Werbesprech

Werbung 2019: Alles bleibt anders

Marketing und Werbung sind hin- und hergerissen, weil sich die Konsum- und Mediengewohnheiten in nie dagewesener Geschwindigkeit ändern. Und doch bleibt vieles beim Alten. Rat- und Rastlosigkeit sind da keine Lösung. Eine neue Studie von PWC erlaubt Werbern nun den Blick in die Kristallkugel.

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Aldi verkauft "Paris"-Raketen
Werbe-Patzer vor Silvester: Aldi Süd verkauft ein 105-teiliges Feuerwerks-Paket mit "7 Brilliant-Bomben-Raketen" und "fetzigen Knallfröschen" unter dem Namen "Paris". Viele Kunden sind erzürnt. Zu sehr fühlen sie sich an die zwei Terrorserien in der französischen Hauptstadt erinnert, die in diesem Jahr mehr als 140 Menschen das Leben kosteten. Der Name sei "peinlich" und "geschmacklos", heißt es in den Sozialen Netzwerken. "Das nenn ich nen Totalausfall der Marketingabteilung", schreibt ein Twitter-Nutzer. Discounter Aldi, der auch Feuerwerks-Körper mit Namen wie Kapstadt und "Palermo" im Angebot hat, erklärt den Fauxpas mit den langen Bestell- und Produktionsvorläufen. "Bitte seien Sie versichert, dass es nicht unsere Absicht war, unsere Feuerwerkskörper mit den Anschlägen von Paris in Verbindung zu bringen", antwortet der Discounter verärgerten Facebook-Nutzern. "Unsere Silvesterpakete werden bereits weit im Voraus gekauft und geplant, sodass eine Reaktion auf aktuelle Ereignisse leider nicht möglich ist."Auch andere große Unternehmen haben sich mit Werbe-Schnitzern schon den Unmut ihrer Kunden zugezogen.
Die Modekette Sinn Leffers bot ein Shirt an, auf dem ein sexistischer Spruch prangt: "Twinkle, twinkle, little whore - close your legs, they're not a door". "Blinzel, blinzel, kleine Hure - schließe deine Beine, sie sind keine Tür". Das T-Shirt stammt vom französischen Anbieter Boom Bap, der für provokante Sprüche bekannt ist. In den sozialen Netzwerken entlud sich ein Shitstorm. Mittlerweile hat das Unternehmen reagiert und sich entschuldigt. Die T-Shirts wurden aus dem Sortiment genommen. Insgesamt haben wohl 500 Shirts in 30 Filialen im Regal gelegen - auch beim Mutterunternehmen Wöhrl. Quelle: Screenshot
"Dreifarbige Sklaven-Sandalen" bot die Modekette Zara in ihrem Online-Shop an - und erntete sogleich Protest und Spott. In den sozialen Netzwerken verbreiteten sich schnell Bilder des Angebots. "Die Hakenkreuze waren wohl nicht genug", twitterte etwa Userin Ronja M. Das Unternehmen spricht von einem "Übersetzungsfehler" - worin dieser bestehen soll, wurde allerdings nicht erklärt. Zara nahm die Schuhe inzwischen aus dem Sortiment. Quelle: Screenshot
Auf den Spott musste die Modekette Mango angesichts dieses "Chiffonhemds mit Blitzmuster", wie die Bluse im Prospekt heißt, nicht lange warten. Die Frage "Wehrmacht denn sowas?" scheint nicht ganz unberechtigt, erinnern die "Blitze" doch sehr stark an die Sig-Runen des SS-Emblems. Immerhin hat Mango das Doppel-S vermieden, die Frage nach dem "totalen Look" war dennoch unvermeidlich und auch nicht ganz daneben: Mango selbst bietet auf seiner Website ein Pombipaket mit Hose und Stiefel an – beworben mit dem Spruch "Wollt ihr den Total Look".Bekannt zynisch meldete sich auch der Satiriker und Europaabgeordneter Martin Sonneborn auf Facebook zu Wort: "Wieso hat Mango dieses Modell nur für Damen – es gibt doch auch männliche Nazis…?" Quelle: Screenshot
Damit frau zu Halloween in sexy Kostüme passt, sollte sie Sandwiches der Fast-Food-Kette Subway essen. Mit diesem neuen Werbespot (hier geht es zum Video auf Youtube ) setzte sich die Sandwich-Bude gehörig in die Nesseln. Im Internet hagelt es Kritik an der Botschaft, dass Frauen dünn und aufreizend gekleidet zu sein hätten. Auch die Werbebotschaft, mit den Weißbrot-Sandwiches abnehmen zu können, sorgt für Beschwerden. Quelle: Screenshot
"Butter zum Braten von Schweizern" gibt es dank einer Übersetzungspanne bei der Schweizer Supermarktkette Migros zu kaufen. Auf ihrem Produkt „Schweizer Bratbutter“ heißt es im italienischen Untertitel „Burro per arrostire Svizzeri“. Das bedeutet: „Butter zum Braten von Schweizern“. „Das ist peinlich und unfreiwillig komisch zugleich“, sagte Migros-Sprecherin Martina Bosshard. Es handele sich um einem „blöden Übersetzungsfehler“. Das Produkt sei seit zwei Wochen auf dem Markt, seitdem sei auch der Fehler bekannt. Mitarbeiter im italienischsprachigen Kanton Tessin hätten das Missgeschick beim Auspacken bemerkt. Man habe daraufhin sofort mit der Produktion neuer Packungen begonnen. Weil das Produkt selbst aber einwandfrei sein, verkaufe man zunächst noch die Ware in der alten Verpackung ab. Quelle: Screenshot
Das Verteidigungsministerium hat eine Werbekampagne für Frauen in der Bundeswehr nach einer Panne abgebrochen. Auf der Internetseite war eine Werbung für „Zewa wisch & weg“-Haushaltstücher mit der Unterzeile aufgetaucht: „So vielfältig wie Sie: Individuelle Karrieremöglichkeiten für Frauen bei der Bundeswehr.“ Die Seite war von einer vom Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr beauftragten Werbeagentur erstellt worden. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärte, dass die Kampagne bis auf weiteres gestoppt wurde. „Sollten sich erste Angaben erhärten, dass ein Programmierfehler der vom Bundesamt beauftragten Agentur Ursache für die irrtümliche Verbreitung des „Zewa-Bildes“ und die sich anschließende rufschädigende Diskussion war, behält sich das Ministerium rechtliche Schritte vor“, erklärte sie. Über den Stopp der Kampagne hatte zuerst der verteidigungspolitische Blog „Augen geradeaus!“ berichtet. Quelle: dpa

Alljährlich legt die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PWC) seinen „Global entertainment and media outlook“ vor. In Zeiten, in denen das Konsumentenverhalten und die Nutzung von Medien und Werbung einem laufenden Wandel unterliegen, sind Prognosen wichtig für die Meinungsbildung der Marketingentscheider. Die aktuelle PWC-Studie will vorhersagen können, wie sich die TV-, Print- und Onlinewerbung bis 2019 entwickeln werden. Und obwohl Vorhersagen bekanntlich mit Vorsicht zu genießen sind (vor allem wenn sie die Zukunft betreffen), lohnt ein Blick darauf - und vor allem eine Bewertung.

Die größten Werbe-Holdings der Welt

An allererste Stelle der globalen Trends setzt PWC das Thema Mobile. Zu recht, denn die Nutzung von Werbung auf mobilen Endgeräten übertrifft bereits das Desktop. „Der Siegeszug von Mobile“, schreibt Meedia dazu, „bedeute eine ähnliche digitale Disruption wie die des stationären Internets.“ Und da die Werbung den Zielgruppen auf ihrem Weg durch die Medienlandschaft gewöhnlich folgt („follow the eyeballs“), erleben wir derzeit eine entsprechend hohe Nachfrage für Mobile Werbung.

Wird Mobile zum Fiasko?

Doch der Traum könnte platzen. Haben sich bereits etwa ein Viertel der Online-User entschieden, Adblocker zu installieren, um so für die nervigen Banner und Layer Ads, die die aufgerufene Seite überlagern, unerreichbar zu werden, droht bei Mobile ein Werbe-Fiasko. Auf den Bildschirmen der Smartphones ist einfach kein Platz für Werbung. Und wenn doch etwas unser Interesse weckt: Wie viel unserer mobilen Zeit werden wir bereit sein für den Konsum von Werbung zu opfern?

Hierin liegt der entscheidende Unterschied zwischen Online und Mobile: Während Online-Werbung meist nur wenig unserer Zeit in Anspruch nimmt, kann Mobile nicht anders. Der vorhandene Platz erfordert unsere Entscheidung: Inhalt oder Werbung? Damit werden in der Zeit, die wir täglich mobil im Internet verbringen, vermutlich nur wenige, besonders attraktive Werbebotschaften zu uns durchdringen. Daher erhebt PWC die Monetarisierung des mobilen Digital-Konsums zur Gretchenfrage für die Medien- und Werbeindustrie.

Die wertvollsten Marken der Welt
Platz 10Der Marlboro-Hersteller Philip Morris belegt mit einem Markenwert von 44,84 Milliarden Euro den zehnten Rang. Noch 2013 konnte das US-amerikanische Unternehmen den achten Platz für sich beanspruchen. Auch der Gewinn von Philip Morris sinkt: Rauchverbote und Warnschilder auf den Zigarettenpackungen machen dem Unternehmen zu schaffen. Das Marken-Ranking wurde von Eurobrand erstellt, die dafür 3.000 Markenunternehmen aus 16 Branchen in Europa, Amerika und Asien verglichen haben. Quelle: dpa
Platz 9Der US-amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T überzeugt seine Kunden derzeit vor allem mit günstigen Handyverträgen, die Vertragskunden werden mehr. Der Markenwert hat im Vergleich zum Vorjahr zehn Prozent zugelegt: 44,97 Milliarden Euro beträgt der Wert derzeit und sichert AT&T den neunten Platz im Ranking. Quelle: AP
Platz 8Johnson & Johnson rückt im Ranking einen Rang nach oben. Der Markenwert des Pharmazie- und Konsumgüterkonzerns beträgt 47,22 Milliarden Euro. Kürzlich übernahm J& J für 1,75 Milliarden Dollar den Arzneimittelforscher Alios BioPharma, um sich gegen Viruskrankheiten besser aufzustellen. Quelle: AP
Platz 7Der US-amerikanische Konsumgüterkonzern Procter & Gamble belegt den siebten Platz des Rankings. Der Markenwert von P&G beläuft sich derzeit auf 47,77 Milliarden Euro und ist gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. Zur Produktpalette gehören zum Beispiel Pampers, Pringles, Always und Wella. In den nächsten Jahren will das Unternehmen mehr als die Hälfte seiner Produktlinien einstellen, um seinen Gewinn weiter zu steigern. Quelle: AP
Platz 6McDonald's steht im Eurobrand-Ranking erst an sechster Stelle, bei den Deutschen ist er hingegen unangefochten auf Platz 1: Mit 3,1 Milliarden Euro verzeichnet der US-Konzern den meisten Umsatz unter den Fast-Food-Ketten. Der Markenwert liegt international bei 48,10 Milliarden Euro und ist damit um sechs Prozent gesunken. Mc Donald's hat angekündigt, seine Produktpalette gesünder zu machen. Quelle: dpa
Platz 5IBM behauptet sich auf dem fünften Rang des Rankings. 54,44 Milliarden Euro ist die Marke derzeit wert und damit sechs Prozent mehr als noch 2013. Zum Produktportfolio des US-amerikanische IT- und Beratungsunternehmens gehören Software, Hardware und IT-Dienstleistungen. Lochkartengeräte waren die ersten Produkte, die IBM vertrieb. Das neueste ist ein Chip, der dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist. Quelle: AP
Platz 4Der Software- und Hardwarehersteller Microsoft landet mit einem Markenwert von 62,31 Milliarden Euro auf Rang vier. Anfang des Monats stellte der Konzern ein neues Betriebssystem vor: Windows 10 soll eine bessere Datensicherheit garantieren und beinhaltet auch wieder das Startmenü, das Nutzer bei Windows 8 vermisst hatten. Mehr als ein Jahr nach dem Start von Windows 8 nutzten laut Marktforschern viele Firmen weiter Windows 7 oder gar Windows XP. Im kommenden Jahr soll Windows 10 die Alternative sein. Microsoft ist der weltweit größte Softwarehersteller. Quelle: AP

TV macht (nicht?) schlapp

Das Fernsehpublikum wandert scheinbar ab: Vom stationären, vorgegebenen Programm hin zu YouTube, Mediatheken und Streaming-Angeboten wie Netflix, Maxdome und Amazon Prime. Im Interview mit dem Spiegel gab ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling zu: „…das Fernsehen hat…nicht mehr dieselbe Kraft wie noch vor zehn Jahren.“ Die PWC-Studie sagt jedoch voraus, dass die Reichweiten des herkömmlichen Fernsehens in Zukunft nur langsam weiter sinken.

Tatsächlich sind es überwiegend die jungen Zuschauer, die sich vom analogen Fernsehen abwenden. Der TV-Konsum der Älteren ist dagegen unverändert hoch. Wer als Werbungtreibender um jeden Preis die 14- bis 29-Jährigen erreichen muss, tut sich mit den Alternativen schwer. Andrea Malgara, Chef der Münchener Mediaplus, ist überzeugt, dass wir die Bedeutung von YouTube und Facebook als Abspielkanal für Bewegtbild-Werbung überschätzen. Er rechnet vor: „Wäre YouTube ein Fernsehsender, hätte er ungefähr die Größe von Sport 1.“

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