Werner knallhart

Berliner Verkehrs-Betriebe - die coole Sau im ÖPNV

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) können sich fast jede Art von Panne erlauben. Durch ihre unverkrampfte Kunden-Kommunikation auf Augenhöhe wird die BVG von vielen eher als cleverer Kumpel denn als dösiger Dienstleister gesehen. Das schafft sonst keiner.

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BVG: Die coole Sau im ÖPNV. Quelle: dpa

Die Deutsche Bahn betreibt einen Twitter-Account: An @DB-Bahn kann man Fragen zu allem rund um die Zugfahrt stellen und bekommt manchmal sogar flott Antwort. Ich formulierte jüngst aus einer Zigarettenrauchschwade heraus, die aus dem hinteren Triebkopf nach vorne in den Passagierbereich gezogen war: "Auf vielen Fahrten geht ICE2-Personal unterwegs in die hintere Spitze zum Rauchen. Dürfen Fahrgäste da auch mit?"

Und die Antwort des DB-Twitter-Teams knapp zwölf Stunden später lautete: "Nein."

Und ich spürte in jedem dieser vier Buchstaben knirschendes Zähnefletschen. War ich dem gigantischen Staatsbahn-Monopolisten zu nahe getreten?

So werden Schwarzfahrer auf der ganzen Welt bestraft
Schwarzfahren in Deutschland Quelle: dpa
Schwarzfahren in Griechenland Quelle: dpa
SpanienIn Madrid ist das Schwarzfahren für viele ein politisches Motiv. Aus Protest gegen die konservative Regierung rufen Fahrgäste dazu auf, nicht zu zahlen ("Yo no pago"). Dabei ist es gar nicht mal so einfach, ohne Fahrkarte in die U-Bahn einzusteigen. Die Drehkreuze, die von Sicherheitsleuten überwacht werden, lassen sich nur mit entwerteter Fahrkarte passieren. Zudem werden die Gänge kontrolliert. Wer ohne Fahrschein angetroffen wird, muss ein Bußgeld von 20 bis 30 Euro zahlen, das 20-fache des einfachen Tickets. Eine Smartphone-App dient spanischen Großstadt-Missetätern untereinander dazu, sich gegenseitig vor Kontrolleuren zu warnen. Quelle: Fotolia
Schwarzfahren in Japan Quelle: dpa
Schwarzfahren in den USA Quelle: fotolia
Schwarzfahren in London Quelle: REUTERS
Schwarzfahren in Schweden Quelle: dpa Picture-Alliance

Den Twitter-Profis von den Berliner Verkehrsbetrieben wäre das nicht passiert. Dort sitzen Menschen mit Spaß an kleinen Seitenhieben und keilen gerne mit Humor zurück.

Etwa über den BVG-eigenen Kanal #weilwirdichlieben. Der Hashtag ist natürlich wie dafür gemacht ist, verärgerte Kunden dazu zu provozieren, Dinge zu twittern im Stil von: "Wenn ihr uns Kunden liebt, warum kommt dann der scheiß M29 schon seit 16 Minuten nicht?" Aber gerade diese ironisch überhöhte Anbiederung an die Fahrgäste ist der Clou. Diese Mischung aus Augenzwinkern und echtem Beistand.

Beispiel:

Kunde twittert: "Sommertemperaturen draußen und der Bus ist beheizt."

BVG antwortet: "Da waren wohl wieder die finnischen Techniker am Werk. Einfach dem Fahrer Bescheid sagen."

Kunde: "Hab ich gemacht. Die Antwort: Ick hab doch dit Fenster bei mir uff, dit reicht doch. :\"

BVG: "Dann war vielleicht was kaputt. Aber könnte man wirklich netter sagen."

Bäng. Es ist was kaputt. Heißt: Technische Fehler passieren leider. Könnte man wirklich netter sagen: Solidarisierung mit dem Kunden gegen die eigenen Kollegen. Das macht Eindruck und versöhnt. Garniert mit dem Finnen-Gag - was soll man da als Kunde noch Böses denken? Kommunikation unter Freunden, statt zwischen Kunden und Dienstleister. Twitter-Rhetorik 1+.

Botschaft: Ich nehme dich ernst, aber nehmen wir bitte so eine Busfahrt nicht allzu ernst.

Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden auch durch die Werbung der BVG. Die bedient sich außerdem am coolen Berlin-Image.

Plakat zum Gaypride: Ein Mann sitzt bei einem anderen auf dem Schoß. Beide in Leder-Fetisch-Klamotten. Text: "Bringt dich ans andere Ufer. Die Tageskarte."

Wäre doch eigentlich auch ein Spruch für die Kölner Verkehrsbetriebe. Dort wirbt man aber eher so: "Das Handy-Ticket. Perfekt für spontane Aktionen." Und auf dem Plakat hält ein Mops ein Smartphone in der Hand. Weil Tiere ziehen ja immer.

Auf den Berliner Straßenbahnen: "Weine nicht, wenn der Regen fällt. Tram, Tram. Tram, Tram."

Oder: "Berliner Luft? Finden wir gut. Lassen wir so."

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