
Deutschlands Wirtschaftsbosse werden lockerer im Stil. Zumindest die ganz großen. Und das wird im Zweifel auf den Mittelstand abfärben. Die Frage ist nur: Ist lockerer auch schöner? Wird das Leben in der Firma jetzt besser zu ertragen sein? Die Krawatte ist doch das genormte Zeichen von Respekt. Genauso wie das Sie. Weg damit?
Ich bin hin und her gerissen. Aber ich werde mich in den nächsten Zeilen festlegen. Zunächst mal hoffe ich, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage:
- Kleidung ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.
- Wer sich im Leben so gibt, wie es seiner Persönlichkeit entspricht, ist authentisch.
- Authentische Menschen sind sympathischer als die, die einem Image hinterherlaufen.
Okay soweit? Daraus folgt der Tod des Dresscodes. Und dass wir stattdessen jedem selber überlassen sollten, wie er sich kleidet.
Genauso wie wir jedem praktisch selber überlassen, wie er sich frisiert. Es gibt keinen knallharten Haircode. Höchstens bei Polizei und Militär. Aber wir reden hier von der freien Wirtschaft. Dort kassiert man doch höchstens mit ranzig riechender Filzmähne mal einen Anschiss.
Es gibt auch keine Vorgabe für Brillen. Niemals liest man auf Einladungskarten: "Eyecode: Hipster oder Linsen".
So kleiden Sie sich richtig
Wie kleidet man sich ordentlich? Dabei geht es um mehr als die Frage, ob mit oder ohne Krawatte. Welche Aussagen lassen sich durch welche Kleidung transportieren? Das ist keineswegs Jacke wie Hose. Ein Crashkurs.
Im Englischen heißt es „it fits“, wenn etwas passt. Daher das Wort „Outfit“. Ihre Kleidung sollte in drei Kategorien passen: Dem Anlass entsprechend, dem Typ entsprechend und der individuellen Aussage entsprechend. Genau in der Schnittmenge liegt das für sie optimale Outfit.
Anzug oder Kostüm sollten Werte wie Vertrauen und Sicherheit widerspiegeln. Das gilt auch für Mitarbeiter im Back-Office. Ein Ziel ist Understatement. Die Kleidung sollte modern und nicht bieder wirken; dunkle Business-Farben wirken am besten.
Es gilt, einen Tick schicker zu sein als im klassischen Business. Hosen mit Pullover gehen maximal in der Werbebranche. Ansonsten eher kompletter Hosenanzug oder Blazer-Hose-Kombi für Damen, Anzüge und Kombinationen für Herren. Anspruchsvoll, gehobene Qualität und dunklere Farben.
Professioneller Look ist hier unabdingbar. Klassische Kostüme, Anzüge und Kombinationen in mittleren bis dunkleren Farbtönen. Farben dürfen nicht ins Auge springen, sollten aber modern sein.
In der Werbung oder bei den Medien darf es bunter und ausdrucksstark zugehen. Hier ist Nähe angesagt und schwarze Kleidung ist da sehr hinderlich.
Für besonders große Männer empfehlen sich farbliche Unterteilungen. Also zum Beispiel blaue Hose oder roter Pullover. Das unterbricht die Größe und lässt Sie weniger lang wirken. Männer mit langen Beinen tragen am besten längere Jacken und Ärmel.
Ist Ihr Körper insgesamt kurz, empfiehlt sich farblich Ton in Ton. Farbliche Unterteilungen würden die Kürze betonen. Haben Sie kurze Beine, sollten Sie von Hosenaufschlägen absehen – und auch davon, Ärmel aufzukrempeln.
Tiefsinnige und Kreative wollen sich ausdrücken. Die Erscheinung darf Außergewöhnliches bieten, also kreativer Kragen, Schmuck, extravagante Brille oder bunte Farben. Bodenständige Typen verwenden besser natürliche Materialien und Erdtöne. Dramatiker und Extrovertierte mögen vielleicht asymmetrisch geschnittene Kleidung – sie sollten dann aber darauf achten, dass sie niemals billig wirkt. Zu sportlichen Typen passen Blau und Grün.
Sollten Sie eine schlanke Frau sein und Kleidergröße 32 bis 34 tragen, sehen Röhrenjeans super aus. Ab Kleidergröße 40 sehen Sie mit ihnen dicker aus. Es liegt also stets an der Form ihres Körpers.
Sind Schulter, Taille und Hüfte gleich breit, empfiehlt sich eine gerade Hose oder ein gerader Rock.
Die Schulter ist schmaler als die Hüfte. Hier sollten Sie Hosen und Rücke in der sogenannten A-Linie mit kurzen Oberteilen kombinieren.
Die Schulter ist breiter als die Hüfte: Hier empfehlen sich Caprihosen, Röhrenhosen und enge Röcke. Die schmalen Hosen lassen sich gut in Stiefel stecken.
Die Figur ist wie eine 8 geformt. Sie ist eine sehr weibliche Figurform. Die Röcke sind konisch geschnitten, sie werden zum Knie hin schmaler. Passende Hosen sind Hosen in Bootcut-Schnitten.
Lässt man den Dresscode fallen, sind allerdings einige aufgeschmissen. Das fällt in Firmen mit Casual Friday auf. Das muss man vorm Wochenende mitunter sehr ekelfest sein.
Na und? So lernt man seine Kollegen immerhin von ihrer echten Seite kennen. Ich bin für das Recht auf die eigene Blamage.
Seltsamerweise fühlen sich aber viele unwohl in ihrer eigenen Haut, wenn andere nicht so gekleidet sind, wie man selbst. Ich habe das mal auf dem Bundespresseball erlebt. Dort flanieren die Herren allesamt im Smoking. Aber ein Kollege kam im gewöhnlichen Anzug mit Krawatte. Vielleicht wusste er es nicht besser, vielleicht aber verachtete er auch die Gleichmacherei unter uns Pinguinen mit Fliege. Eins aber war sicher: Er fiel auf.
Die Reaktion einiger Pinguine: "Das muss aber auch nicht sein. Es ist ein feierlicher Anlass hier. Den muss man nicht konterkarieren. Es wird niemand gezwungen, dabei zu sein."





Andererseits: An Karneval kommt man in Köln auch ohne Verkleidung in die Kneipe. Man macht sich wie auf dem Presseball dann eben zum Außenseiter. Aber das stört an Karneval weder Pinguin noch Clown.
Was störte die Runde also auf dem Presseball? Ich glaube, es war die frustrierende Erkenntnis, selber nicht mutig genug gewesen zu sein, sich das Geld für Smoking, Lackschuhe und Bauchbinde zu sparen.
Wir rufen nach Individualität in allen Lebenslagen: Lass dir nicht von deinen Eltern einimpfen, was du studierst. Lass dir nicht von deinem Partner reinquatschen, welchen Job du annimmst. Fang bloß nicht an zu rauchen, nur weil deine willensschwachen Freundinnen es tun. Setze bei deiner Powerpoint-Präsi eigene überraschende Akzente. Aber beim Kleidungsstil mach das, was alle von dir erwarten. Hä?