), Bundesministerin Ursula von der Leyen (mitten in einer Landschaft voller Karnickel) oder Pantomime-Papst Samy Molcho (ohne Zeitung in der Hand): Quer durch alle Berufsbilder hat es die Tageszeitung aus Frankfurt geschafft, Prominente für ihre Anzeige einzuspannen. Und das schon seit 1995 - eine halbe Ewigkeit im schnelllebigen Mediengeschäft. Quelle: dpa

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Sie soviel Werbung sehen? Ob das seine Richtigkeit haben kann? Ob da vielleicht irgendetwas nicht stimmt? Nein? Dann lassen Sie uns den Finger in einige kleine Wunden legen.
Also: Haben Sie sich schon gefragt,

... warum Sie erstens so oft zweitens die gleichen Spots sehen?

Erstens: Gefühlte 2-3mal pro durchschnittlichem Abend besuchen uns bestimmte Produkte von L'Oréal, Benckiser und Henkel in unseren Wohnzimmern. Heischen um Aufmerksamkeit, Interesse und unsere Präferenz. Wie anachronistisch. Stellen Sie sich mal vor, Sie würden von einem Freund sieben Mal den gleichen lustigen Youtube-Clip weitergeleitet bekommen. Diesen Freund würde man am Ende der Woche für mindestens verwirrt halten, oder? Diesen Freund würde man bei Facebook entfreunden und im wahren Leben als Niete aus seiner Kontaktliste löschen.

Warum bloß denkt das durchschnittliche Marketing, dass genau diese Mechanik im TV (noch) funktioniert? Weil man bei Low-Interest eben mehr Kontakte braucht?
 Dann macht doch bitte einfach High-Interest-Werbung für Euer (vermeintliches) Low-Interest-Produkt!

Zweitens: Wenn schon viele Kontakte, dann zumindest mit unterschiedlichen Kampagnen-Motiven wie aktuell beim MediaMarkt. MediaMarkt erzählt mit der neuen Kampagne wenigstens eine nette Geschichte. Entwickelt diese in unterschiedlichen Spots in unterschiedlichen Facetten weiter. Hebt sich damit wohltuend von der Beschallungseinfalt der restlichen Reklame ab.

Promis, denen die Deutschen vertrauen
Was bringt Werbung mit Prominenten? Ob der Verkauf eines Produktes durch das richtige Marketing zulegt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Mit einer Umfrage unter 4.000 Deutschen hat der Dienstleister Celebritiy Performance (CPI) die Werbewirksamkeit von 100 Promis im deutschsprachigen Raum untersucht. Dabei spielen die Image-Stärke und die Bekanntheit die entscheidende Rolle. Außerdem eignet sich nicht jeder Promi für jedes Produkt. Die Stars mit dem höchsten Werbepotenzial… Quelle: dapd
Platz 100: SidoSchlusslicht der Rangliste ist der Rapper Sido. Er ist einer von nur sieben deutschen Musikern, denen die Ehre zuteil wurde, eine „Unplugged“-Konzert für den Musiksender MTV aufzunehmen – und erst der zweite Hip-Hop-Künstler Deutschlands nach den Fantastischen Vier, dem dies gelang. Sein CPI-Index erreicht trotzdem leider nur 32,4 Punkte. Quelle: dpa
Platz 50: Veronica FerresDie große Zeit der einst so beliebten Schauspielerin Veronica Ferres scheint vorbei zu sein. Sie erreicht mit einem Index-Wert von 49,9 Punkten nur Platz 50. Ob die Lebensgemeinschaft mit dem öffentlich massiv kritisierten Multimillionär Carsten Maschmeyer – dem Gründer des Finanzdienstleisters AWD – eine bessere Platzierung verhindert, bleibt in der Untersuchung offen. Quelle: dpa
Platz 10: Herbert GrönemeyerDie Top Ten des Rankings sind bei den Deutschen nahezu über jeden Zweifel erhaben. Herbert Grönemeyer erfreut sich großer Bekannt- und Beliebtheit, seine Konzerte füllen seit Jahren ganze Stadien. Sein Index erreicht 61,6 Punkte. Bleibt die Frage, für was er optimal werben könnte. Quelle: dpa
Platz 9: Hape KerkelingUmfragen zufolge hätten viele Deutsche den Entertainer Hape Kerkeling gern als Moderator von „Wetten, dass…?“ gesehen, aber er wollte nicht. Hape Kerkeling ist gleichermaßen bekannt wie beliebt und erreicht einen Wert von 61,7. Humor ist halt auch gut für Werbung. Quelle: AP
Platz 8: Michael „Bully“ HerbigNoch ein Prominenter, der Deutschland gern zum Lachen bringt. Michael Herbig (unter anderem „Der Schuh des Manitu“) erreicht einen CPI-Index-Wert von 62,6 Punkten Quelle: dpa
Platz 7: Peter MaffayDer zweite deutschsprachige Musiker unter den Top Ten ist Bühnen-Dino Peter Maffay, der zudem durch seine Tabaluga-Projekte auch bei Kindern sehr erfolgreich ist. Ein Wert von 63,1 Punkten hievt ihn auf Platz 7. Quelle: dpa

Hier könnten sich bitte alle eine Scheibe abschneiden. Ja, ausnahmsweise auch vom MediaMarkt bzw. natürlich seiner Agentur Ogilvy.

...warum Sie über Branchen hinweg die immer gleichen prominenten Werbegesichter sehen?

Immer wieder verwirrend, wie das Marketing selbst seine Produkte und Marken noch austauschbarer gestaltet als sie es ohnehin schon sind, indem es sich gerade auf jene (austauschbaren!) Gesichter stürzt, die letzte Woche noch für den Wettbewerb vor der Kamera posierten. Eva Longoria, Giselle Bundchen, Sylvie van de Vaart, et al.

Auch dass "die meisten Männer mit ihr gerne einen One-Night-Stand hätten", wie die Bunte über Sylvie schreibt, sollte - im doppelten Sinne - für Marketingverantwortliche nicht entscheidungsrelevant sein.


Langfristig hilft der Marke diese verstärkte Austauschbarkeit der Kulisse parallel zum austauschbaren Produkt kein bisschen - im Gegenteil.

...warum Werbung immer aggressiver auf Abverkauf, Preis und Rabatt setzt?
Mit der Zeit verwechselt man selbst den letzten Strohhalm mit einem Hebel zur Wiederbelebung der Marke - oder ihrer Umsätze.
Preisreduktionen, Rabattoptionen, Mengenzugaben sind immer ein Zeichen von Schwäche. Oder werden Diskussionen im wahren Leben überzeugender, wenn man mit immer schlechteren, statt immer besseren Argumenten 'auftrumpft'?

Am schlimmsten stoßen mir da die Markenbündelungen von Henkel und Procter auf, die eher an den Ramschtisch eines zweifelhaften Händlers erinnern, denn an eine (einst) stolze und selbstbewusste Marke.
Je kurzfristiger man handelt, desto weniger nachhaltig werden die positiven Ergebnisse sein. Mit den negativen Folgen jedoch wird sich noch die nächste Marketingleitergeneration herumschlagen - hier sei nur die Markenerosion genannt.



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