Werbesprech
Jemand zeichnet Kreise Quelle: imago images

Was Werber jetzt tun müssen

Viele Unternehmen stoppen angesichts der Coronakrise ihre Werbekampagnen. Die Kommunikation zu unterbrechen, ist jedoch falsch. Die Werber könnten gerade jetzt zum positiven Vorbild für die gesamte Wirtschaft werden. Nutzen sie ihre Chance?

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Die Coronakrise sorgt für Wirbel im Werbemarkt. Zwar tun sich Agenturen leichter als andere Branchen, Homeoffice für ihre Mitarbeiter zu verordnen. Doch hilft das wenig, wenn die Aufträge wegbrechen.

So volatil wie Schwankungen an der Börse ist auch das Geschäft mit den bunten Bildern und schönen Werbefilmchen, die uns allabendlich glückliche Menschen vorgaukeln. Die „Werbewirtschaft leidet heftig unter der Corona-Krise“ titelt die FAZ, die sich sonst nur selten mit der Branche beschäftigt, von der sie, wie die meisten Medien, abhängig ist. Print- und Online-Anzeigen machen die Hälfte der Einnahmen der Verlagshäuser aus, bei den Vermarktern privater TV- und Radio-Sender sind es nahezu 100 Prozent.

Bereits zu Beginn der Krise berichteten laut einer Umfrage des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen GWA mehr als 80 Prozent aller Agenturen von abgesagten oder verschobenen Projekten. Warum das geschieht, erläutert Medien- und Marketingprofessor Thorsten Hennig-Thurau von der Universität Münster: „Die Budgets werden jetzt sicherlich zunächst einmal gekürzt. Die Menschen gehen nicht mehr einkaufen, da kann die tollste werbebedingte Markenliebe nur bedingt in Umsätze überführt werden.“

Mehr als nur Verkaufsförderung

Richtig ist diese Begründung nicht. Erstens stürmen die Menschen die Supermärkte. Zweitens: Werbung ist keinesfalls pure Verkaufsförderung, sondern langfristige Markenbildung. Erst wenn die Attribute der Marke gelernt sind, wenn Endverbraucher sie von anderen zu unterscheiden vermögen, zündet der Abverkauf. Sonst könnte man auf Werbung verzichten und an die Ware einfach ein Preisschild hängen. Doch das machen nicht einmal Händler wie Aldi und Lidl: Ihre Image-Kampagnen zählen zu den höchsten Etats im deutschen Werbefernsehen.

Zu den Unternehmen, die nach Aussage der TV-Vermarkter ihre Kampagnen stornieren oder verschieben, zählen momentan auch die Autobauer, die schon vor der Krise unter einer Absatzflaute litten. Das verwundert, denn PKW-Werbung verführt eben nicht zum Spontankauf, sondern begleitet den Kaufwilligen durch seinen monatelangen Entscheidungsprozess. Ford in den USA macht es da schlauer: Sie ersetzen ihre aktuelle Kampagne durch „Corona-Spots“, die all denen Zahlungserleichterungen versprechen, die derzeit einen Ford abbezahlen. Die Botschaft erreicht somit auch die, die sich im nächsten Jahr für eine PKW-Marke zu entscheiden haben. Ganz im Sinne des Ford-Slogans: „Bereit für morgen.“

Wenigstens Mercedes-Benz entschied ebenso, ersetzt die laufende TV-Kampagne durch neue Spots und lässt es sich nicht nehmen, all denen zu danken, die derzeit „ihr Bestes geben“. Einziger Wermutstropfen: Die Bild-Zeitung sagt genau dies mit ihrer Kampagne bereits seit vielen Monaten.

Lösungen für das Dilemma

Der Grund für die Kürzungen der Werbeetats ist ein simpler: Marketing verfügt als einzige Stelle im Unternehmen über Geld, das unmittelbar – innerhalb weniger Tage – verfügbar gemacht werden kann. Aus diesem Grund wird der Rotstift immer zuerst beim Werbeetat angesetzt. In diesen Tagen erweist es sich als Bumerang, dass sich die Markenverantwortlichen in den Unternehmen nicht mit größerer Überzeugungskraft für ihre Marken einsetzen, die nachweislich die Eckpfeiler des gesamten Unternehmenserfolges darstellen.

Das Dilemma in den Marketingabteilungen ist groß. Wenn sehr früh, wie bei Ikea, entschieden wird, die Läden zu schließen, soll man ebenso abrupt die Werbekampagne stoppen? Wer schlau ist, tut das nicht, sondern passt seine Kampagne an. Denn die Kommunikation mit der Zielgruppe darf nicht unterbrochen werden. MediaMarkt zielt bewusst auf Arbeitende im Homeoffice und verkündet bei Twitter: „Die Gesundheit hat für uns oberste Priorität. Daher bleiben unsere Märkte bundesweit geschlossen. Der Onlineshop steht euch aber weiterhin zur Verfügung.“

Schon jetzt steht fest, dass die Werbeausgaben in diesem Jahr weltweit sinken werden. Prognostiziert war das Gegenteil: Großereignisse wie die Fußball-EM und die (noch nicht, aber gewiss bald ebenso) abgesagte Olympiade in Tokio sollten der Motor für eine weitere Steigerung sein.

Wer nun annimmt, dass der E-Commerce, allen voran Amazon, als großer Gewinner aus der Krise hervorgeht, sieht sich womöglich getäuscht. Eine aktuelle, von iBusiness durchgeführte Repräsentativstudie fördert Überraschendes zutage: Google und Amazon spielen für Onlinekäufer eine zentrale Rolle, verlieren jedoch an Bedeutung. Ebay besitzt als Plattform eine höhere Bindung als Amazon und Testberichte als Informationsquelle holen gegenüber der Amazon-Suche deutlich auf.

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