Werner knallhart

Billiger betrinken im ICE-Restaurant

Lokführer-Gewerkschafts-Chef Weselsky forderte jüngst ein Alkohol-Verkaufsstopp in den Zügen der Deutschen Bahn. Nun hat die Bahn Anfang April erstmal die Restaurant-Preise für Bier und Wein gesenkt. Und nicht nur die. Da tut sich was.

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Vielfahrer und Erste-Klasse-Passagiere dürfen sich über Preisnachlässe im Bord-Restaurant der Bahn freuen. Quelle: obs

Falls Sie eher so der Auto-Fahrer sind: Im ICE-Speisewagen gibt es am einen Ende das Bord-Restaurant, in dem sich die Gäste an Diner-artige Tische fläzen, und am anderen Ende das Bistro mit einem Stehtisch. Dort holen sich die Fahrgäste der 2. Klasse auch die Verpflegung ab und nehmen sie mit an ihren Platz.

Irgendjemand war bei der Bahn dann aber mal ganz früher der Meinung, dass im Speisewagen genug Platz sei für zwei getrennte Kassensysteme mit unterschiedlichen Preisen. Der Ansatz war ja eigentlich sehr sozial, wie es sich für eine Staatsbahn gehört: Wer mehr Service genießt, zahlt mehr. Wer seinen Proviant selber holt, spart Geld.

Nur war das System nicht praxistauglich. Typische Konstellation: Da kommt ein junges Pärchen so Anfang/Mitte 20 ins Bistro, sie bestellt am Ausgabe-Fenster einen Tee (3 Euro), und als sie gerade bezahlt, sagt er:
„Ach, weißt du was? Lass uns doch im Restaurant frühstücken.“

Neue ICE-Restaurant-Preise

Er setzt sich, sie will gerade nachkommen, da prescht der Kellner hinterher:
„Das geht aber nicht! Sie können nicht den Tee im Bistro kaufen und sich damit dann einfach ins Restaurant setzen.“

Junger Mann mit Das-ist-ja-mal-wieder-typisch-Bahn-Gesicht:
„Äh, wieso nicht?“
„Wir haben zwei getrennte Kassen und außerdem ist der Tee im Restaurant teurer.“
„Ok, wie viel teurer denn?“
„20 Cent.“

Ich konnte schon am Tonfall des DB-Mannes hören, dass ihm diese Preisdifferenz plötzlich selbst nicht mehr sehr weltbewegend vorkam. Junger Mann:
„Wir diskutieren hier gerade über 20 Cent? Unsere Fahrkarten haben zusammen über 150 Euro gekostet. Hier haben Sie einen Euro, den Rest können Sie behalten. Ich hoffe, wir dürfen jetzt bei Ihnen im Restaurant frühstücken.“

Solch peinliche Konflikte gehören ab sofort der Vergangenheit an. Denn das zwei-Preise-System wurde im April abgeschafft.

Im Vorjahr hatte der Staatskonzern noch Verluste verzeichnet. Dank des Sparkurses kommt die Deutsche Bahn nun wieder in die schwarzen Zahlen und vermeldet einen Fahrgastrekord.

Außerdem, so heißt es von den DB-Kellnern hinter vorgehaltener Hand, dürfen alle im Bordbistro angebotenen Snacks wie zum Beispiel eingeschweißte Sandwiches und Schokoriegel jetzt im Restaurant bestellt werden, auch wenn sie dort nicht auf der Karte stehen. „Das sollen wir zwar nicht proaktiv anbieten, weil wir da ja lieber die warmen Gerichte verkaufen wollen“, erklärt ein Mitarbeiter, „wir sollen es den Gästen aber auch nicht verwehren, wenn sie selber drauf kommen.“ Ich habe es Tags drauf probiert: kein Maulen. Die Angst vor Fehlern weicht an Bord dem Dürfen.

Der logische Effekt der Preis-Vereinheitlichung: neue Preise. Die treffen sich jetzt in der Mitte zwischen alten Bistro- und Restaurant-Preisen. Und jetzt suchen Sie sich bitte festen Halt: Das führt zu vielen niedrigeren Preise in Restaurant und Klasse 1! Vielfahrer und Erste-Klasse-Passagiere dürfen jubeln.

Da fühlt sich der gleiche Preis wie Sparen an

Bahn senkt Preise um 12,5 Prozent!

Das ist eine Schlagzeile, wa? Wer im Restaurant zehn Bionaden trinkt, trinkt die zehnte fast umsonst! Der zwanzigste Weißwein geht jetzt praktisch aufs Haus. Wer seinem Arzt versprochen hat, kürzer zu treten: Für Vielfahrer rechnet sich das natürlich auch über Wochen. Wie eine Rabattkarte. Nur ohne Stempel. Und das mit Service am Platz.

Im Bistro haben die Preise dafür in einigen Fällen angezogen. Das Pils kostete bislang 3 Euro, jetzt eben 3 Euro 20 (+6,7 Prozent). Ähnliches bei vielen heißen Getränken. Dies wiederum mit dem angenehmen Nebeneffekt fürs Personal: Krumme Preise haben ein höheres Trinkgeld-Potenzial. Und wer sich im Bistro abgezockt fühlt, bringt künftig einfach eigene Getränke mit oder setzt sich ins Restaurant. Da fühlt sich der gleiche Preis wie Sparen an.

So sieht der neue ICE 4 aus
Der neue Hoffnungsträger: Der ICE 4 im ICE-Werk Rummelsburg in Berlin. Ab Spätherbst fährt er von Hamburg nach München. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Der ICE 4 ist vorne breiter als etwa der Vorgänger ICE 3. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Größere Piktogramme im Einstiegsbereich zeigen, wie der Wagen genutzt werden soll. Hier sind Handys verboten. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
In der ersten Klasse gibt es Leselampen am Platz. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Für die Bahn sind die Sitze eine echte Innovation. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Die Anzeigen in den Großraumwagen sind nicht neu, aber sie sind jetzt besser. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Der Spender für das Desinfektionsmittel ist jetzt fester Bestandteil der Armaturen. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche

Einige Preise sind im Restaurant gleich geblieben, dafür aber bietet die Bahn dort (wie auch im Bistro) nun bessere Qualität. Der Tee kommt nun nicht mehr von Ronnefeld (der mit den riesigen Papplaschen am Teebeutel, an dem sich das Wasser hoch zieht, an der Pappe abseilt und die Untertasse/den Tisch flutet), sondern von Eilles. Deren Beutel haben eine kleine pflegeleichte Fluppe und sind mit Bio-Fairtrade-Tee gefüllt.

Auch die heiße Schokolade ist jetzt Fairtrade- und Bio-zertifiziert - zum gleichen Preis wie zuvor. Der Kaffee ist jetzt zwar noch nicht Bio, aber immerhin Fairtrade.

Einiges wird aber auch für alle teurer. Der Filterkaffee kostet künftig nicht mehr 2 Euro 90, sondern 3 Euro (ist jetzt aber, ich sagte es schon, auch Fairtrade). Die Käsestreifen auf dem Salat kosten nicht mehr 1 Euro 90 extra, sondern happige 2 Euro 40, das Extra Räucherlachs 2 Euro 90 statt 2 Euro 40. Weder Käse noch Lachs sind aber nun bio oder sonst wie fair.

Was der neue Bahnchef Lutz jetzt angehen muss

Naja, da wird sich jemand wohl was dabei gedacht haben.

Bei einer Sache allerdings bin ich mir nicht so sicher: Die Milch zum Kaffee wird jetzt nicht mehr in kleinen spritzenden Plastikdöschen auf die Untertasse gelegt, sondern in Saucieren-artigen kleinen Milchkännchen serviert. Diese sind allerdings nicht klein genug, viel zu voll (die Milch würde für ein mittleres Müsli reichen), werden selbst zum Milchkaffee serviert, schwappen bei der Fahrt umher und werden meist voll oder halbvoll wieder abgeräumt. Würde man aber die gesamte Milch in den Kaffee gießen, liefe die Tasse über.

Ich sage Ihnen: Wenn Sie nicht bald mal das ICE-Restaurant ausprobieren, werden Sie diese Kännchen niemals kennenlernen. Und die neuen Preise gelten laut Karte erstmal nur bis Mai 2017.

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