Werner knallhart
Car2Go-Fahrzeuge sind innen oft eklig, findet unser Kolumnist Marcus Werner. Quelle: Daimler

Car2Go Carsharing: vermüllt, verraucht, blutverschmiert

Müll im Fußraum, Zigarettenasche in der Mittelkonsole, sogar Blut auf den Sitzen. Woran liegt es, dass die nagelneuen Car2Go-Mercedes' mitunter vollkommen verdreckt sind?

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Am Anfang fand ich es etwas affig. Ein Kumpel meinte vor rund einem Jahr zu mir: „Nä! Ich fahre niemals mit Car2Go. Die Autos sind immer so runtergekommen.“ Und zückte seine DriveNow-Kundenkarte.

Um ihm zu beweisen, dass ich mich nicht so kleinlich anstellte wie er, reservierte ich kurzerhand per App einen Car2Go-Smart an der Friedrichstraße in Berlin: „Mit denen findet man wenigstens einen Parkplatz.“

Als wir einstiegen, trafen mich denn auch sofort strafende Blicke. Denn erstens sah der Smart von außen aus, als hätte man ihn geteert und gefedert. Zweitens lag im Beifahrerfußraum ein benutztes Taschentuch von einem der Vormieter auf der verdreckten Fußmatte und drittens war das Sitzpolster seitlich aufgerissen.

„Aber der Wendekreis ist super“, maulte ich und startete den heulenden Motor. Seit meiner Schlappe vor einem Jahr vergleiche ich bewusst die zwei großen Carsharing-Anbieter Car2Go von Daimler und DriveNow von BMW/Sixt.

Lange Zeit galt Car2Go für mich als der nette Wendige mit der praktischen App. Denn Car2Go bot allein den Smart als den sympathischen Racker, der auf den breiten Berliner Straßen mit der Schnauze zum Bordstein geparkt in fast jede Lücke passt.

DriveNow hingegen mit seinen BMWs und Minis hatte eine App am Markt, mit der man sich mitunter im strömenden Regen vor dem verriegelten Auto die Beine in den Bauch stand, bis endlich die Türen aufgingen, und man mit eingezogenem Hals dachte: „Dieses DriveNow ist einfach nichts für mich.“

Und dann die lahme Software an Bord. Bis man die PIN eingeben konnte, um schlüssellos zu starten: demütigend.

Mittlerweile sieht es anders aus. Die DriveNow-App öffnet das Auto schon von weitem zum sofortigen Einstieg, und auch wenn es manchmal noch zu lange dauert mit der PIN im Auto: Es ist deutlich besser geworden. Die Zeitverschwendung im Vergleich zum Car2Go, bei dem man die PIN in Windeseile in die superschnelle App eingibt, den Zündschlüssel dann aus dem Handschuhfach nimmt und direkt starten kann, ist deutlich geringer geworden.

Eins haben die beiden Anbieter mittlerweile gemeinsam. Wie BMW schon länger, nutzt auch Daimler sein Car2Go, um den Carsharing-Kunden ganz nebenbei Probefahrten mit einem großen Teil der aktuellen Produktpalette anzubieten. Indem Daimler nicht mehr nur Smarts, sondern auch Mercedes auf die Straße stellt.

Und wer diese Autos fährt, merkt: Mercedes ist eben mehr als die solide C-Klasse, mit der uns die Taxi-Fahrer zum Flughafen fahren.

Asis unter den Kunden?

Car2Go, das ist neben dem neuen Smart Fourtwo der bullige SUV namens GLA, die A-Klassen-Limousine (die mit der Elch-Test-Variante von früher nur noch den Namen gemein hat), die geräumige B-Klasse und das schnittige Coupé CLA.

Aber irgendwie - ich weiß auch nicht - locken diese schönen sportlichen Autos die falschen Kunden an. Es sind unter den Kunden offenbar eine Menge Assis.

Und damit meine ich nicht die Prolls, die ihre eigene Großmutter verkaufen würden, um sich noch ein paar Monate lang ihren tiefergelegten Mercedes-AMG leisten zu können, bei dem sie die Auspuffklappen per Fernbedienung öffnen, damit alles extra schön ohrenbetäubend dröhnt, wenn sie im weißen Trainingsanzug durch Kreuzberg kreuzen. Solche das Marken-Image schädigenden Kunden sind einigen bei Daimler gar nicht recht, wie mir ein Mercedes-Autohändler hinter vorgehaltener Hand verraten hat.

Nein, aber mit Assis meine ich echte Assis. Asoziale, die auf Kosten der anderen ihre eigene Gleichgültigkeit gegenüber fremder Leute (oder Firmen) Eigentum raushängen lassen.

In gefühlt einem von drei Car2Go-Mercedes in Berlin ist Asche im Aschenbecher (gemäß §  9 Abs. 3i der AGB verboten). Die Kisten riechen nach Rauch. Das bestätigen mir auch Freunde und Kollegen, die selber oft Car2Go nutzen. In rund jedem zweiten Auto liegt Müll im Fußraum oder stehen ausgesoffene Kaffeebecher in der Mittelkonsole (gemäß § 9 Abs. 3k der AGB verboten). Und auf den Fußmatten: regelmäßig ein Sammelsurium an Matschbrocken und Blättern.

Jetzt vergangene Woche: Gerade empöre ich mal wieder über den eingeaschten Aschenbecher in dem nach Kneipe stinkenden Mercedes, da unterbricht mich mein Beifahrer, der gerade seinen Rucksack nach hinten auf die Rückbank hieven will, mit einem Ruf des Entsetzens: „Oh Gott, hast du das blutbesudelte Tuch gesehen? Oh, igitt, und das Leder auf dem Sitz ist dick mit getrocknetem Blut eingeschmiert. Das ist ja zum Kotzen! Was sind das bloß für Typen, die hier mieten?“

WiWo-Kolumnist Marcus Werner fotografierte die Rückbank des vollgedreckten Carsharingwagens - inklusive blutverschmiertes Tuch. Quelle: Marcus Werner

Tja! Mercedes-Fahrer. Wie ich gerade. Beschämend. Hatte der Fahrer einen Freund nach einer Schlägerei mitgenommen? Oder gab es direkt bei der Fahrt eine Messerstecherei? Man hat diese Typen ja regelrecht vor Augen: Vorne wird geraucht, hinten hält sich jemand die blutenden Wunde und wirft das Tuch dann ins Auto. Dem Mieter doch egal. Weil: Ist ja nicht sein Wagen. Und wer 30 Cent Miete pro Minute bezahlt, der darf alles!

Die Pressestelle von Car2Go betont zwar: „Standortübergreifend wird die überwiegende Mehrheit dieser Mieten ordnungsgemäß durchgeführt. Trotz intensiven Informations- und Aufklärungsmaßnahmen kommt es bei dieser enormen Anzahl an Mieten vereinzelt zu Verstößen gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.“

Intensive Aufklärungsmaßnahmen? Nie eine mitbekommen. Vereinzelte Verstöße? Dass das ausgerechnet viele Kunden anders empfinden, ist natürlich ungünstig. Selbst mehrere Mitarbeiter an der Telefonhotline haben mir bestätigt, dass die Verschmutzung und Vermüllung der Fahrzeuge ein Problem ist, das mitunter zunimmt. Gemessen an der Anzahl der Beschwerden.

Seltene Reinigung

Wenn die Verstöße nur einzeln vorkommen, dann kann es nur eine Antwort geben: Die Fahrzeuge werden zu selten gereinigt. Car2Go berücksichtigt nicht die Respektlosigkeit mancher ihrer Kunden - den Carsharing-Assis.

So kommt es, dass vermüllte, verrauchte und sogar mit Blut verdreckte Autos durch die Hände etlicher Mieter gehen, bevor der Putztrupp zuschlägt. Dann bekommen von einem schmutzigen Auto gleich ein dutzend Fahrer und Beifahrer das Car2Go-Ekelimage eingebläut.

Dass die Autos selten gereinigt werden, dafür gibt es einen untrüglichen Beweis: Die Autos von Car2Go sind auch von außen oft auffallend schmutzig. Und dazu kann selbst der rücksichtsloseste Fahrer im Stadtverkehr ja kaum besonders stark beitragen.

Car2Go begründet das schmuddelige äußere Erscheinungsbild mit dem fiesen Winterwetter. Aber es gibt doch gar keinen Schneematsch zurzeit. Und es spritzt gar kein nasses Streusalz…

Die wichtigsten Begriffe der neuen Mobilitätsdienste

Entweder lockt BMW mit seinem Fuhrpark weniger dieser gleichgültigen Leute in die DriveNow-Flotte, oder sie haben dieses Klientel besser im Blick und reinigen ihre Autos öfter. Denn DriveNow sieht einfach besser aus. Und riecht oft besser - wenn auch nicht immer.

Zumindest ist es kein Wunder, dass die Car2Go-Autos so daher kommen, wie sie daher kommen. Denn in der Zentrale herrscht offenbar noch kein Problembewusstsein.

Die Carsharing-Assis loszuwerden, ist eben auch nicht so leicht. Selbst die Androhung von Schadensersatz-Forderungen bei vom Mieter verschuldeten Schäden, wie in den Car2Go-AGB aufgeführt, hilft offenbar nicht. Beschwert sich ein Kunde über ein vollgeblutetes, verrauchtes Auto, und Car2Go kontaktiert den Vormieter, kann dieser immer behaupten: „Das war bei mir auch schon. Das war einer der Vormieter. Ich habe es bloß nicht gemeldet.“

Wie Car2Go denn mit Kunden umgeht, die dies bei einer Beschwerde zu ihrer Entschuldigung vorbringen, wollten wir von der Pressestelle wissen. Antwort: keine.

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