Werner knallhart
Kellner in einem Restaurant Quelle: imago images

Frust im Restaurant: Auf die Bedienung kommt es an!

Es muss schmecken. Klar. Aber daneben setzen viele Gastronomen auf Ambiente durch Design und vergessen: Vor allem das Personal muss zu den Gästen passen. Werden die zum Stimmungskiller, hilft auch der Schnaps aufs Haus nichts mehr.

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„Zwei Espressos bitte.“
„Sie meinen zwei Espressi? Gerne.“

Sie wissen, was ich meine. Das Zwischenmenschliche. Es kommt in Cafés, Restaurants und Bars auf das Zusammenspiel von Gästen und Personal an. Doch der Erfolgsdruck lastet nicht auf den Gästen. Die können ja sogar jederzeit ihr jahrelanges Lieblingscafé spontan zum Hass-Ort erklären, an den sie nie wieder einen Fuß setzen werden.

Auf den Kellnern lastet die Verantwortung für den Erfolg des ganzen Ladens. Und ich behaupte: Das sogar noch stärker, als vielen Gastronomen klar ist.

Ihr Steak ist etwas zu durch aber der Kellner ein Charmebolzen? Wer kann da schon wirklich böse sein? Das Steak ist auf den Punkt, aber der Kellner hat offenbar Karrierepläne, zu denen Sie nicht passen? Der Laden hat sich erledigt.

Die Gäste kommen wegen der Karte, der Lage, der Inneneinrichtung. Aber sie bleiben weg wegen der Kellner.

Ich kam zum ersten Mal darauf, als ich vor einiger Zeit in einem Kölner Café eine Chai Latte bestellte. Oder bestellen wollte. Es lief Loungemusik. Insgesamt war der Laden eine aus dem Ei gepellte Komposition aus irgend so einem Industriedesign mit Beton, Glas und Metall mit warmer kuscheliger Kerzenschein-Gemütlichkeit, die dem Zeitgeist entsprach. Motel One richtet heute so ähnlich seine Lobbys ein. Damals war das Gastro-Avantgarde.

Die Gäste: Studenten, Mütter mit Kinderwagen, Geschäftsfrauen und -männer mit Mittagspause. Es gab Bagel, vegetarischen Eintopf, Cheesecake, Joghurt mit Früchten im Einmachglas, kleine süße Teilchen aus Italien, Spanien, Dänemark. So was in der Art.

Die Kellnerin allerdings wirkte, als hätte sie sich verlaufen.
„Welche Sorten Chai Latte haben Sie denn?“
„Ja, so ´n Pulver ist das.“
„Ok, aber ich meine, welche Geschmacksrichtungen? Ich sehe ja von hier mehrere Dosen hinter der Theke im Regal. Haben Sie was zuckerfreies?“
Sie zog ihre sehr dünn gezupften Augenbrauen hoch: „Öäää? Ist das alles Chai-Latte-Pulver? Keine Ahnung.“

Die Frau war ja irgendwie nett. Aber die aufpolierte Eleganz des Cafés schuf eine Erwartungshaltung, der sie nicht gerecht wurde. Und sie war nicht die einzige dort. Das Team war mit dem Laden nicht warm geworden. Das merkte man. Es zog mich künftig nicht mehr hin.
Der Kellner, der auf den Hinweis „Die Ananasscheiben auf meiner Käseplatte sind ja braun und verfault“ antwortet: „Die isst man doch eh nicht mit.“
Die Kellnerin, die sagt: „Unser EC-Karten-Lesegerät ist heute kaputt. Da müssen Sie zum Geldautomaten gehen. Wenn Sie jetzt losgehen, sind Sie in einer Viertelstunde wieder da.“ Anstatt eine Rechnung auszustellen, die der Gast später online begleicht.
Der Kellner im ICE, der dem Gast in der 1. Klasse („Dürfe ich bitte ein Weizenbier haben?“) zurechtweist: „Ich haben vor fünf Minuten extra gefragt, wer was will.“

Alles schon erlebt. Aber es muss nicht immer gleich Pampigkeit und die komplette Serviceverweigerung sein. Springt einfach der Funke zwischen Kellner und Gästen nicht über, zucken diese mit den Schultern. Und kommen einfach nicht wieder. Ohne Rachegedanken. Einfach aus Unangefixtheit.



Da können Koch und Köchin noch so gut vorlegen. Ist die Pizza für neun Euro knusprig genug? Ist der gegrillte Schwertfisch für 25 Euro schön saftig? Die Qualität des Essens und der Getränke gleichen wir Gäste intuitiv ab mit dem Preis. Der Service allerdings muss nicht zum Preis passen. Er muss zum Haus passen. Wenn das Restaurant zu uns Gästen passen soll. In einem Döner-Grill muss der Kellner mir nicht die Jacke abnehmen. Aber ich möchte spüren, dass er gerne für uns da ist. Gute Produkte auf den Tisch zu bringen, reicht nicht.

• Wenn wir Gäste ab dem dritten, vierten Besuch mit Handschlag begrüßt werden und uns so als Stammgäste fühlen.
• Wenn wir einen Schluck des Weins vorher probieren dürfen, weil das Gästen und Gastgeber Spaß macht, statt: „Unsere Weine sind alle gut“.
• Wenn der Wunsch nach Leitungswasser zum Wein oder Kaffee wie eine vernünftige Selbstverständlichkeit und nicht wie peinlicher Geiz aufgenommen wird.
• Wenn es bei langer Wartezeit ungefragt einen aktuellen Zwischenstand und eine Portion Oliven extra gibt.
• Wenn man spürt, dass Lob und Anregungen mit echtem Interesse aufgenommen werden, statt mit „Gebe ich gerne weiter.“
• Wenn der Kellner auf den Hinweis „In Deutschland kann man ganz offiziell auch Espressos sagen, weil es das Plural-i im Deutschen nicht gibt“ sich erschrocken kichernd die Hand vor den Mund hält und sagt: „Oh Gott, das wusste ich nicht. Peinlich!“

Das Angebot an guter Küche im mittleren und etwas gehobenen Preissegment ist in unseren Städten doch recht groß, finde ich. Selbst in vielen kleinen Städten. Aber Service mit Charakter, Charme und Herzblut – da trennt sich die Spreu vom Weizen.

Aber wie findet man diese herzlichen Läden? Ich mache das in Restaurants seit einigen Jahren so: Ich gehe in Vorleistung. Ich zeige mich fröhlich, interessiert und plaudere eher einen Satz mehr als nur mit dem Finger auf die Gerichte auf der Karte zu zeigen. Ich lasse ein paar Funken spritzen, damit sie überspringen können. Lässt mich die Kellnerin oder der Kellner gelangweilt auflaufen, weiß ich alles, was ich wissen muss. Next. Ansonsten fühle ich mich dort wie zu Hause. Wenn es dann noch schmeckt, komme ich wieder.

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