Werner knallhart

Schon das Gedrängel am BER macht urlaubsreif

Seite 2/2

Ein Grund, nicht zu fliegen

Zurück in der Schlange waren offenbar Absperrgurte surrend geöffnet und wieder andere surrend verschlossen worden. Irgendwie standen jetzt alle anders. Der Mittfünfziger im Tanktop mit den lockigen Schultern da drei Kofferhaufen vor uns – hatte der nicht eben noch schräg gegenüber in einer uns im spitzen Winkel entgegenkommenden Schlange gewartet? Mir schwirrte der Kopf. Als wir später an den Schalter kamen, hieß es: Bitte hinter Ihnen die Etiketten für die Koffer selber ausdrucken. Diese Information früher wäre der Knaller gewesen. Also drängelten wir uns in der Schlange wieder zurück Richtung Drucker-Waagen, druckten drei Etiketten aus (obwohl wir nur zwei Gepäckstücke gebucht hatten – fragen Sie mich nicht) und drängelten uns dann wieder vor gegen den Strom von Leuten, die sich nach hinten quetschten, um sich Etiketten auszudrucken.

Irgendwann waren die Koffer eingecheckt. Ich habe kaum Erinnerungen. Danach die Sicherheitskontrollen. Hier wäre die wabernde Menschenmasse nur noch aus Drohnenperspektive als eine durch Absperrgurte und Stangen im Zickzack geführte Schlange zu erkennen gewesen. De facto waren wir ein großes Knäuel Reisevieh erstarrt wartend mit Achselnässe. Es war regelrecht erfrischend, im Nacktscanner kurz die Arme heben zu dürfen.

Dann trafen wir drei uns in der Shopping-Area wieder. Durchschnaufen. Da ist mehr Platz. Da stehen sogar zwei BMW als Werbung. Aber glauben Sie, dass dort jemand von uns die Lust gehabt hatte, gemütlich zu shoppen? Falls ja: nein. Weil: Zu unserem Flug stand da schon „Last Call“. Also eilten wir mit Olympia-Geher-Hüftschwüngen zum Gate. Wobei sich der Weg eher anfühlte wie durch das Starterfeld bei einem Marathon hindurch. Dass unser Gate ganz hinten lag, war einfach Pech. Dass der Getränkeflaschenautomat dort aber abgeschaltet war, war die alleinige Schuld des BER. Die alleinige Schuld! Und wir hatten nach dem langen Airport-Abenteuer echt Durst.

An Bord des Flugzeugs kauften wir uns Wasser, noch bevor wir saßen. Jetzt fühlten wir es in jedem Winkel unseres Körpers: Der BER hatte unsere Seelen weichgeklopft. Bringt mich nach Kreta, gebt mir Retsina, gebt mir irgendwas. Aber vor allem: Fliegt mich hier endlich weg!

Auf der Rückreise wartete auf uns als letzte Etappe unseres Urlaubs der Volkslauf durch die in unserem Weg wartenden neuen Fluggäste und durch Flure des BER zum Gepäckband. Das Gerenne über Treppen hoch und runter tat gut nach der langen Sitzerei (und bei vielen auch die längere Steherei mit eingezogenem Kopf unter den drei Belüftungsdüsen nach Landung, denn die Fahrgasttreppe am BER wollte erst nicht kommen, was ein Luxusproblem war, beschweren sich andere Passagiere doch, am BER gäbe es nicht genügend Shuttlebusse). Eine ältere Dame beklagte sich dann in einem langen Flur auf Englisch bei ihrer Freundin über die dort offensichtlich schon seit geraumer Zeit abgesperrte Rolltreppe mit hell überschlagener Stimme: „And look, this is a brandnew airport!“ Es stimmt wirklich. Das sind die Gesprächsthemen da. Immerhin konnten wir uns alle außergewöhnlich lange am Gepäckband ausruhen (Sowas liegt gegenwärtig laut Flughafenbetreiber an Krankmeldungen beim Bodenverkehrsdienstleister. Da lag „die Personaldecke unter den Planungen“.)

Der BER war jahrelang richtig gemütlich – ohne Passagiere. Aber wegen seiner Enge und des Trubels vor allem im Hauptterminal ist er eine Zumutung. Und bloß nicht an Corona denken!

Dabei stehen zwei funktionsbereite Terminals leer. Der vorerst stillgelegte Flughafen Schönefeld nebenan und das BER-Terminal 2. Aber das alles zu öffnen, kostet viel Geld. Und der BER hat ja keins mehr. Ein Dilemma, ja. Aber eins, das uns zahlende Fluggäste eigentlich null angehen sollte. Wie gesagt: Wegen des ganzen Murkses haben etliche Leute ihre Flüge verpasst!

Der BER ist so gesehen im wahrsten Sinne ein Grund, nicht zu fliegen. Positiv betrachtet: weniger CO2. Und die Wartezeit auf unseren Flughäfen soll ja im Zweifel erstmal noch größer werden. Bis zu acht Stunden wegen des Corona-Verwaltungsaufwands, befürchtet jetzt der Welt-Airline-Verband IATA. Seit dieser Woche bittet die Lufthansa die Kunden, vier Stunden vor der offiziellen Abflugzeit am BER anzudackeln. Die wären im ruhigen Büro bequemer abgesessen.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Ganz früher haben sich die Leute für eine Flugreise schick gemacht. Dann kam die Billigflieger-Funktionsjacken-Zeit. Am BER empfiehlt sich Wechselunterwäsche. Für den Tag vorm Einsteigen.

Den Autor erreichen Sie auch über LinkedIn.

Mehr zum Thema: Der Flughafen BER versinkt im Chaos, nun droht ihm auch noch die Zahlungsunfähigkeit. Ohne Staatshilfe ist der Airport kaum überlebensfähig – doch eine Finanzspritze wäre schwer mit geltendem Recht vereinbar. Flughafen BER: Absturz mit Ansage

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%