Die Bahn gibt sich ja Mühe. Nach der nicht enden wollenden Reihe von Lokführerstreiks zum Vergnügen des Gewerkschaftsbosses Weselsky und zum Frust aller Vielfahrer hat die Bahn Entschuldigungsbriefe an die Stammkunden verschickt. Bahncard-100-Kunden lasen: "Ungewissheit statt zuverlässiges Angebot und eingeschränkte Verbindungen statt Mobilität bestimmten aufgrund des Streiks ihre Reisepläne. Ihre Geduld wurde dabei immer wieder auf die Probe gestellt und vermutlich haben Sie sich manchmal im Stich gelassen gefühlt."
Als "Trostpflaster" lagen mehrere Upgrade-Gutscheine bei, mit denen man kostenlos von der 2. in die 1. Klasse wechseln kann. Eine nette Geste. Und für die Bahn billiger, als anteilig Kosten für die BahnCard zu erstatten. Mehrere Wochen Stillstand machen bei einer Jahreskarte für über 4000 Euro einiges aus. Kriegt man da eigentlich trotzdem was zurück? Denn grundsätzlich sieht es die Bahn als Staatsmonopolist ja nicht so pingelig mit eingeschränktem Service.
Beispiel: Die Deutsche Bahn versucht gerade, in ihren Zügen Internet anzubieten. WLAN gibt es nur für den, der ein mehrphasiges Glücksraster durchlaufen hat.
Glücks-Phase 1:
Nur, wenn auf dem Zug Hotspot steht, gibt es überhaupt eine Chance, dass es im Zug WLAN geben könnte.
Glücks-Phase 2:
Das WLAN an Bord ist eingeschaltet und lässt sich anwählen. Denn oftmals ist das Netz derartig überlastet, dass ein Einloggen über Stunden fehlschlägt. Manchmal hat sich angeblich aber auch nur der Router aufgehängt. Dann wird er entweder (auf Hinweis von Fahrgästen) vom Personal neu gestartet. Danach geht es meistens auch nicht. Oder: Der Schaffner antwortet gleich: "Ich kann's nicht ändern." Der DB-Twitter-Service riet mir jüngst: "@telekom_hilft anschreiben" Stellen Sie sich bitte mal vor, Sie stellen im Hotel fest, dass die Bettwäsche in Ihrem Zimmer verschmutzt ist und an der Rezeption sagt man Ihnen: "Blütenweiße Reinheit ist Persil-Sache. Rufen Sie bitte bei Henkel an." Aber ein Monopolist darf das.
Harter Wettbewerb: Deutsche Bahn verzichtet auf Preiserhöhung
Glücks-Phase 3:
Der Zug fährt durch ein Mobilfunknetz. Denn über dem platten Land wie zwischen Hannover und Berlin im ostdeutschen Nichts kommen erst gar keine Daten an, die der WLAN-Router im Zug versenden könnte. Das ist Deutschland 2015.Trotzdem wirbt die Bahn mit kostenlosem WLAN in der 1. Klasse. Dabei ist der mitgezahlte Service nur in gefühlt jeder zweiten Fahrt nutzbar und schon gar nicht während der gesamten Fahrt.
DB nicht verpflichtet, WLAN anzubieten
Neulich fragte ich eine Schaffnerin eines ICE, in dem der Hotspot mal wieder komplett streikte: "Wie ist das eigentlich? Wie viel bekommt man vom Fahrpreis zurückerstattet, wenn man die Vorteile einer Fahrt in der 1. Klasse nicht nutzen kann?"
Antwort: "Gar nichts. Wir sind ja nicht verpflichtet, WLAN anzubieten." Wieder so eine Monopolisten-Attitüde: Warum sollte man auf den beworbenen Service bestehen können, nur weil man den extra bezahlt hat? Wie in einem Kino, in dem es heißt: "Wer ein Ticket für einen Logenplatz kauft, bekommt einen Willkommens-Sekt." Und am Eingang zur Loge bekommt man gesagt: "Nee, heute kein Sekt. Sorry. Da ist der Aufpreis leider futsch."
Ich habe mir in der 2. Klasse mal einen WLAN-24-Stunden-Zugang für knapp 5 Euro gekauft und kurz darauf war das WLAN weg. Die Schaffnerin: "Dann ist Ihr Geld leider futsch."
Die Bahn hat sich ein raffiniertes System von unverbindlichen Extras einfallen lassen, auf die man sich als Kunde aber nicht berufen kann. Man zahlt nur für die Beförderung, nicht für den Komfort. Wenn das Bordrestaurant wider Erwarten geschlossen hat und man stundenlang nichts zu essen bekommt, zahlt man trotzdem voll. Wenn der Zug eiskalt runter gekühlt ist, zahlt man voll. Wenn die Reservierungsanzeigen am Anfang mal wieder nicht funktionieren, und man sich auf gut Glück auf einen Platz setzt, der dann doch reserviert ist und man dann stehen muss, weil die nicht reservierten Plätze mittlerweile schon besetzt sind: Man zahlt trotz all der Fehler der Bahn voll.
Beim Zugfahren geht es ja offenbar nicht ums Wohlfühlen, sondern ums Ankommen. Die Werbung suggeriert zwar etwas anders (Fahrzeit als Qualitytime) aber wir wissen ja:
Die wichtigsten Baustellen der Bahn 2015
Von Mitte Januar bis Anfang Mai wird auf der Nord-Süd-Verbindung der Oberbau, die Leit- und Sicherungstechnik und der Tunnel unter die Lupe genommen. In dieser Zeit ist die Strecke zwischen Gesundbrunnen und Yorkstraße gesperrt. Von Ende August bis Ende November wird außerdem eine Brückenkonstruktion am erst 2006 eröffneten Berliner Hauptbahnhof saniert. Fernzüge halten dann im unteren Teil des Kreuzungsbahnhofs.
Mitte Mai sollen auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwölf Weichen erneuert werden. Während der Bauzeit wird die Strecke gesperrt. Der Fernverkehr wird von Hannover über die alte Strecke nach Göttingen umgeleitet. Das dauert 30 Minuten länger.
Von Mitte April bis Mitte Mai werden auf der ICE-Strecke 44 Kilometer Schienenstrang ausgewechselt. Dazu wird die Strecke durch den Westerwald an vier Wochenenden gesperrt. Die Züge werden dann am Rhein entlang fahren. Die Fahrzeit verlängert sich um 60 Minuten.
Die Strecke bekommt von Ende Juni bis Mitte August auf 22 Kilometern neue Gleise. Fernzüge fahren einen Umweg über Venlo und brauchen dafür 45 Minuten länger. Auf der Route Köln-Siegen werden im gleichen Zeitraum 35 Kilometer Gleise renoviert. Davon sind in der Bauzeit 77 Nahverkehrszüge betroffen, die durch Busse ersetzt werden.
Von Mitte September bis Ende Oktober werden auf der Schnelltrasse Gleise und Weichen ausgetauscht. Dafür wird die Strecke zwischen Kraichtal und Stuttgart-Zuffenhausen zeitweise gesperrt. Die Umleitung über die alte Strecke kostet 40 Minuten Fahrzeit.
Von Anfang März bis April wird ein zehn Kilometer langer Streckenabschnitt saniert. Zeitweise ist eine Sperrung nötig. Die Fernzüge der Linie Nürnberg-Karlsruhe werden über Treuchtlingen umgeleitet. Das dauert 40 Minuten länger als sonst.
Auf dieser Route wird voraussichtlich noch bis August 2015 die Schienentechnik erneuert, damit Züge künftig dort mit Tempo 200 fahren können. Dabei muss ein alter Damm saniert, Gleise erneuert und neue Signalkabel verlegt werden. Ein Teil der Fernzüge muss über Augsburg umgeleitet werden. Das führt zu einer 30 Minuten längeren Fahrzeit.
Diese Werbeversprechen zählen an Bord nicht. Wenn man aber für Komfort sogar extra bezahlt, nämlich in der 1. Klasse, dann muss es doch wirklich, wirklich Geld zurück geben, wenn der Extrakomfort entfällt: breitere Sitze, kostenlose Zeitungen, gastronomischer Service am Platz, kleine kostenlose Süßigkeit, WLAN. Von all dem ist einem nur der breitere Sitz sicher.
Im Flugzeug unvorstellbar: Entfiele in der Businessclass-Fernstrecke das Essen oder gebe es keine Zeitungen oder kein individuelles Unterhaltungsprogramm, was meinen Sie, was da los wäre.
Bei der Bahn kostet die Fahrt Köln-Berlin-Köln in der 1. Klasse (Normalpreis) 156 Euro mehr als in der 2. Klasse. 156 Euro! Und das einzige, auf das man sich offenbar berufen kann, ist ein breiterer Sitz. Und das lassen wir uns gefallen? Bei der Bahn müssen offenbar erst die Klimaanlagen den Zug auf 50 Grad aufheizen und die ersten Fahrgäste dehydrieren, bevor die Bahn einräumt, dass der Komfort unter dem Zumutbaren lag.
Deshalb wirkt die Bahn manchmal einfach so dödelig. Und nicht nur deshalb. Das ist so schade. Denn das Produkt ist ja eigentlich richtig gut.
Fortsetzung folgt.