Wenn Sie Freunde in ein gutes Restaurant einladen und das Essen trotz allem nicht schmeckt, dann ist das nicht Ihre Schuld. Und trotzdem sagen Sie wahrscheinlich Dinge wie: "Mensch, da wollte ich uns allen einen so schönen Abend machen und dann so eine Pleite. Das tut mir wirklich leid."
Ihre Freunde werden dann antworten: "Ach, da kannst du doch nichts dafür." Aber trotzdem wird allen für immer unvergessen bleiben: Die Einladung von Ihnen damals, Himmel, war das ein Scheißabend!
Und so ist es auch mit dem Flughafen Tegel. Diesem Schrotthaufen von einem Airport. Er ist einem gegenüber Berlin-Besuchern peinlich, auch wenn man selbst nichts dafür kann.
Jaaaa, er ist schön kompakt mit seiner Wabenform. Ich weiß. Da muss man nicht so weit laufen zum Gate. Aber erstens bewegen wir uns ohnehin zu wenig und Füße vertreten vorm Flug ist gut gegen Thrombose. Zweitens: Er ist so nur schön kompakt, weil er mini ist. Tante-Emma-Läden waren auch kompakt. Sind auch weg.
Und so kompakt ist der Flughafen auch gar nicht mehr. Links und rechts hat man längst noch Bretterbuden dran gekloppt. Man nennt sie großspurig "Gates". Wie an einem richtigen Flughafen. Diese sogenannten Gates erinnern vom Ambiente her an Duschräume auf schwedischen Campingplätzen in den 80er-Jahren. Viel Sperrholz, viel Wellblech, viel Linoleum, viele blanke Neonröhren.
Wobei zugegeben: Die eine Abflughalle wirkt heimeliger. Wie an der Warenausgabe bei Ikea. Nur: Bei Ikea kostet ein Hotdog einen Euro. Am Flughafen Tegel gibt es natürlich auch billige Imbissbuden. Die Buden sind billig. Allerdings kostet ein Imbiss dort ein Vermögen. An einigen gibt es kein noch so verknautschtes Brötchen unter 4 Euro. Keins!
Weil: Flughafen muss teuer sein. Man ist ja von Welt. Immerhin in diesem Punkt kann Tegel mit den richtigen Flughäfen in Frankfurt oder München problemlos mithalten. Nur: In Tegel trinkt und speist man wie beim Bäcker vor den Kassen im Baumarkt. Da kommt richtig Reise-Stimmung auf. Bloß weg hier!
Beklemmend auch die Ankunft. Tegel-Fans schwärmen von der schnellen Gepäckausgabe. Die haben sich eben damit abgefunden: Bloß weg hier. Aber eine schnelle Gepäckausgabe ist ja auch keine Kunst - bei einem Miniflughafen. Nur: Wo, WO kommt das Gepäck an? So ein Hickhack habe ich auf keinem einzigen Flughafen irgendeines Schwellenlandes erlebt:
Vergangene Woche bin ich aus Stockholm angereist (einer Stadt mit einem echten Flughafen). Als der Bus uns in der Ankunftshalle ausspuckte, standen wir alle, Deutsche wie Schweden, wie belämmert mitten im fahlen Tegeler Neonlicht und glotzten stumm auf die Monitore über den Gepäckausgabe-Bändern. Da standen die schönen Namen so vieler stolzer Städte: Helsinki, Riga, London. Nur Stockholm nirgends. Da entwickelte ich aus Scham ein spontanes Helfersyndrom. Ich dachte mir, wir können doch die Menschen, die ihr hart erspartes Geld dafür berappen, unsere Hauptstadt zu besuchen, nicht so einfach diesem Flughafen Tegel ausliefern, ohne Mitleid zu zeigen.
Also sprang ich zu einem der Männer vom Sicherheitspersonal, das an den großen automatischen Ausgangs-Schiebetüren stand: "Hier irren rund 150 Leute aus Stockholm umher, die nicht wissen, wo ihr Gepäck rauskommt."
"Uff meinem Monitor steht Band D."
"Da steht aber Riga drüber."
"Ja, ick kann's nicht ändern. Bei mir steht D."
"Willkommen auf der Museumsinsel"
Ich schlich zurück und versuchte, den erwartungsvollen Blicken der Mitreisenden auszuweichen. Ich hörte drei, vier Menschen tuscheln: "old airport...sorry... new one not finished yet." Da sah ich ganz am Ende der Halle, dort wo wir alle reingekommen waren, einen Monitor an der Wand. Einen Monitor so groß wie ein Zweitfernseher für die Küche. Als ich dort angekommen war, las ich klein: "Stockholm D". Ich rief in die Menge: "Stockholm D". Da setzte sich die Masse und auch das Fließband in Bewegung. Auf dem Monitor darüber stand: "Riga". Da kam schon kurz drauf unser Koffer.
Was aber in jedes Handgepäck eines Tegel-Reisenden gehört ist Handdesinfektionsmittel und Mentholcreme. Die Mentholcreme reibt man sich unter die Nase, bevor man einen Toilettenraum betritt, um den Würgreiz zu unterdrücken. Und das Desinfektionsmittel aus psychologischen Gründen. Damit das Gehirn die Finger anschließend noch als Teile des eigenen Körpers annimmt. Der abnormale Gestank ist eine Schande!
Fliegen Sie mal nach Bangkok. Auf dem Airport muss man keine Türklinke mehr anfassen und alles duftet nach Kampfer. Auf anderen Flughäfen riecht es wenigstens sauber. Dass einem beim Pinkeln nicht übel wird, ist zurecht internationaler Standard. Nur nicht in Tegel. In Tegel steht eine beißend-süße Feuchte in der Luft wie auf Autobahnraststätten der 70er.
Und was macht man als erstes, wenn man nach einem langen Flug endlich wieder festen Boden betritt? Man geht pinkeln.
Versiffte Klos in Lagerhallen-Atmosphäre - das ist der erste Eindruck Abertausender von Menschen von unserem Land. Ok, dafür gibt es ja einen Grund. Aber der macht es ja noch schlimmer. Wir sind nicht in der Lage, einen neuen Flughafen zu bauen.
Und so investiert die Flughafengesellschaft nun schon wieder rund 19 Millionen Euro in den Trümmerairport. Nachdem der ja schon ungeplant 20 Millionen verschlungen hat, seit der neue eigentlich eröffnen sollte. Das neue Geld soll in einen frischen Anti-Rutsch-Belag für die Landebahn fließen. Damit es nicht so leicht zu Flugzeugunglücken kommt. Gute Idee. Der Belag würde zwanzig Jahre halten. Der Flughafen soll aber eigentlich Ende 2017 schließen. Aber man plant eben mittlerweile weitsichtig.
Und investiert wird auch in die sanitären Anlagen. Und in die Gepäckfördertechnik. Sieh mal einer an. Wenn das so weiter geht, dann steht da in Tegel im Jahr 2035 der modernste Tante-Emma-Laden der Welt. Dann ist der neue BER schon wieder veraltet und hat selber links und rechts längst Bretterbuden zur Erweiterung dran gekloppt bekommen. Er ist ja jetzt schon zu klein.
Aber bis es soweit ist, könnte man einen kleinen Teil der 19 Millionen Euro abzweigen für ein großes Plakat in der Tegeler Haupthalle:
"Willkommen auf der Museumsinsel."