Werner knallhart

Gäste mit Smartphone: Der Horror der Restaurant-Betreiber

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Fünf Minuten Fotos vom Essen?

Im Internet kursieren jetzt Geschichten von Gastronomen, die von den guten alten Zeiten schwärmen. Ein Restaurant in New York zum Beispiel hat angeblich Bänder der Überwachungskamera von 2004 mit Aufzeichnungen von 2014 verglichen und analysiert.

Ergebnis: Im Vergleich zu früher bräuchten die Gäste heute deutlich länger, bis sie bestellen, weil sie vorher mit dem Handy rumspielen, statt sich auf die Speisekarte zu konzentrieren. Außerdem würden rund die Hälfte der Gäste im Schnitt alleine etwa fünf Minuten darauf verwenden, das Essen und sich selbst zusammen mit dem Essen zu fotografieren und zu posten, statt es direkt zu verzehren.

Außerdem hielten sie das Personal mit dummen Fragen nach dem W-Lan-Zugang und Bitten um ein Gruppenfoto zusammen durchschnittlich zehn Minuten von der Arbeit ab. Durch das Internet auf dem Handy habe sich die Aufenthaltsdauer der Gäste von damals durchschnittlich 65 Minuten auf 115 Minuten annähernd verdoppelt. Ist das nicht beeindruckend?

Gut, ich glaube in dieser Statistik keine einzige Zahl. Haben Sie mal fünf Minuten lang Fotos von einem Teller mit Essen gemacht? Das ist eine absurd lange Zeit. Die Amerikaner wissen doch, wie man ein Smartphone bedient.

Aber es ist doch beeindruckend, wie dieses Phänomen weltweit zum Thema wird. Und es stimmt ja: Wir Gäste setzen den revolutionärsten Trend der Gastro-Branche der vergangenen zehn Jahren ganz einfach selber: Entschleunigung! Bitte schön, das wollen doch immer alle.

Benimmregeln für das Smartphone
In Meetings hat das Smartphone PauseViele Handynutzer haben auch in beruflichen Konferenzen ihr Smartphone im Blick, wie eine Umfrage des IT-Verbands Bitkom zeigt. Demnach schaut gut ein Drittel (36 Prozent) der berufstätigen Smartphone-Besitzer auch während Meetings auf das Handy. Viele pflegen während des Meetings ihre private Kommunikation: Gut jeder vierte Smartphone-Besitzer (27 Prozent) gab an, in Konferenzen private E-Mails, Facebook- oder WhatsApp-Nachrichten zu lesen. 11 Prozent spielen Handyspiele wie Quizduell und 6 Prozent schauen Sportergebnisse nach. Für den Bitkom ist das ein Zeichen, dass die sozialen Normen rund um den Smartphone-Gebrauch noch nicht festgelegt sind. Bei den meisten Kollegen kommt die Handynutzung während Konferenzen nicht gut an, viele finden es einfach unhöflich. Quelle: gewitterkind-Fotolia
Eine reale Person hat immer VorrangDie Regel ist ebenso banal, wie sie im Surf-Eifer schnell in Vergessenheit gerät. In dem Moment, in dem zwei oder mehrere Menschen beisammen sitzen, gehört das Smartphone ausgeschaltet. Der Einzelne sollte realen Personen mehr Aufmerksamkeit schenken als dem Gadget in der eigenen Hand. Quelle: dpa
Klingeltöne machen LeuteDer richtige, DEZENTE Klingelton ist ebenso wichtig wie die passende Email-Adresse. Bitte max.mustermann@gmx.de statt Schnurzelpurzel78@t-online.de. Und keine nervigen Technobeats oder "Du bist mein Schnuffel"-Songs als Klingelton. Quelle: dpa
Mit dem Smartphone im RestaurantEgal ob bei einem privaten Abendessen oder einem Businesslunch, manchmal möchte man das Smartphone einfach in Reichweite haben. Stellen Sie es in diesem Fällen aber auf Vibrationsalarm um und legen Sie den Display nach unten auf den Tisch. Bei einem eingehenden Anruf gehört es sich laut Knigge den Raum zu verlassen. Allerdings sollte das Telefonat dann nicht länger als ein Toilettengang dauern, um die andere Person nicht unnötig lange warten zu lassen. Quelle: dpa/dpaweb
Das Smartphone im SchlafzimmerEigentlich spricht nichts dagegen, das Smartphone auch im Schlafzimmer liegen zu haben. Wer sich den Raum jedoch mit seinem Partner teilt, sollte das Telefon nachts auf den Flugmodus umschalten, um nicht durch das Empfangen von Nachrichten zu stören. Auch sollte die nächtliche Daddelei am Smartphone unterlassen werden. Schließlich ist die Displaybeleuchtung sehr hell und kann einen durchaus aus dem Schlaf reißen. Quelle: dpa
Das Smartphone sollte zu Hause bleiben, …… wenn man die Kirche, ein Theater, einen Konzertsaal, ein Kino oder eine Beerdigung besucht. Bei derartigen Veranstaltungen stören Klingelgeräusche, der Vibrationsalarm oder auch das grelle Licht des Displays andere, die eine Veranstaltung ungestört besuchen wollen. Quelle: dpa
Smartphones und Handys haben an Tankstellen nichts zu suchenWährend die erste Regel noch nachvollziehbar ist, scheint diese Forderung auf den ersten Blick absurd. Tatsächlich wird sie nicht mit Pietät begründet, sondern ist schlicht und ergreifend eine Frage der Sicherheit. Wenn ein Handy herunterfällt und der Akku dabei herausspringt, ist es theoretisch denkbar, dass ein entstehender Funke Benzindämpfe entzündet, begründet der TÜV Nord. Ein solcher Fall sei allerdings bislang nicht bekannt. Quelle: dpa

Kreative Leistung

Nicht mehr Karte auf, Herr Ober bitte, Warten mit dem Blick auf die Uhr, Reinspachteln, zahlen bitte, auf Wiedersehen.

Dank des Smartphones halten wir inne, lassen unsere Gedanken gleiten, setzen uns künstlerisch mit der kreativen Leistung der Küche auseinander, teilen unsere Freude mit anderen. Dank technischer Schwierigkeiten entstehen Bande zwischen Gästen und Personal.

Früher nur Bestellungs-Empfänger, sind Kellnerinnen und Kellner heute auch Technical Support und nehmen aktiv Teil am bunten Leben der Gäste. Hätten Sie das einem schlichten Smartphone zugetraut? Und zum Dank gibt es anschließend auf Facebook Schwärmereien über ein schönes kulinarisches Erlebnis kostenlos. Hach, schöne neue Welt.

Dass sie das Personal dabei von der Arbeit abhalten, ist doch egal. Denn dadurch, dass die Gäste ewig den Tisch nicht freimachen, ist ja auch weniger zu tun. Und auch, wenn das den Gastronomen mit Blick auf den Umsatz nicht gefällt: Das wird nie wieder anders.

Handy-Verbot in Restaurants?

Im ICE-Restaurant hat man jüngst versucht, den Gästen die Arbeit mit moderner Technik pauschal zu verbieten. Auf einem Pappschild pro Tisch stand: „Aus Rücksicht auf andere Gäste“. Doch jedes Mal, wenn auf einer meiner Fahrten der Kellner einen Gast um Rücksicht bat, meldete sich von irgendwo ein anderer Gast: „Also, mich stört das nicht“. Mittlerweile ist die unbeholfene Erziehungsmaßnahme eingestellt worden.

Ein Handy-Verbot in Restaurants birgt noch eine ganz andere Gefahr: Als Gastronom sollte man sich nie mit einem Smartphone-Junkie anlegen. Die Rache liest sich dann sofort online auf diversen Bewertungsportalen: „Der Laden ist echt von gestern. Nie wieder!“

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