Werner knallhart

GDL macht Lokführer zu Deppen der Nation

Ist es Hass, ist es Geltungssucht oder ist es einfach nur dämlich? Die Gewerkschaft der Lokführer versaut den Deutschen das Wochenende und schafft das fast Unmögliche: Wir bekommen Mitleid mit der Deutschen Bahn.

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GDL-Chef Claus Weselsky trägt sein Streben nach mehr Macht auf dem Rücken der Fahrgäste aus – und lässt seine Lokführer wie Deppen da stehen. Quelle: dpa

Normalerweise hört man bei Straßenumfragen im Morgenmagazin ja beide Seiten: "Der Streik ist blöd. Weil jetzt hänge ich hier fest." Aber eben auch: "Klar, die Streikenden müssen ja irgendwie ihre Ansprüche durchsetzen."

Jetzt allerdings hört man Sätze wie: "Wird Zeit, dass Züge automatisch ohne Lokführer fahren." Wobei: Schlägt womöglich heute schon kein Herz mehr da vorne in der Lokomotive? Kein Herz für uns Passagiere?

Natürlich sollen auch Lokführer ab und an mehr Geld bekommen. Und wie andere sollen auch Lokführer dafür und für bessere Arbeitszeiten streiken dürfen. Die Lokführer der Deutschen Bahn haben nur das Pech, dass sie ausgerechnet von GDL-Chef Claus Weselsky vertreten werden. Und dieser Mensch, naja, sagen wir mal so, kommt irgendwie nicht so cool rüber.

In Fernsehinterviews wirkt Weselsky wie ein sächsischer Schulbub mit Schnurrbart, der sein allererstes Gedicht aufsagen muss. Aber intern gilt er manchem Kenner als cholerisch.

Weselsky sagt "was Behindertes", wenn er etwas Ungewolltes, etwas Schlechtes meint. Als Kopf einer Gewerkschaft sagt er: "Ich bin keiner, der ständig im Team arbeiten muss."

Größenwahn an der GDL-Spitze

"Der duldet keinen Widerspruch", sagen Weggefährten. Kritiker in seinen Reihen sägt er gnadenlos ab. Sein Vorgänger Manfred Schell sagt: "Der tut so, als würde er in den Heiligen Krieg ziehen."

All das wirkt ganz schön größenwahnsinnig. Und das bei einer solch popelig-kleinen Gewerkschaft wie der GDL. Die Bahn sagt, die GDL läuft Amok. Harte Worte. Aber es sind ja tatsächlich die komplexbeladenen Außenseiter, die sich nach Anerkennung sehnen, denen am Ende fast jedes Mittel recht ist, um im Mittelpunkt zu stehen. Es ist keine Kunst, für Chaos zu sorgen. Dafür reicht schon ein Drohanruf mit verstellter Stimme. Das kann jeder. Aber offenbar fühlt es sich für manche total geil an, für Chaos verantwortlich zu sein.

Die Lokführer jubeln Weselsky zu. Sie haben also kein Pech. Sie sind selber schuld. Sie übersehen: Dem Chef geht es nicht allein um das Wohl der Lokführer. Es geht ihm um das Wohl seiner nervigen Gewerkschaft. Im Machtkampf mit dem Rivalen, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG.

Die Politik greift endlich ein

Nun stehen die Räder also still, weil Weselskys Arm es will. Aber stark ist sein Arm nur, weil wir ihn lassen. Aber wie lange noch? Denn weil sich die Spartengewerkschaften bei Lufthansa (Vereinigung Cockpit) und Bahn (GDL) in letzter Zeit so unangenehm aufspielen, arbeitet die Bundesregierung schon daran, ihnen ihre Großkotzigkeit auszutreiben. Damit einige selbstherrliche Wenige nicht mehr eine ganze Gesellschaft lahmlegen können. Zukünftig sollen die kleinen Kläffer an die Leine genommen werden. Mehrere Gewerkschaften, die sich streiten, so wie die GDL und EVG, sollen sich dann einigen müssen, bevor eine mit Arbeitskampf vorprescht, um sich zu profilieren.

Bald wird es also wohl keine Alleingänge mehr geben. Eigenbrötler wie Weselsky werden zum Teamwork gezwungen. Was tut also einer, der so gerne im Mittelpunkt steht? Er bäumt sich noch einmal auf und macht sich groß. Damit viele Lokführer schnell in seine Gewerkschaft kommen, bevor es losgeht mit dem lästigen miteinander Reden.

Weselsky hat kein Herz

Weselskys Rechnung: Je unbarmherziger ich mich zeige, desto toller finden mich die Lokführer. Und jetzt schlägt der Kleine mit eisenharter Faust auf uns Kunden ein. Nicht, weil er der Gott der Lokführer ist. Sondern schlicht, weil die von uns legitimierte Rechtsordnung das hergibt.

Aber nicht nur Lokführer sind Menschen. Bahnkunden sind es auch. Menschen, die jetzt zu Beginn der Herbstferien als Familien in den Urlaub wollten. Die viel Geld für Flugtickets und Hotelzimmer ausgegeben haben – Reisen, die sie heute womöglich nicht antreten können, weil der Zug sie nicht zum Flughafen fährt. In sieben Bundesländern beginnen jetzt die Ferien. Aber auch die Leute in der Rückreisewelle trifft es. Und Menschen, die sich schon seit Montag auf das Bundesliga-Spiel ihres Vereins gefreut hatten, mit Karten für das Auswärtsspiel in der Tasche. Dem Fußball droht das Chaos, denn selbst die Sonderzüge für die Fans fallen aus.

Theaterkarten verfallen, Hochzeitsgäste sagen ab, Großeltern treffen ihre Enkel nicht. Schwimm-, Tanz-, Volleyballvereine kommen nicht zu lange geplanten Turnieren.

12-Stunden-Streiks in der Woche treffen uns auf der Fahrt zu geschäftlichen Terminen. Das ist ärgerlich genug. Aber solche Termine lassen sich verschieben, zur Not organisiert der Arbeitgeber einen Leihwagen oder bucht einen Flug.

50-Stunden-Streiks zu Beginn der Ferien am Wochenende aber treffen die Menschen ins Herz.

Weselsky aber hat kein Mitleid mit seinen Opfern. Dass Reisende zu leiden hätten, sei "systemimmanent". Wenn er das begriffen hat, könnte er ja versuchen, das Leid zu minimieren. Aber: "Wir können an der Stelle keine Rücksicht darauf nehmen, dass Urlaub ist." Quatsch! Damit ist jetzt klar: Er will die Deutschen so richtig quietschen lassen. Auf dass der Frust der Kunden auf die Bahn zurückfalle. Mir tut die Bahn allerdings leid. Die Bahn! Dieses Gefühl ist nun wirklich wie aus einer anderen Sphäre.

Lokführer lassen sich in die Deppenrolle drängen

Die Bahn hat kurz vor knapp ein neues Angebot vorgelegt, um den Streik abzuwenden. Fünf Prozent mehr Gehalt bis Sommer 2016 und Arbeitsentlastung durch 200 Lokführerstellen mehr. Vergeblich. Weselsky nennt es ein "Scheinangebot". Weil er weiß, dass die Bahn weiß, dass es ihm gar nicht vorrangig um seine Schützlinge geht.

Weselsky will mehr – er will für das gesamte Zugpersonal verhandeln. Will mehr Macht. Nicht einfach mehr Leistung für die Lokführer. Und die Bahn hatte nun leichtes Spiel, soviel unverhohlenes Machtstreben mit einem lokführerfreundlichen Angebot zu entlarven.

Die Lokführer lassen sich von Weselsky in die Deppenrolle drängen. Noch lassen sie sich instrumentalisieren. Das haben sie nicht verdient. Aber sie könnten es ja verhindern. Die andere Gewerkschaft etwa wartet mit offenen Armen.

Profitieren tun unterdessen die Fernbusse. Eine Reise mit denen ist zwar langsam, aber preiswert und flexibel.

Und die Fluggesellschaften. Die sind zwar teuer und unflexibel, aber schnell. Ich habe gestern im ICE vom bevorstehenden Streik erfahren. Und habe direkt aus dem Zug meine heutige Rückfahrt von Köln nach Berlin zu einem Rückflug umgebucht. Mit AirBerlin.

Wer weiß schließlich, was den Rackern von der Cockpit im Namen der Lufthansa-Piloten übers Wochenende so einfällt. Die kennen ja auch kein Maß. Ich verlasse mich da auf nichts mehr. Solange sich die Kleinen auf Kosten aller noch so daneben benehmen dürfen.

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