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Quelle: imago images

Weihnachtliche Werbung in der (Corona-)Krise

Weihnachten ist traditionell auch das Fest der kreativen Werbung. Wie aber gehen die Werber mit Weihnachten in der Pandemie um? Sie tun sich erstaunlich schwer. Echte Highlights sind rar.

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NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erwartet „Das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben.“

Für diese fragwürdige Aussage hagelte es Kritik – aber auch Spott, etwa in Form eines Filmplakats zur gefakten Ankündigung von „Stirb Langsam 6 – Das härteste Weihnachten ever“ mit Laschets Konterfei.

Und die ZDF heute-show giftete: „Wer sein Ohr an eine Friedhofsmauer legt, kann die Kriegsgeneration lachen hören. Hart.“

Mit dem Thema Weihnachten gehen die werbenden Marken und Händler schon seit vielen Jahren empathischer um als Laschet. Sie kreieren spezielle Weihnachtsspots, die unter die Haut gehen und die ich in meiner Kolumne alljährlich begutachte und bewerte. Dieses Jahr ist Weihnachten jedoch anders. Es stellt sich die Frage, ob und wie Werber auf die veränderte Situation eingehen. Zeigen sie wie in jedem Jahr glückliche Menschen, die sich fröhlich umarmen, als wäre Corona nie geschehen? Zeigt die vor Monaten produzierte Werbung etwa mehr als zehn Personen aus mehr als drei Haushalten? Werden ihre Spots im TV und Internet mit Warnhinweisen zum Abstandhalten ausgestattet?

Noch im vergangenen Jahr fluteten die Werbe-Weihnachtsspots insbesondere der Einzelhändler Edeka, Kaufland, Penny, Aldi, Otto und Amazon die Werbeinseln der TV-Sender. Einer schöner als der andere. Und in diesem Jahr? Ein Jahr, in dem sich die Menschen nichts sehnlicher wünschen als ein wenig Normalität?

Edeka, berühmt für bisweilen beklemmende Weihnachtsspots mit ernster Botschaft (wie 2015 der Opa-Spot #heimkommen) legt in diesem Jahr die Rührseligkeit beiseite, bemüht sich um das Thema Diversität („Wir lieben Lebensmittel und ihre Vielfalt, deshalb ist unser Weihnachtsangebot so bunt wie unsere Gesellschaft“) – und landet prompt in der Rassismus- und Sexismus-Falle. Der Vorwurf: Die Tochter sucht sich im Werbespot, erdacht von Jung von Matt, jedes Jahr einen neuen Lover mit einem anderen kulturellen Background. Das soll die Botschaft von Diversität unterstreichen. Im Netz entstand gegen den Spot eine Petition namens „Wir sind keine Exoten und kein Trend“. Auf die Vorwürfe reagiert Edeka lediglich mit einer erneuten Erklärung der eigentlich gemeinten Botschaft: „So bunt wie unsere Gesellschaft, so bunt und vielfältig ist das Angebot bei Edeka.“ Nicht gut, wenn man seinen Werbespot später noch erklären muss. Die Werbe-Suppe dürfte es Edeka ordentlich versalzen haben.

Otto stellt sich geschickter an. Sie vermeiden Bilder von Familien, die zu Weihnachten zusammenkommen, zeigen stattdessen eine Mutter mit ihren drei Kindern bei der Weihnachtsvorbereitung und nennen es „Heimnachten“ („Weihnachten hat ein Zuhause: deins“). Irritierend ist allerdings, dass ein Vater im Spot fehlt. Da das beim Dreh beabsichtigt gewesen sein muss, wirft der Film eher Fragen als Freude auf.

Mit seiner weihnachtlichen „Geschichte mit Kai Karotte“ geht Aldi einen anderen Weg und erzählt in Form eines Gedichts, wie eine Trickfilm-Karotte das Weihnachtsfest entdeckt. Als dann am Ende des Films eine Familie am festlich gedeckten Weihnachtstisch gezeigt wird, hält man sich strikt an die Corona-Regeln: im Bild sind sechs Erwachsene und drei Kinder zu sehen.

Penny wählt ebenfalls den Ausweg des Trickfilms, um seine Weihnachtsgeschichte #stelldirvoreswürdejedermachen zu erzählen, begeht jedoch den unverzeihlichen Fehler, Mutter und Sohn in einer relativ vollen Einkaufspassage zu zeigen, wo der Sohnemann einem Obdachlosen – ohne Einhaltung des Abstands – einen Schoko-Weihnachtsmann überreicht. Keiner der Menschen im Film trägt einen Mund-Nasen-Schutz, worauf man wohl glaubte, in der Animation verzichten zu können. Beides irritiert. Ebenso wie das erneute Fehlen eines Vaters. Die Werbe-Weihnachtsbotschaft 2020 kann „Weihnachten ohne Papa“ doch hoffentlich nicht sein...

Amazon, seit Jahren gelobt für seine wunderbaren Filme mit den singenden Paketen, besticht auch in diesem Jahr mit einer rührenden und unter Corona-Gesichtspunkten bewegenden Geschichte („The show must go on“): Eine junge Ballerina, die während der Pandemie hart für einen Auftritt trainiert, der dann jedoch abgesagt wird, tanzt schließlich für die Nachbarschaft. Doch so schön dieser Film ist, er hätte auch von jedem anderen Absender stammen können. Mit Amazon und seinen Services hat er wenig zu tun. Die eine bei Amazon im Film bestellte Taschenlampe reißt es nicht raus. Er zahlt somit kaum auf die Marke ein. Eine Chance vertan.

Zalando macht es ganz ähnlich mit seinem Spot „Wir werden uns wieder umarmen“ und zeigt in nicht enden wollender Bildfolge Menschen, die sich umarmen. Zalando thematisiert zwar die soziale Distanz, die den Menschen zu schaffen macht, verzichtet jedoch auf jede Auflösung, die zum Absender passt.

Wieder ein Weihnachts-Werbe-Highlight: Coca-Cola

Coca-Cola kann das besser, zumindest wenn es darum geht, eine zu Tränen rührende Geschichte („Dieses Weihnachten bist du das größte Geschenk“) zu erzählen und der Marke einen Platz darin zu geben. Sie erzählen in ihrem Weihnachtsspot von einem Vater (endlich), der zur Arbeit aufbricht und von seiner Tochter gebeten wird, an den Weihnachtsmann einen liebevoll geschriebenen Brief abzuschicken.

Der berühmte Coca-Cola-Truck fährt im Film zur Hilfe herbei. Das Ende soll hier aber nicht verraten werden.

Viele Unternehmen, darunter McDonald’s und Apple, sind dem Thema Weihnachten in diesem Jahr bislang komplett aus dem Weg gegangen. Das Eis war ihnen offenbar zu dünn.

Blicken wir ins Ausland, fällt Gucci mit seiner Kampagne auf. Man rückt eine Büroparty in den Neunzigerjahren in den Mittelpunkt der diesjährigen Weihnachtskampagne, quasi als schöne Erinnerung an die „gute alte Zeit“.

Und für Xfinity, einer Marke des US-Kabelnetzbetreibers Comcast, schlüpft der Schauspieler Steve Carell in die Rolle eines Weihnachtsmanns im Homeoffice. Der Spot bemüht sich, die Fragen zu beantworten: Was soll man im Pandemiejahr überhaupt schenken und wonach sehnen sich die Menschen am meisten? Die Antwort berührt: Es sind die kleinen Dinge...

Weltmeistern im Ersinnen kreativer Weihnachtsspots wie dem UK-Händler John Lewis gingen in diesem Jahr offenbar die Ideen aus: Der Weihnachtsspot 2020 zeigt lauter traurige, enttäuschte Menschen und lässt die Zuschauer eher depressiv zurück. Was man sich dabei gedacht hat, bleibt ein Rätsel.

Ikeas Antwort auf das traditionelle Weihnachts-Gesülze fällt durchaus verstörend aus. Während die großen Werbungtreibenden sich mit der Entladung größter Emotionen überbieten, beschäftigt sich Ikea mit einem Problem, das zu keiner Jahreszeit so groß ist wie zu den Feiertagen: häusliche Gewalt. Nichts für Zartbesaitete, aber extrem sensibilisierend. Leider gibt es den bemerkenswerten Film nur in Tschechien (aber auch im Netz) zu sehen.


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Ein ernüchterndes Fazit

Trotz einiger Highlights fällt das diesjährige Fazit ernüchternd aus: Den Weihnachtskampagnen des Krisenjahres 2020 fehlt es an Leichtigkeit, vor allem aber an Kreativität im Umgang mit der Pandemie. Viele der Spots irritieren eher, als dass sie wirklich begeistern. Ebenso ernüchternd dürfte in diesem Jahr auch das Weihnachtsgeschäft ausfallen. Nach Erkenntnissen der diesjährigen „Deloitte Christmas Survey 2020“ werden die Deutschen im Jahr der Pandemie während der Weihnachtssaison deutlich weniger Geld ausgeben. Das Weihnachtsbudget sinkt auf 343 Euro und halbiert sich fast gegenüber dem Vorjahr (642 Euro). Als Grund geben die Menschen sowohl die Corona-Einschränkungen als auch die wirtschaftliche Unsicherheit an. Aber wenigstens beabsichtigt der Großteil (bis zu 82 Prozent), Einkäufe im stationären Handel zu besorgen. Ein kleiner Lichtblick vielleicht.

Wünschen wir uns deshalb ein besseres (Werbe-)Jahr 2021. Vor allem aber wünsche Ihnen ein schönes Weihnachten im kleinen Kreis – und bleiben Sie bitte gesund.

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