Werner knallhart
A signage of the Premier Inn Hotel is seen outside the Durham North branch in County Durham, Britain September 22, 2020. REUTERS/Lee Smith/File Photo/File Photo/File Photo Quelle: REUTERS

Eine Nacht im „Premier Inn“: Plötzlich wirkt Motel One teuer

Gleiche Lage, gleiche Zeit, doch eine Nacht im Premier Inn kostet 62 Euro, im Motel One 79 Euro. Unser Kolumnist hat bei seinem Test für die gesparten 17 Euro mit Abstrichen gerechnet. Hier sein detailreicher Vergleich.

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Wir kennen das ja aus der Fliegerei: Letztendlich kommt es nur darauf an, heil und einigermaßen ausgeruht am Ziel anzukommen. Die Fluggesellschaften unterscheiden sich zumindest innereuropäisch im Wesentlichen nur noch an der Lackierung der Flugzeuge und darin, ob man im Waschraum den Stopfen hochdrücken muss, damit nach dem Händewaschen das Schmutzwasser abläuft, oder nicht.

So hat vor Jahren auch Motel One erkannt: Es kommt den meisten Geschäftsreisenden bei einer Hotelübernachtung vor allem auf ein bequemes Bett, schalldichte Fenster, WLAN, eine heiße Dusche und ein individuelles Frühstück an.

Weder braucht man eine Freifläche im Zimmer, um eben schnell Tango tanzen zu können, noch einen großen Kleiderschrank (weil bei einer Nacht eh kaum jemand den Koffer auspackt, um sein frisches Paar Socken in die dritte Ablage von unten zu platzieren), noch einen kompliziert zu bewirtschaftenden, energiefressenden Kühlschrank gefüllt mit Getränken (von denen man selber meist nur eine Sorte mag), solange es eine ungleich größere Auswahl an der Theke im Erdgeschoss gibt und bei der beim Auschecken das zeitraubende Procedere zur Frage wegfällt: „Hatten Sie was aus der Minibar?“

Und dass guter Einrichtungsgeschmack nicht teurer sein muss als schlechter, beweist den Deutschen seit Jahrzehnten Ikea. Weniger ist mehr, wenn es dank des Designs nach mehr aussieht. Dieses Konzept lässt sich leicht kopieren. Man muss ja nur Dinge weglassen und die wenigen übrig gebliebenen gut aussuchen.

Nun schickt sich die Hotelkette Premier Inn aus Großbritannien an, Motel One in Deutschland den Rang abzulaufen. Bislang spricht kaum jemand drüber. Aber Premier Inn hat hierzulande seit Markstart in Deutschland 2016 bereits vierzig Häuser eröffnet (davon allein 34 während der Pandemie), unser vermeintlicher Platzhirsch Motel One aus München seit Start im Heimatmarkt im Jahr 2000 nur 58. Europaweit kommt Motel One auf 83, Premier Inn auf sagenhafte 890.

Die Premier-Inn-Idee der Neuzeit ist kurz gesagt die: Wir machen das jetzt wie Motel One, aber zu billigeren Preisen. Die Frage ist: Wo bekommen die Gäste die Abstriche zu spüren?

Bei einer spontanen Übernachtung in Köln (letzten ICE nach Berlin verpasst) habe ich deshalb, statt meine Motel-One-App zu zücken, zum ersten Mal ein Zimmer bei Premier Inn gebucht.

Der Weg zum Hotel: Keine Augenweide, aber insektenfreundlich. Quelle: Marcus Werner

Praktischerweise liegt deren Haus Koeln City Sued (ein orthografischer Gruß von der Insel) weniger als fünf flotte Fußminuten vom Motel One Köln-Waidmarkt entfernt. Die Lage (in beiden Fällen regelrecht umringt von mehrspurigen Schnellstraßen) ist also praktisch identisch.

Schon bei der Buchung fällt auf: Das ins Bläuliche stechende Grün gefällt nicht nur den Leuten von Motel One, die auf Türkis als Leitfarbe setzen, sondern auch den Designern der App von Premier Inn. Dabei ist die markenprägende Farbe der Briten eigentlich Purpur.

Das sieht man sofort beim Betreten des Hauses und das ist gut, denn sonst würden die Gäste sich reihenweise an die Stirn klatschen: „Jetzt bin ich doch tatsächlich bei Motel One rein.“

Wie Motel One glänzt Premier Inn neben der Rezeption mit einer eleganten, einen Touch zum Kitschigen neigenden Lounge mit der eingeübten kunstkristallen-plüschigen Design-Mischung aus Starbucks, Vapiano und Edel-Shisha-Bar. Doch während Motel One sich einen Hauch Individualismus gönnt, indem in den Lounges Anleihen an die Eigenheiten des jeweiligen Standortes zu finden sind (Bilder vom Domfester in Köln am Mediapark, im Haus am Michel in Hamburg heißt die Bar „Starclub“), hat Premier Inn darauf augenscheinlich keine Lust. Wäre auch billiger.



Während es bei Motel One in aller Regel (oder zumindest häufig) eine große Flasche Wasser zur Begrüßung gibt, bekomme ich bei Premier Inn nicht einmal einen der im Corona-Spuckschutz-Fenster der Rezeption direkt vor meiner Nase liegenden Gutscheinen für einen Drink. Die Bar ist um 21 Uhr 30 (Mittwoch) völlig ausgestorben. Der Barkeeper starrt Löcher in die Luft. Das kenne ich von Motel One ganz anders. Gebt halt die Gutscheine raus.

Dann das Premier-Inn-Zimmer. Ich darf wählen, ob ich eines der oberen oder unteren Stockwerke beziehen möchte. Ich wähle oben. Als ich das Zimmer betrete, gleißt mir ein wunderbar sommerlicher Sonnenuntergang durchs Fenster ins Auge. Ich habe eine Aussicht über den gesamten Westen Kölns. Doch das Zimmer interessiert mich jetzt mehr. Dass ich nicht bei Motel One bin, muss ich mir noch einmal vergegenwärtigen.

Erst jetzt fallen mir die Unterschiede auf: Das Premier-Inn-Zimmer ist etwas größer als das Standard-Zimmer in den Motel Ones. Es gibt einen Kleiderschrank mit Bügelbrett wie in Häusern alter Schule (statt eine hinter dem Kopfteil des Bettes eingelassene Kleiderstange mit Bügeln, wie bei Motel One üblich). Wie gesagt: Meinen Koffer packe ich nicht aus. Die Motel-One-Ausstattung hätte mir für mein Sakko gereicht. Aber bitte.

Und: Es gibt einen Safe, was bei Motel One zumindest nicht einheitlicher Standard ist. Der Fernseher zeigt anders als beim Konkurrenten keine Düdeldü-Unterwasserwelt, sondern ist ausgeschaltet, was Strom spart, leiser ist und ich vernünftig finde. Flachbildschirm-Ambiente haut heute eh niemanden mehr vom Hocker. Beim Einschalten des Gerätes erscheint sofort das Fernsehprogramm: das Erste. Ein lästiges Geklicke durch das Media-Menü des Hauses bleibt mir erspart.

Auf dem Sideboard unter dem Fernseher entdecke ich einen Wasserkocher, Teebeutel und Instantkaffee-Pulver. „Hui!“, sage ich zu mir selber (zu mehr bin ich um diese Uhrzeit nach getaner Arbeit kaum mehr in der Lage), will Premier Inn gerade gedanklich einen kleinen Pluspunkt erteilen (denn Tee kommt mir gerade recht), da sehe ich, wie der Wasserkocher von innen aussieht. Staubig und mit irgendetwas schwarzem Krümeligen verunreinigt, was sich allerdings nicht einfach ausspülen lässt.

Hier wird deutlich: mehr Service als bei Motel One. Quelle: Marcus Werner

Also bleibe ich (auch mangels Begrüßungsdrink) beim stillen, kühlen Leitungswasser. Wasserkocher sind ein elementares Ekelrisiko, wenn sie nicht ordentlich (und das heißt: aufwendig) gepflegt werden. Es gibt aus Budget-Hoteliers-Sicht also gute Gründe, die Kessel einfach wegzulassen.

Wie im Motel One auch fällt die Badezimmertür immer von alleine zu. Das nervt, weil ich gerne die Tagesthemen und das Morgenmagazin hören möchte, während ich mir die Zähne putze. Die kleinen Freuden des einsamen Geschäftsreisenden. Wo ich im Motel One meist einen Kleiderbügel unter die Tür klemme, behelfe ich mir hier im Premier Inn mit dem kleinen stoffbezogenen Hocker, der passgenau unter der Kofferablage kauert.

Auf dem Badezimmerspiegel klebt ein Sticker, den wohl schon viele vor mir blöd gefunden haben, denn offensichtlich hat jemand versucht, ihn abzureißen. Darauf steht: „Vorsicht! Heißes Wasser“. Sind die Briten genauso drauf wie die Amerikaner, denen man auf den Kaffee schreiben muss, dass der heiß ist? Ich teste die Temperatur: milder als das Wasser aus der Leitung bei mir daheim. Ich werde dennoch im Gästebad auf einen solchen Aufkleber verzichten.

Das Bett ist bequem. In einem Brief wird mir angeboten, in warmen Nächten auf eine dünne, kühle Baumwolldecke umzusteigen. Die müsste ich mir dann allerdings unten abholen. Ach, nett gemeint, aber ich beschränke mich darauf, die Decke mit Verve aus dem Bezug zu schütteln. Die ist mit etwas gefüllt, das elektrostatisch knistert, während ich an ihr zerre. Beim Gedanken daran, darunter schlafen zu müssen, wird mir fast der Rücken nass. Geht es nur mir so? Die ewige Schwachstelle in Hotelzimmern sind für mich: zu dicke Decken, gefüllt mit Kunststoff (bei Motel One etwa mit silikonisierten Hohlfaserbällchen - also Plastik). Zum Glück wird der Bezug in dieser warmen Sommernacht alleine reichen.

Das Bett ist wie bei Motel One mit einer festen, bequemen Matratze ausgestattet. Ich schlafe bei offenem Fenster und mit Oropax wie ein Baby (allerdings schlafe ich durch, schreie nicht das halbe Haus zusammen und benötigte auch kein Fläschchen zur Unzeit).

Am nächsten Morgen werde ich erst richtig wach, als ich die Dusche einstelle und der breite Wasserstrahl direkt über die Duschwanne hinaus auf die weiße Matte vor dem Waschbecken pladdert. Und am Ende sind es wieder die dämlichen Gäste schuld!

Dafür eindeutig besser als Motel One: Der fest an der Wand sitzende Duschgelspender. Bei Motel One hat man im Management nämlich im entscheidenden Moment eine Sekunde nicht nachgedacht und jetzt steht die Flasche mit der Seife wackelig auf einer silbrigen Plastikablage, die wiederum an der Duschstange sitzt. Und jedes Mal, wenn man den Pumpspender drückt, muss man befürchten, damit die gesamte Ablage abzubrechen und in den Abgrund zu reißen. Auf die eigenen nackten, nassen Zehen. Es geht mit einem guten Gefühl von Sicherheit bei Motel One nur mit zwei Händen. Zu viel Gefummel dort, wo es hygienisch sein soll.

Bei Premier Inn hingegen pumpt es sich nach Herzenslust. Wenn Sie vorher den Duschkopf so justiert haben, dass er das Bad nicht flutet. Aber schön heiß ist das Wasser. Der Aufkleber (der auch neben der Dusche klebt) verspricht nicht zu viel.
Mit geföntem Haar möchte ich einen Blick auf das Frühstück werfen, das bei Premier Inn 12 Euro 50 kostet. Hier hängt die Latte hoch, denn Motel One setzt für die 13 Euro 50 nicht nur massiv auf Bio und Fairtrade, sondern auch auf regionale Spezialitäten.

In der Schweiz gibt es laut Motel-One-Website Bircher Müsli und Bündner Trockenfleisch, in den Niederlanden Schokostreusel, in Tschechien Prager Schinken, in Spanien Tortilla. (In Frankreich sind die Croissants dann hoffentlich Weltspitze, das ist in Deutschland ja immer so eine Sache von margariniger Knatschigkeit.)

Im Premier Inn ruft man mir erst einmal aufgeregt durch die Corona-Spuckschutzwand hinterher, als ich einen Blick auf das Buffett werfen möchte. Ich beschwichtigte und gucke. Und hier wird der größte Kontrast der beiden Hotelketten offenbar. Dem Premier-Inn-Frühstück fehlt vor allem eines: der Charme der Leidenschaft. Kein Bio ausgewiesen, ich entdecke keine Fairtrade-Schilder, nichts aus der Region ersichtlich.

Ich suche das kleine liebevolle Gimmick, das einfach jedes Hotel-Buffet bieten muss. Bei Ibis ist es die SB-Waffel-Station, bei Motel One die mit Edding bemalten, fröhlich grüßenden Eier, was ist es bei Premier Inn? Hmm. Es gibt Rührei, trotzdem noch das kostenlose Angebot, sich ein Rührei in der Küche zubereiten zu lassen. Offenbar schätzt man das Standard-Rührei vom schnittfesten Batzen in der Wanne selber nicht sonderlich. Außerdem gibt es eine Auswahl an Porridge.

Während Motel One das in seinen britischen Häusern anbietet, stülpt die britische Kette es offenbar allen Häusern auf. Aber eben nur auf Wunsch - beworben auf einem Plakat. Mit dem Hinweis: Rührei ODER Porridge. Nicht, dass hier noch ein Gierschlund vom Buffet-Gefühl von „ich nehme mir heute, was ich will“ auch à la Carte ohne Grenzen zulangt.

Die Anspruchslosigkeit fällt mal wieder vor allem am Obstsalat auf. In Zentimeter hoher Flüssigkeit schwimmen neben einigem Melonen-Mango-Glitsch vornehmlich grüne Granny-Smith-Apfelstückchen. Die mag offensichtlich keiner. Masse statt Klasse.

Fazit: Es gibt keinen Grund, mehr als den Preis bei Premier Inn zu bezahlen, wenn man das Motel-One-Ambiente mag. Die Premier-Inn-Zimmer bieten im Zweifel mehr: Platz, kostenlose Heißgetränke (für die, die sich nicht an den Wasserkochern stören) und einen Schrank.

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Wer allerdings auf ein Frühstück Wert legt, das über den Hauptsache-satt-Standard hinausgeht, der sollte bei Premier Inn ohne Frühstück buchen. Und zumindest in der Kölner Südstadt die fünf Minuten auf sich nehmen, um hinüber zu laufen zu Motel One. Ans regionale Bio-Fairtraide-Edding-Ei-Büffet.

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