Werner knallhart
Quelle: imago images

Die Schlüsselkarte: Die dämlichste Erfindung, seit es Hotels gibt

Wie sich die ganze Welt damit abgefunden hat, dass wir dank Keycards immer wieder vor verschlossenen Türen stehen, noch mal runter müssen oder in Abwesenheit ausgeplündert werden. Und an der Rezeption: Schulterzucken.

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Wenn wir bedenken, dass viele Reisende ihre Fluggesellschaft danach aussuchen, ob es über den Wolken einen kostenlosen Keks gibt, ist es schon erstaunlich, dass die Menschheit sich mit dem Keycard-System in Hotels abfindet.

Ich komme drauf, weil ich gerade noch vergangene Woche vollbepackt mit Koffer, Tasche und Frühlingssalat „to go“ in Aachen vor der Hotelzimmertür stand und einfach nur eins wollte: rein.

Aber das war mal wieder zu viel verlangt. Und trotz allem zweifelt man ja erstmal an sich selber. Erst kommt die Karte so rein, wie vorgesehen. Mit dem Pfeil vorne unten von oben in den Schlitz: rot.
Mit dem Pfeil vorne unten von oben ganz laaaangsam in den Schlitz: rot.
Dann mit dem Pfeil nach unten und nach hinten: rot.
Pfeil sonst wo hin, Magnetstreifen gerieben (hat die Karte überhaupt einen oder ist es diesmal ein Funkchip?): rot, rot, rot.
Kommt die Karte gar nicht in den Schlitz, sondern wird davor gehalten? Rot.
Klemmt die Tür? Nein!
Welches Gepäck kann für eine Weile unbeaufsichtigt vor der Tür stehen? Der Frühlingssalat.
Und wieder nach unten an die Rezeption. Das ist der unkomfortable Teil. Weil die Karten ständig vergessen, welches Zimmer sie öffnen sollen.

In manchen Hotels heißt es dann: „Ja, Sie dürfen die Karte ja auch nicht zusammen mit anderen Karten im Portemonnaie transportieren, sonst beeinflussen die sich gegenseitig.“
Seitdem ziehe ich die Karte immer im Bollerwagen hinter mir her. Nein, das stimmt nicht. Ich habe sie weiter im Portemonnaie und denke mir: Wir sind evolutionär doch schon so weit.

Aber nein. Bei meinem letzten Spanienurlaub war unser Zimmer sehr weit weg vom Desk. Nachdem am Tag 3 bereits jeder von uns Dreien seine Karte zweimal umgetauscht hatte und wir hatten anklingen lassen, dass das aber wenig zur Erholung beitrüge, bekamen wir alle direkt zwei Karten zur Reserve ausgehändigt, hatten also nun insgesamt neun Keycards. Weil die Funktionierenden von den nach und nach verschleißenden Karten aber optisch nicht zu unterscheiden waren, sahen wir keinen anderen Ausweg, als einen von uns zu bestimmen, der exklusiv immer die nutzlos gewordenen in seiner Hosentasche trug, bis am Ende alle Karten wieder kaputt waren.

Und in Freiburg wurde dank der Keycard der Flur vor unserem Zimmer zu einem regelrechten Panic Room. Die Abfahrt unseres Linienersatzverkehrsbus (auch das noch) war auf irgendwas mit 12 Uhr terminiert, unsere beiden Keycards mit einem Mal beide gesperrt, das Gepäck im Zimmer. „Das ist normal“, lächelte die Rezeptionistin auf meine zugegeben unglücklich direkt formulierte Kritik, wegen der Schrotttechnik stünde unsere ganze Abreise auf dem Spiel. Aber ich hatte psychisch relevante Gründe: Für die neuen Karten mussten wir uns in die Schlange mit den Auscheckenden einreihen.

In Aachen sagte ich zum Rezeptionisten: „Vor Jahrzehnten wurden diese Keycards eingeführt, funktionieren seitdem nicht und alle finden sich damit ab.“
Da lachte er und sagte: „Stimmt“, und tat dann das, was mich zum zweiten kritischen Aspekt führt. Er fragte nach meiner Zimmernummer und schaltete dieses Zimmer damit für mich frei. Ich hatte den Mann aber nie zuvor gesehen, ich hätte ja sonst wer sein können. So konnte ich sein in mich gelegtes Urvertrauen als Kompliment nicht so recht auskosten. Statt dessen dachte ich: „Typisch!“

Da braucht es keinen Chaos-Computerclub oder irgendwelche für die Bundeswehr hackenden Teenager, um zu belegen: Primitiver kann eine Sicherheitslücke nicht sein. Man sagt einfach, in welches Zimmer man möchte und es wird einem geöffnet.
Das funktioniert in fast jedem Hotel. Der Grund: Die Scham der Angestellten wegen des seit jeher miserabel funktionierenden Keycard-Systems. Man kann doch nicht jedes Mal, wenn die Technik spinnt, den Eincheck-Prozess mit Personalausweis wiederholen (was ja sinnvoll wäre).

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Dazu kommt noch all das, was Computerclubs und Hacker-Buden tatsächlich ans Tageslicht bringen. Hotelzimmertüren, die mit einer Schlüsselkarte statt mit einem normalen Schlüssel geöffnet werden, lassen sich oftmals mit nur geringem Aufwand knacken, nämlich mit einem kleinen Lesegerät, das etwa an der Unterseite des Türschlosses befestigt wird. Liegt die Karte unbeobachtet auf dem Tisch, während Sie am Dinner-Büffet noch ein paar Scheiben Vitello tonnato nachlegen, geht es noch einfacher, eine Kopie anzufertigen. Berührungslos.

Brechen dann Diebe in Ihr Hotelzimmer ein, hinterlassen sie keine Einbruchspuren. Sie hatten ja einen (illegalen) Schlüssel. Erklären Sie das mal Ihrer Versicherung.
Deshalb ist es mindestens originell, wenn einige Hotels für die Nutzung des Safes noch Extragebühren auf die Rechnung knallen. Der Tresor kompensiert schließlich nur die Sicherheitsmängel der Tür.

Warum aber drangsalieren uns die Hoteliers dann seit so vielen Jahren mit diesem unzuverlässigen, unsicheren System? Antwort: Sie haben einmal aufs falsche Pferd gesetzt und müssten nun für sehr viel Geld umrüsten. Etwa auf Schließsysteme per Smartphone-Steuerung. Die gibt es doch schon längst. Und die haben noch einen weiteren Vorteil. Der Schlüssel wurde nicht schon von hunderten Anderen angefasst, die vorher die Finger sonst wo hatten. Es ist das eigene Phone.

  1. Die Zimmer werden per Smartphone gebucht.
  2. Der Check-in funktioniert im Zweifel ohne Anstehen an der Rezeption, weil keine Schlüssel übergeben werden müssen.
  3. Der Schlüssel geht nur kaputt, wenn das Smartphone ins Meer fällt oder so.

Die dafür erforderliche App ist hinter der Sicherheitsschranke des Telefons verborgen und lässt sich nur öffnen, wenn vorher etwa per Face-ID der Riegel rausgezogen wurde.

Wenn Sie sich mal durchlesen, was alles an Serviceleistungen in den Online-Hotelbeschreibungen aufgeführt wird: Da wird sogar abgefeiert, wenn das Toilettenpapier gestellt wird und warmes Wasser im Preis mit drin ist.

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