Werner knallhart

Tui fliegt Skandinavier klimaneutral, aber Deutsche nicht

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CO2-Kompensation: Abzocke oder gute Tat?

Lassen wir uns die Freude am CO2-Kompensieren nicht verderben, im Sinne von: dann halt nicht. Wem es allein auf das Treibhausgas ankommt, der darf durchaus so rechnen: Hier in die Luft gepustet, dort eingespart, macht null. Linke Tasche, rechte Tasche im besten Sinne. Im Vertrauen darauf, dass die Agenturen die Preise richtig berechnen, damit auch wirklich alles CO2 wettgemacht werden kann.

In der Tat kostet der Ausgleich einer Tonne CO2 aber unterschiedlich viel, je nachdem, bei welcher Agentur man kompensiert. ZEIT ONLINE hat vor einigen Monaten verglichen: Ein Economy-Class-Flug von Belgien nach Ruanda kostet bei MyClimate 26 Euro, bei Atmosfair 36 Euro und bei KlimaKollekte 45 Euro. Abzocke?

Frank Wolke von der Deutschen Emissionshandelsstelle des Umweltbundesamtes sagt: „Die Preise hängen von den Projekten ab, die zur Kompensation benutzt werden, und davon, wie kosteneffizient der Anbieter arbeitet.“ Mit anderen Worten: Billiger heißt nicht automatisch unvollständig kompensiert, teuer ist nicht besser fürs Klima.

Letztendlich bleibt uns nichts anderes übrig, als den gemeinnützigen Agenturen und den Urteilen wie dem der Stiftung Warentest zu vertrauen. Machen wir bei bei Bio-Eiern, Fair-Trade-Schokolade und Kindersitzen ja auch.

Es wäre so gesehen bestimmt ein Fehler, das Kompensieren grundsätzlich sein zu lassen, weil man am Kompensations-Prinzip Details kritisieren kann. Wollen wir lieber darauf hoffen, dass künftig kaum einer mehr in den Urlaub fliegt? Ich weiß echt nicht, was der Papst hat. Ähnlich sieht es wohl auch besagte KlimaKollekte, ein kirchlicher Kompensationsfonds, bei dem katholische Einrichtungen wie Caritas und die Sternsinger mitmischen.

Kompensieren wir, auch wenn das Ganze für uns Urlauber ein bisschen Aufwand bedeutet. Flugverbindung samt Flugzeugtyp und umweltunfreundlichen Zwischenlandungen eingeben, Economy oder Business (Business ist teurer, weil man mehr Platz und Gewicht an Bord verbraucht) und Geld überweisen.

Skandinavische Tui-Kunden können sich diesen Aufwand jetzt sparen. Und vor allem das Geld. Gibt man hingegen als Tui-URL nicht .se ein, sondern .de und sucht auf der deutschen Seite das Stichwort Klima ein, kommt ein Hotelvorschlag für Griechenland im kleinen Örtchen Neo Klima.

Während auf der schwedischen Startseite das Thema Klima einen großen Kasten bekommt, spielt das Thema auf der deutschen Startseite selbst in kleinen Buchstaben keine Rolle.

Es ist ja klar, warum. Klimaschutz kostet. Und Tui ist kein Klimaschutzverein. Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland kommen zusammen auf gerade mal knapp 27 Millionen Einwohner. Allein die Märkte Frankreich und Deutschland zusammen auf knapp 150 Millionen. Das würde teuer. Das muss sich unterm Strich lohnen.

Die Rechnung geht sicher so: Wieviel Umsatz geht uns flöten, wenn wir als Reiseanbieter eine plötzlich gesellschaftlich geächtete Dienstleistung anbieten? Kommt das teurer, als der mitverkaufte Klimaschutz, lohnt sich die Aktion.

Es spricht also nicht allein gegen Tui, sondern vor allem gegen uns selber, dass Tui sich den Aufwand mit dem Klimaschutz hierzulande spart.

Aber wir können das ja selber erledigen. Sich ein gutes Gewissen zu erkaufen, ist schließlich immer dann gut vertretbar, wenn es auch objektiv was bringt. Und eins ist dann wohl sicher: Der Papst fliegt nicht CO2-neutral. Diese Klimasünde kompensiert er aber sicherlich auf dem kurzen Dienstweg.

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