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Werbesprech

Warum wir Harald Schmidt noch vermissen werden

Harald Schmidts Late Night Show wurde ein Opfer der Quote. Für das deutsche Fernsehen ist das eine Katastrophe. Schuld daran sind TV-Sender, die mit einem Massenpublikum den Werbemarkt bedienen. Und Werbekunden, die nur auf möglichst billige Quote fixiert sind.

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Die besten Sprüche von Harald Schmidt
Die Anmoderation: "Ich bin stolz und gerührt, als Gastgeber vorgestellt zu werden, obwohl andere dafür bezahlen."
Über seine Anreise: "Der A 380 heißt jetzt der fliegende Toyota"
"Ich sage zu meinem Team. Vergesst die Risse in den Tragflächen. Hauptsache der Kapitän ist kein notgeiler Italiener."
Über sein Quartier: "Ich wohne im Dominic-Kahn-Flügel. Ich habe zu dem Zimmermädchen gesagt, mach doch auch mal sauber."
Über sein Quartier: "Ich wohne im Dominic-Kahn-Flügel. Ich habe zu dem Zimmermädchen gesagt, mach doch auch mal sauber."
Über das Wetter: "Es ist so kalt. Bei der Berlinale tragen sie jetzt sogar Unterwäsche."
Über den geplanten neuen Bußgeldkatalog: "8 Punkte oder wie wir sagen: ein Käßmann."

„Schade.“ Das war der kurze Kommentar von Harald Schmidt zur Absetzung seiner SAT.1-Late Night Show. Ungewohnt kurz kommentierte auch der Sender das Ende von „Late Night der Extraklasse“ in seiner Pressemitteilung. Schuld war die Quote. Tatsächlich war „Dirty Harry“ im letzten Herbst mit einem Quoten-Niveau von 15 Prozent bei SAT.1 wieder gestartet. Angesichts eines Senderschnitts von zehn Prozent machte sich schnell Euphorie breit. Als die Quote unmittelbar nach dem Start auf sieben Prozent zurückfiel, erweiterte man die Show zu Jahresbeginn zunächst zwar auf drei Sendetermine pro Woche, zog dann jedoch überraschend früh die Reißleine. Fred Kogel, Schmidts Co-Produzent brachte es auf den Punkt: „Eine tägliche Late Night Show braucht entsprechende Rahmenbedingungen und vor allem Zeit.“

Qualität wird im TV versteckt

Man muss dem Sender schweres Versagen vorwerfen. Dass das deutsche Fernsehen Platz hat für Ironie und Zynismus, beweist das ZDF jeden Freitagabend mit Oliver Welkes mit Preisen überschüttete „heute-show“. Die allwöchentliche Satiresendung bringt es bisweilen auf zweistellige Quoten, insbesondere im jungen Publikum, das dem ZDF sonst fehlt. SAT.1 unterschätzt offenbar auch den Imageverlust, der durch das Absetzen der Harald Schmidt Show droht. Zahlreiche Twitterer haben noch am gleichen Tag angekündigt, SAT.1 wieder komplett von der Fernbedienung zu streichen.

Qualität wird ohnehin im deutschen Fernsehen meist versteckt. „Mad Men“ gilt für viele als die beste Serie, die das US-Fernsehen jemals hervorgebracht hat. In Deutschland wird sie auf ZDF_neo ausgestrahlt, einem Spartenkanal, der über eine technische Reichweite von 40 Prozent und einen Marktanteil von maximal einem Prozent nicht hinauskommt. Diese sogenannten Qualitätsprogramme unterscheiden sich in einem Punkt oft deutlich vom übrigen TV-Programm: In der Struktur ihrer Zuschauer. Während das gängige Programm, von öffentlich-rechtlichen wie privaten Sendern, überwiegend von älteren Zuschauern mit geringer Bildung und schwachem Einkommen genutzt wird, erreicht z.B. Welkes „heute-show“ durchaus auch jüngere und besser gebildete Zuschauer.

Harald Schmidt - ein Quotenopfer

Doch Qualität ist wohl nicht erwünscht. TV-Werbungtreibende und ihre Mediaagenturen fordern vor allem billige Sendeplätze: Massenattraktive Programmumfelder zum möglichst günstigen Preis. Billiges Fernsehen für billige Zuschauer. Die Qualität der Programme ist ihnen offenbar immer gleichgültiger. Es ist nur noch der Preis, der stimmen muss. Das bringt weniger das öffentlich-rechtliche ZDF, das ohnehin nachts um 22.30 Uhr keine Werbeplätze verkaufen darf, in die Bredrouille, wohl aber SAT.1-Sendungen, die nicht wenigstens eine durchschnittliche Quote bringen, also eine Mindestmenge an durchschnittlichen Zuschauern, werden übereilt abgesetzt. Harald Schmidt ist ein Opfer der Quote.

Abhängig ist SAT.1 allerdings von der Nachfrage. Die Werbungtreibenden und ihre Agenturen müssen spätestens jetzt überlegen, wie sie sich das Fernsehen der Zukunft wünschen. Wenn sie ein Massenmedium in all seinen Facetten wollen, dann sollten sie durch ihre Nachfrage dafür sorgen, dass Qualitätsprogramme, die attraktive Zuschauergruppen anlocken, nicht abgesetzt werden müssen. Wenn im oft gescholtenen amerikanischen Fernsehen Platz ist für Jay Leno und David Letterman, dann muss im deutschen Fernsehen Platz sein für Harald Schmidt. Im Netz machte sich ein Fan Luft: „Ich möchte nicht Bürger in einem Land sein, in dem Mario Barth eine Show hat, Harald Schmidt aber nicht.“ Die Verbannung seiner Late Night Show ist ein großer Verlust für das deutsche Fernsehen. Es ist keinesfalls nur „schade“, es ist eine Schande.

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