Werner Knallhart DB-Premium-Lounge: Bahn geht gegen Raffgier der Kunden vor

Besonders der Alkohol hat es den Gästen der Lounge angetan. Quelle: imago images

Die Party in den Premium-Lounges ist vorbei. Grenzenlos und kostenlos saufen und völlen – es war für viele reiche Sparfüchse ein Schlaraffenland. Jetzt haut die Bahn mit einer neuen Regel dazwischen. Eine Kolumne.

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In aller Bescheidenheit: Ich habe es kommen sehen. Schon im vergangenen Sommer war klar: Das neue Konzept mit den DB-Premium-Lounges war zum Scheitern verurteilt. Nicht wegen der Inkompetenz der Bahn, sondern wegen der ungezügelten Raffgier der Besucher. Und ich sage bewusst „Besucher“, denn von „Kunden“ oder gar „Fahrgästen“ konnte bislang bei Weitem nicht immer die Rede sein.

Die Idee war ja eigentlich gut: Die Lieblingskunden der Deutschen Bahn (also die Viel- oder 1.-Klasse-Reisenden) genießen die Reisepause in lauschigen Ohrensesseln. Und holen sich zur Erfrischung ein Wässerchen, einen Kaffee und einen Cookie aufs Haus.

Das Problem: Es blieb nicht bei kostenlosem Kaffee und Kuchen. Es gibt da auch heiße Panini, Linseneintopf, Tomaten- oder Kokoscurrycremesuppe, Vollkornsandwiches mit Käse und Krautsalat, Chips, ofenfrische Brezeln, Chicken-Wraps, Croissants, Birchermüsli, Eiscreme, geröstete Nüsse und Grissini zum Dippen in eine Creme aus getrockneten Tomaten oder Hummus.

Und es gibt eben auch: Alkohol. Und zwar keinen Schlechten. Bier, Sekt und ganz gute Rot- und Weißweine. Ohne Limit. Das Viertelliter-Fläschchen Wein kostet an Bord der ICE bis zu knapp 8 Euro. Im Premiumbereich hingegen gibt es sie gratis bis zum Abwinken. Oder bis einen die eigene Scham vom Weitermachen abhält.

Und das ist das Problem: Je mehr Alkohol fließt, desto höher liegt diese Schamgrenze. Ich selber hatte das Vergnügen, ein paar Mal als Begleiter eines Zugangsberechtigten den Jahrmarkt der Hemmungslosigkeiten in der Premium-Lounge am Berliner Hauptbahnhof zu beobachten. Und ich muss sagen: Ich bewundere die durchweg stoische Freundlichkeit des Bahn-Servicepersonals, dem bildlich die Haare vom Kopf gefressen werden. Gegen Abend sind die da regelrecht blank.

Denn die Bahn hat zwei Fehler gemacht:

1. Sie hat es einfach zu gut gemeint und ließ bis exakt gestern nicht nur Fahrgäste mit einem gültigen Ticket für die 1. Klasse herein, sondern auch Kunden mit dem Status-Level Platin. Um den zu erreichen, muss man zwar 6000 Statuspunkte sammeln, was man grob gesagt mit einem DB-Jahresumsatz von 6000 Euro schafft. Wer diesen Status aber erst einmal hat, konnte bislang ungebremst und ohne Ticket in die Lounge. Mit anderen Worten: sein mobiles Büro in den Bahnhof verlegen.

2. Sie hat es abermals zu gut gemeint und erlaubt, dass alle mit Zugangsberechtigung auch noch eine Begleitung mitbringen durften, die selber nichts, aber auch gar nichts mit der Bahn zu tun haben musste, außer das Bedürfnis, sich kostenlos abzufüttern und abzufüllen.

Warum hat es die Bahn so gut gemeint? Im Suff das Auto stehen zu lassen und dafür S-Bahn zu fahren, kann doch diesen ungeheuerlichen Aufwand als Kundenbindungsmaßnahme nicht rechtfertigen.

Und dieses Konzept hat zu Szenen geführt, die all die Eleganz zerdeppert haben, die sich die Erfinder der Premium-Lounge wohl erhofft hatten – zumindest wenn man nach der hochwertig wirkenden Ausstattung mit viel Holz, Stoff und Occhio-Leuchten geht.

Da konnte man beobachten, wie ein Geschäftsreisender beim Verlassen der Lounge drei handtellergroße Schoko-Cookies von der Theke griff und in seine Manteltasche schob, um dann wenige Sekunden später mit versteinerter Miene zurückzukehren, als hätte er etwas vergessen, als er sich dann noch einmal drei Cookies in die Tasche stopfte. Gäste, die so taten, als wären sie in Begleitung da, um sich dann in einem Rutsch zwei Weizenbiere und zwei belegte Brote zu genehmigen. Ein bereits mittags ordentlich angesoffenes Pärchen, das sich vor allen Leuten Augen Rotweinfläschchen nachholte, obwohl die Gläser noch halb voll waren, diese dann triumphierend feixend zusammengoss, um sie einfacher exen zu können und um die bereits geöffneten Flaschen dann „to go“ mitzunehmen.

Ich kenne Leute, die dort ganz offiziell ihre Geschäftstermine mit externen Kontakten abgehalten haben. Ohne das einer auch nur darüber nachdachte, demnächst noch eine Fahrt mit dem Fernzug zu unternehmen. Alles legitim. Aber kein Wunder, dass die Lounge regelmäßig zu Stoßzeiten wegen Überfüllung schließen musste. Wenn man heutzutage noch so freimütig umgarnt wird, sagt man „Ja“.

Was die Bahn aber offenbar besonders gewurmt hat, war, dass sie auch noch systematisch übers Ohr gehauen wurde. Denn: Der Zugang war lange auch mit einem Erste-Klasse-Ticket möglich, das man dann, wenn es ein „Flexticket Plus“ war, nach dem Besuch der Lounge einfach wieder ohne Verlust stornieren konnte.

Verantwortliche berichten von ganzen Gruppen von Studierenden, die sich mit dieser Methode in Zeiten von Inflation und Corona-Nachholbedarf eine richtig schöne kostenlose Zeit in Saus und Braus gemacht haben. Ohne einen einzigen Statuspunkt. Die waren wohl die Einzigen, die diesen Service wirklich gut für mehr Lebensqualität gebrauchen konnten.

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Ganz ehrlich: Ich wäre dem Reiz damals wohl auch verfallen, wenn uns ein Gigant wie die Deutsche Bahn aus lauter warmherziger Naivität (und offenbar gut gefüllter Marketing-Kassen) so gleichgültig durchgewinkt hätte. Den Angestellten in der Lounge ist es egal, die dürfen nur spendieren und müssen nie kassieren. Und was alle alle ist, ist eben alle alle.

Jetzt aber reicht es der Bahn. Sie dreht die Schrauben enger. Zum einen wird der 100 Prozent Studi-Rabatt abgeschafft. Künftig sollen die Tickets beim Betreten der Lounge irgendwie als „angebrochen“ markiert werden, heißt es. Eine Rückgabe ist dann nicht mehr kostenlos möglich.

Und vor allem: Ab sofort ist der Zugang allen nur noch möglich mit einem gültigen Fernverkehrsticket.

Diese kleine Änderung hat enorme Schlagkraft. Denn so kommen Platin-Kunden nicht mehr rein, wenn sie einfach nur „tagen“, aber nicht reisen wollen. Und außerdem muss die Begleitung jetzt auch Bahnkunde sein, also ein Ticket haben. Eine Fahrt zum Bahnhof allein zum kostenlosen Feiern macht dann keinen Sinn mehr.

Es gibt allerdings eine Ausnahme. Und das sind die Kunden mit einer BahnCard 100. Haben die eine für die 1. Klasse oder haben sie 6000 Statuspunkte gesammelt, dann kommen sie weiter ungebremst rein. Wollen die allerdings eine Begleitung mit hineinnehmen, muss auch die ein Fernverkehrsticket haben.

Unterm Strich haben sich die Premiumkunden so ihre eigene Tour vermasselt. Es war eben zu verlockend: Alles unbegrenzt kostenlos – sogar für unbeteiligte Freunde. Was für eine verrückte Zeit!

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Es bleibt der Bahn zu wünschen, dass die wenigstens ein paar neue Kunden an sich binden konnte, die sich gedacht haben: Wenn das Wohnen und die Verpflegung im Ticketpreis mit drin sind, lohnt sich das mit der Bahn. Die Mitarbeitenden in der Lounge dürften sich den heutigen Tag aber wie Urlaub im Kalender angestrichen haben. Die Frau am Empfangs-Counter sagte mir jüngst: „Ab März wird wieder allet jut.“

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